Warum der Papst Metzger werden wollte
Wichtige Gespräche lässt er in einer Konditorei stattfinden, er degustiert ohne Scheu jüdische Speisen und zeigt sich überhaupt offen in kulinarischen Fragen: Das is(s)t Papst Franziskus.

Wenn ein Feiertag war in Buenos Aires, oder einfach Sonntag, erschien der Koch des Colegio Máximo de San José in San Miguel nicht zur Arbeit, weil er freihatte. Im jesuitischen Ausbildungszentrum gab es dennoch etwas zu essen: weil ein junger Jesuitenpriester die Ärmel hochkrempelte, sich eine Schürze umband und kochte. Er konnte das gut, Jorge Mario Bergoglio, damals, vor über vierzig?Jahren, es gibt heute noch Zeugen, die das bestätigen. Dieser Tage spricht der Argentinier eher übers Essen, als dass er selber den Kochlöffel schwingt. Weil er jetzt Papst ist. Papst Franziskus.
Essen spielt und spielte immer eine grosse Rolle im Leben von Jorge Mario Bergoglio. Als er 1955 19-jährig als frisch diplomierter Lebensmitteltechniker seinen italienischstämmigen Eltern beichten wollte, dass er nicht – wie seine Mutter hoffte – die medizinische Fakultät besuchen, sondern eine Priesterkarriere einschlagen würde, wählte er für das Gespräch eine Konditorei. Die Ankündigung machte er «etwa nach der Hälfte des Frühstücks», wie er sich in einem Brief erinnert, im traditionsreichen Café La Perla de Flores in Buenos Aires. Ob dazu Alfajores, ein Gebäck, gereicht wurde, ist nicht überliefert. Ein Rezept dafür aber schon.
Eine Prise Witz...
Roberto Alborghetti ist einer der engagiertesten Biografen des Papstes und sicherlich einer der humorvollsten. Nicht dass in diesem Buch über die Lieblingsrezepte von Franziskus Witze gerissen würden. Doch trockene Sprüche würzen die Passagen, in denen es um das Leben des Papstes geht und nicht um ein Rezept. Und bei der Lektüre geht einem mehr als einmal durch den Kopf, dass wohl mit dem Biografen wie auch mit dem Pontifex maximus gut Kirschen essen wäre.
Weil Alborghetti so packend schreibt, dass selbst Nichtkatholikinnen, die das Buch primär zur Sichtung von neuen, überraschenden Zubereitungen zur Hand genommen haben, erst mal gebannt Franziskus' kulinarische Lebensgeschichte lesen – und erst dann zu den Rezepten übergehen. Anekdoten wie jene, dass Jorge Mario Bergoglio als Kind Metzger werden wollte, weil er auf dem Markt Männer gesehen hatte, die Fleisch zerschnitten (und ihn das beeindruckt hatte), erstaunen.
Andere sind schlicht und einfach spannend: Man erfährt zum Beispiel, dass der Papst einmal an einer Morgenmesse ganz emotional wurde, und zwar, weil ihm eine Haselnusstorte überreicht wurde, eine «Tonda gentile delle Langhe», wie sie seine Piemonteser Nonna Rosa jeweils gebacken hatte. Oder was der Papst am Tag der Armen, am 19. November 2017, in der Aula im Vatikan, dort, wo normalerweise päpstliche Audienzen stattfinden, mit 1500?«Menschen in Not» gegessen hat (sardische Gnocchi, Häppchen mit Kalbfleisch und Gemüse, Polenta und Broccoli, Tiramisù, Orangensaft, Kaffee).
... und Weltoffenheit
So bunt die Geschichten über Franziskus, so vielseitig sind seine Lieblingsgerichte. Im wahrsten Sinne des Wortes: Die «Pizza mit Mozzarella di bufala und gelben Kirschtomaten» leuchtet auf dem Bild wie eine untergehende Frühlingssonne – oder wie die Farben des Vatikans (Weiss und Gelb). Die Pizza hat es ins Buch geschafft, weil Papst Franziskus sie einst in Neapel in der Öffentlichkeit gegessen hat. Natürlich fehlt der Risotto piemontese nicht, auch nicht Empanadas aus seiner Heimat, ebenso wenig eine Torte mit Matetee, Franziskus' Lieblingsgetränk. Interessant ist auch die Pistazienmousse, die ihm «sehr gut geschmeckt hat». Probiert hat der Papst sie zusammen mit den «Artischocken jüdischer Art» (die frittiert werden), weil ihm ein jüdisch-römisches Restaurant sie zum Degustieren brachte, als er eine Delegation der jüdischen Gemeinde aus Argentinien erwartete.
Und was rief Papst Franziskus – ganz weltlich – 2013 nach seiner Wahl vom Balkon über dem Petersplatz der wartenden Menge zu? Genau: «Buon pranzo!», «Guten Appetit!».
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