Was gegen eine Fusion von Novartis und Roche spricht
Roche-Chef Schwan sagte in einem Interview, er sei offen für Gespräche mit Novartis. Arbeiten die Konzerne bald enger zusammen oder steht gar ein Zusammenschluss bevor? Redaktion Tamedia zeigt Pro und Kontra einer Fusion auf.
Die jüngsten Äusserungen der Roche- und Novartis-Spitzen deuten auf ein Tauwetter der belasteten Beziehung der beiden Basler Pharmakonzerne hin. So zeigte sich Roche-Chef Severin Schwan bereit für eine Zusammenarbeit mit Novartis. «Sollte die richtige Gelegenheit kommen, wären wir sehr offen für Gespräche mit Novartis wie auch mit allen anderen Marktteilnehmern», sagte Schwan der «Financial Times». Zuvor brachte Novartis-Verwaltungsrat Pierre Landolt gar die Schaffung eines «europäischen Champions» ins Spiel. Natürlich liesse sich dies nicht auf die Schnelle machen, schob er nach. Auch Roche relativiert die Aussagen von Schwan. An der Haltung von Roche gegenüber Novartis habe sich nichts geändert. Für einzelne Projekte sei man seit jeher offen.
Dennoch drängt sich die Frage nach dem Für und Wider einer Fusion auf, zumal an den Spitzen beider Firmen eine Wachablösung stattfindet. Der deutsche Jörg Reinhardt hat bei Novartis das Präsidium bereits übernommen, der derzeitige Lufthansa-Chef Christoph Franz wird nächstes Jahr das Zepter von Franz Humer übernehmen. Unter der Führung von Humer und Ex-Novartis-Präsident Daniel Vasella war die Beziehung zwischen den beiden Firmen stets eine schwierige, gerade auch weil Vasella die Fusion unbedingt wollte.
Gemeinsam stärker
Im Raum steht ein möglicher Zusammenschluss bereits seit 2001, als Novartis ein bedeutendes Roche-Aktienpaket von Financier Martin Ebner aufkaufte und dies später ausbaute. Damals wurden der Konzentrationsprozess in der Branche sowie das schwache Wachstum und die mangelhafte Pipeline von Roche als Gründe für eine Fusion angeführt.
Zwar befinden sich heute beide Firmen in einer starken Verfassung. Dennoch hätte ein Zusammenschluss Vorteile, da er bestehende Probleme der Firmen lösen könnte. Roche hat vor allem wegen seiner starken Krebssparte Erfolg. Auf anderen Gebieten wie Herz-Kreislauf- und Stoffwechsel-Erkrankungen musste das Unternehmen mehrere Rückschläge einstecken. Eine Fusion könnte das Klumpenrisiko Krebsmedikamente reduzieren, wobei zu sagen ist, dass auch Novartis stark in der Onkologie vertreten ist. Novartis seinerseits könnte sich kleinerer Sparten wie Tiergesundheit oder rezeptfreie Medikamente entledigen, die nicht die kritische Grösse erreichen.
Ein fusioniertes Unternehmen wäre dank seiner Grösse besser aufgestellt, den Herausforderungen der Pharmabranche zu begegnen. Der steigende Kostendruck im Gesundheitswesen vieler Staaten und auslaufende Patente haben das einst üppige Wachstum vieler Firmen beschränkt. Zudem sind die Behörden strenger geworden, was die Zulassung neuer Medikamente anbelangt. Die Einsparungen, die bei einer Fusion etwa in der Administration anfallen, könnten mindestens teilweise in die Forschung und Entwicklung umgelenkt werden.
Schlechte Vorbilder
Gegen eine Fusion spricht die Tatsache, dass beide Firmen strategisch sehr unterschiedlich aufgestellt sind. Novartis ist diversifiziert, hat neben Originalpräparaten auch Generika, rezeptfreie Medikamente und Augenheilmittel im Angebot. Roche dagegen setzt voll auf Konzentration und will dank der engen Verknüpfung mit der Diagnostiksparte zielgerichtete Medikamente entwickeln.
Für das fusionierte Unternehmen wäre es mit Sicherheit eine Herausforderung, eine stimmige Strategie zu entwickeln, die langfristig Erfolg verspricht. Beispiele in den USA zeigen, wie schwer sich einzelne Pharmakonzerne damit tun. Branchenprimus Pfizer, der 2009 mit dem Konkurrenten Wyeth fusionierte, hat seither mehrere Restrukturierungen und Strategiewechsel hinter sich. War der Konzern zunächst breit aufgestellt, ist Pfizer nun dazu übergegangen, Sparten wie Babynahrung und Tiergesundheit abzustossen. Ähnliche Probleme kennt auch die amerikanische Merck, die 2009 mit Shering-Plough zusammenging. Soeben hat der Konzern einen weiteren Abbau von 8500 Stellen und die Reorganisation der Forschung und Entwicklung angekündigt .
Erben dagegen
Grösstes Hindernis einer Fusion ist die Zustimmung der Erben der Roche-Gründerfamilien. Sie besitzen zusammen 50,1 Prozent der stimmberechtigten Inhaberaktien. Für sie war ein Zusammenschluss bisher stets undenkbar, daran dürfte sich auch künftig kaum etwas ändern. Die Erben werden ihre Kontrollmehrheit nicht ohne Not abgeben. Sie wollen die Eigenständigkeit des Unternehmens bewahren, das ihre Vorfahren aufgebaut haben. Wichtig ist für die Familien auch, dass Roche trotz globaler Ausrichtung stark in der Schweiz und am Hauptsitz in Basel verankert bleibt. Die Wahl des Verwaltungsratspräsidenten fiel denn auch nicht zufällig auf Christoph Franz. Die Familien haben sich jemanden mit einer starken Verbundenheit zum Hauptsitzland Schweiz gewünscht. Der Lufthansa-Chef hat zuvor die Swiss geführt und wohnt nach wie vor in der Schweiz.
Unter dem Strich erscheint eine Fusion unrealistisch, vor allem weil sie am Widerstand der Nachkommen der Gründerfamilien scheitern würde. Mit Christoph Franz und Jörg Reinhardt an der Spitze steigen jedoch die Chancen, dass Roche mit Novartis Gespräche über die Beteiligung aufnehmen wird. Der Ausgang dieser Gespräche ist freilich offen.
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