Neue Massnahmen beim ImpfvorreiterWas Dänemark uns über die Pandemie lehrt
Dank Impffortschritt wurde Covid für besiegt erklärt, doch zwei Monate später schlägt das Virus zurück. Experten erklären, ob wir Corona noch in den Griff kriegen.

Dänemark hatte es geschafft, war über den Berg: Ende August erklärten die Skandinavier die Pandemie für beendet. Möglich machte das eine hohe Impfquote, das Land gehört zur Spitzengruppe der Vakzinierten.
Die komplette Öffnung war aber eine riskante Strategie, wie unser Korrespondent damals in einer Analyse schrieb, und auch die Regierung sagte, dass erneute Massnahmen trotzdem noch möglich seien, sollten die Fallzahlen wieder steigen. Tatsächlich zeigt sich jetzt, dass sich Corona noch immer im Land verbreitet, und die Regierung hat wieder leichte Massnahmen wie eine Zertifikatspflicht in Bars und Restaurants eingeführt.
Dies kommt kurz vor den lokalen Wahlen in Dänemark, es gibt also womöglich auch eine politische Komponente bei der Einführung des Zertifikats. Zumal die Kurve der Fallzahlen sich ähnlich steil nach oben bewegt wie vor einem Jahr, als auch Dänemark eine heftige Welle erlebte. Einfach nichts zu tun, wäre für die Regierungspartei offenbar das falsche Signal gewesen.
Doch weshalb gerät das Impfvorbild überhaupt wieder ins Straucheln? Sollte die hohe Vakzinierungsquote einen solchen Rückfall nicht verhindern? Und was bedeutet das für die Schweiz?

Der deutsche Virologe Christian Drosten sagt, dass diese Ungeimpften jetzt auch nicht mehr auf einen Herdenschutz hoffen können, wie er in einem Interview mit Zeit.de erklärt. Alle werden sich früher oder später anstecken. Schuld daran sei die Delta-Variante, die sich auch bei den Geimpften munter weiterverbreite. Zwar hätten diese weniger lange eine infektiöse Virenlast, aber entscheidend sei die Anfangszeit und da übertragen auch die Geimpften Corona, sagt Drosten.
Alle sollten Booster erhalten
Umgekehrt tragen die doppelt geimpften Erwachsenen auch nur noch wenig zu einem möglichen Herdenschutz bei, sagt der Virologe. Würde man diesen erreichen wollen, müssten einerseits Impflücken geschlossen werden und andererseits möglichst alle Anspruchsberechtigten einen Booster erhalten. So könnte man die Übertragungen einschränken, und die Fallzahlen würden sinken.
Das wäre zumindest seine Idee, sagt Drosten im Interview, um durch den Winter zu kommen. Wahrscheinlich sei die Zeit aber ohnehin zu knapp dafür, und gebe auch noch schlicht zu viele Ungeimpfte.
3-G-Regel nützt zu wenig
Einen angenehmen Ausweg sieht der deutsche Experte deshalb nicht, er sagt sogar, es werde wegen der Ungeimpften wohl wieder Kontaktbeschränkungen brauchen. Mit 3-G erreiche man keine genügende Entlastung. Zwar seien die Immunisierten geschützt, auch grösstenteils vor schweren Verläufen. Aber die Getesteten können sich mit 3-G bei den Geimpften anstecken, und ein Teil davon werde schwer erkranken.
Sterbezahlen wie in starker Grippewelle
Während Dänemark nun rasch auf steigende Hospitalisierungszahlen reagiert hat, bleibt Grossbritannien seiner Linie treu. Man hat sich an das «neue Normale» gewöhnt. Es gibt zwar viele Neuinfektionen, fast so viele wie im letzten Winter, doch die Hospitalisierungen sind stabil bei etwa 800 bis 1000 pro Tag, rund fünfmal weniger als beim Januarhöhepunkt.
Seit Juli sterben im Schnitt täglich etwa 125 Menschen an Covid. In einer heftigen Grippesaison – wie in Grossbritannien 2014/2015 oder 2017/2018 – starben im Schnitt etwa 140 Menschen pro Tag. Das sind Sterbezahlen, welche die Bevölkerung kennt und offenbar akzeptiert.
Britischer Weg nicht möglich
Der britische Weg ist uns aber noch verschlossen, wir können das Virus nicht einfach laufen lassen, erklärt Virologe Drosten. Ohne die Impflücken zu schliessen, könnte das für Deutschland 100’000 Tote bedeuten, in der Schweiz wären es mehrere Tausend. Drosten sieht nur zwei Wege für Länder wie Deutschland, Österreich oder die Schweiz: Herdenschutz oder Durchimpfung.
Auch Singapur machte Rückzieher
Den britischen Durchhaltewillen zeigen aber noch wenige Staaten. Vor Dänemark ist auch Singapur schon vor dem Virus eingeknickt. Man wollte dort «lernen, mit dem Virus zu leben», und nicht mehr tägliche Fallzahlen verfolgen. Die Regierung verhängte allerdings in Windeseile wieder Massnahmen, als es zu mehreren Corona-Hotspots kam. Man ist im südostasiatischen Kleinstaat stolz auf die niedrige Zahl der Covid-Todesfälle und möchte diese bewahren.
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