Drängelei auf der StrasseWarum ist warten so schwierig?
Die BE-Post-Kolumnistin macht sich Gedanken über ungeduldige Autofahrende. Und fragt sich, warum es alle immer so eilig haben.

Liebe Autofahrerinnen und Autofahrer
Eines Morgens, 7.05 Uhr, Lyssachstrasse, Burgdorf: Ein Lastwagen steht auf der Fahrbahn, die Warnblinker sind an, die Rückfahrlampen leuchten. Der Chauffeur möchte rückwärts in eine enge Einfahrt manövrieren.
Langsam rollt er an, da nähert sich von hinten ein Auto und überholt, der Lastwagenfahrer bricht ab. Zweiter Versuch, gleiches Problem. Dritter Versuch, diesmal kommt der PW von der anderen Seite, fährt knapp vor dem ausscherenden Lastwagen durch. Vierter Versuch. Jetzt funktioniert es.
Gleicher Morgen, 7.10 Uhr, gleiche Strasse, etwas weiter in Richtung Zentrum. Ein älterer Mann will über die Strasse, wartet beim Fussgängerstreifen. Zwar hält eine Autolenkerin vorschriftsgemäss an. Allerdings nur so lange, bis der Senior knapp an ihrem Fahrzeug vorbei ist. Noch bevor er das Trottoir erreicht hat, gibt die Fahrerin Gas. Der Mann macht einen erschrockenen Schritt nach vorn, stolpert und fällt beinahe.
Gleicher Morgen, 7.12 Uhr, gleiche Strasse, Nähe Bahnhof: Der Bus blinkt links, möchte von der Haltestelle weg und wieder in den Verkehr einfädeln. Geht aber nicht, weil noch hurti, hurti zwei Autos an ihm vorbeifahren müssen.
Liebe Autofahrerinnen und Autofahrer – seid ihr wirklich derart im Stress? Offenbar rennt vielen von euch schon am frühen Morgen die Zeit davon. Es scheint, als müsstet ihr jede Sekunde eures Lebens nutzen, um vorwärtszukommen. Immer auf dem Weg von einem Ort zum anderen. Es eilt, es eilt, nur keine unnötigen Unterbrechungen der zügigen Fahrt.
«Gemach, nur die Ruhe» – möchte ich den Nervösen jeweils gerne zurufen. Denn oft stehe ich gleich hinter ihnen, weil ich selber auch zu denen gehöre, die täglich mit dem Auto unterwegs sind. Und ganz sicher bin ich nicht viel braver als die anderen auf der Strasse, bestimmt habe ich auch schon gedrängelt.
Trotzdem frage ich mich immer wieder, warum es vielen Menschen so schwerfällt, einen Moment abzuwarten, bis der Fussgänger seinen Weg geschafft hat, der Lastwagen von der Strasse weg ist, der Bus eingefädelt hat? Es kann doch kein Problem sein, den anderen etwas Zeit zu geben und Platz zu lassen.
Wenn sich Ihnen das nächste Mal ein Bremsklotz in den Weg stellt, probieren Sie es doch mit zweimal tief durchatmen. Oder auch dreimal, wenn es sein muss. Erstens tut das erwiesenermassen der Lunge gut, und zweitens ist der Störfaktor vor Ihnen dann bestimmt schon weg.
Und wenn nicht … atmen Sie ein viertes Mal tief durch. Das ist in jedem Fall schneller und günstiger, als sich in der Rolle der Unfallverursacherin / des Unfallverursachers wiederzufinden. Dann dauert es wirklich lange. Und tief einatmen hilft auch nicht mehr.
Allzeit gute und zügige Fahrt wünscht
Cornelia Leuenberger
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