Waffen für den Widerstand?
Eine Bewaffnung der Rebellen würde den syrischen Konflikt verschärfen, doch ohne Hilfe gewinnt das Regime. Im fünften Teil der Serie erklärt Nahostexperte Arnold Hottinger, warum Waffenhilfe die einzige Option ist.
Die europäischen Staaten und die USA haben deutlich gemacht, dass sie nicht gedenken, mit Gewalt in das syrische Ringen einzugreifen. Doch Saudiarabien lässt durchblicken, dass es Waffen an die syrischen Kämpfer liefern will, oder vielleicht schon zu liefern begonnen hat, und es ist nicht auszuschliessen, dass auch die Geheimdienste der Europäer und der Amerikaner ebenfalls solche Aktionen, die einem Waffenschmuggel nach Syrien gleichkämen, beginnen könnten.
Die syrischen Exilpolitiker, die sich zum eher umstrittenen Syrischen Nationalen Rat (SNC) zusammengeschlossen haben und versuchen, auf dem internationalen Parkett für den syrischen Widerstand zu sprechen, scheinen Bewaffnung von aussen anzustreben. Der SNC steht in lockerer Verbindung mit der Freien Syrischen Armee (FSA), welche ihrerseits versucht, eine Art von Oberkommando für die versprengten Gruppen der Überläufer aus den syrischen Streitkräften zu bilden.
Versuch, die überlegene Armee zu bekämpfen
Diese haben teilweise jenseits der Grenze in der Türkei Zuflucht gefunden; teilweise versuchen sie an verschiedenen Ansatzpunkten in Syrien selbst, die sehr viel besser bewaffnete und immer noch zahlenmässig weit überlegene reguläre syrische Armee zu bekämpfen.
Die FSA hat soeben einen «taktischen Rückzug» aus dem meistumkämpften Viertel von Homs, Baba Amr, angekündigt. Wenn die Regierungsarmee ihre schweren Waffen gegen diese Kämpfer konzentriert und einsetzt, bleibt ihnen auf die Dauer nichts anderes übrig als «sich aufzulösen», das heisst vom Kampfplatz zu verschwinden und an anderer Stelle eine Kampfsituation zu suchen, in der sie versprengten Truppenteilen der Regierungsarmee Schaden zufügen können. Dies ist die Taktik der klassischen Guerilla-Kriegsführung.
Bürgerkrieg würde vorangetrieben
Mehr Waffen für sie würden die Guerilla stärken und möglicherweise auch die Abbröcklungsbewegung verstärken, die es in der Regierungsarmee ohne Zweifel gibt. Von der aber niemand mit Sicherheit sagen kann, wie schnell und in welchem Ausmass sie fortschreiten wird.
Doch mehr und vielleicht auch etwas schwerere Waffen für die Guerilla bedeuten mit Sicherheit auch, dass der Bürgerkrieg in Syrien vorangetrieben wird.
Die Guerilla wird durch diese Waffen schlagkräftiger werden. Doch bis der Punkt kommt, an dem sie die Regierungstruppen entmutigen, bleibt noch ein sehr langer Weg. Zunächst werden die Armeekräfte noch härter und grausamer gegen die bewaffneten und unbewaffneten Gruppen der Opposition vorgehen. Sie werden mit allen Mitteln eine rasche Entscheidung anstreben, bevor die Guerilla zu viel fremde Waffenhilfe erhält. Die weitgehend alawitische Armeeführung weiss, wenn sie den Krieg verlieren sollte, wird sie von den Siegern für all ihre Untaten zur Rechenschaft gezogen und bestraft werden.
Verhaftungswellen bei Zivilisten
Die Hauptopfer eines Bürgerkrieges drohen jedoch die Zivilisten zu werden, die sich in gewaltlosen Demonstrationen gegen das Regime aufgelehnt hatten. Gegen sie werden die Sicherheitskräfte jedes Mal weitreichende Verhaftungswellen entfesseln, wenn die bewaffneten Kämpfer der FSA gezwungen werden, sich «aus taktischen Gründen» zurückzuziehen – wie es gegenwärtig in Baba Amr geschieht. Dort sollen sie manchen Berichten nach alle männlichen Überlebenden, die über elf Jahre alt sind, festnehmen.
Aus derartigen Gründen sprechen sich viele Beobachter innerhalb und ausserhalb Syriens gegen eine Bewaffnung der FSA durch äussere Mächte aus. Manche befürchten, die FSA und der SNC könnten zu Instrumenten der Aussenmächte verkommen, wenn diese durch massive Bewaffnung der syrischen Opposition Abhängigkeiten schaffen, die kaum mehr rückgängig zu machen sind, weil der Guerillakrieg lange dauern und immer mehr Waffen und immer mehr Hilfsgelder fordern wird.
Opposition soll Hilfe erhalten
Doch anderseits ist so gut wie allen Beobachtern unwohl bei der Aussicht, die syrischen Oppositionskämpfer ohne Hilfe von aussen einer langsamen Aufreibung durch die überlegenen Kräfte der Regierungsarmee auszuliefern. Nach Homs wird die Regierung zweifellos andere Konzentrationspunkte des zivilen und militärischen Widerstandes umzingeln, isolieren, beschiessen und schliesslich stürmen, plündern und «reinigen». Dies einfach geschehen zu lassen, ist für die Aussenwelt eigentlich keine Option.
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