Vorbei ist die Berner Dominanz auf dem Brünig
Zum ersten Mal seit 2011 endet der Brünigschwinget ohne Berner Sieg. Der 27 Jahre alte Entlebucher Erich Fankhauser wird nach dem gestellten Schlussgang zum lachenden Dritten.
Joel Wicki, Innerschweizer, vierfacher Saisonsieger und ein Ausbund an Explosivität. Kilian Wenger, Berner, Schwingerkönig und alles andere als ein Defensivspezialist.
Die Schlussgangpaarung auf dem Brünig wird zu einem Versprechen ohne Inhalt. Minute um Minute vergeht, als würden die Protagonisten nach dem Motto kämpfen: Wer zu früh zieht, den bestraft der Gegner. Zehn der zwölf Minuten sind vorbei, als Daniel Hüsler die Initiative übernimmt. Wickis Trainer schwingt am Platzrand seine Arme durch die Luft, versucht mit dieser Geste seinen Schützling zu animieren. Prompt zieht der Entlebucher – und wird beinahe ausgekontert. Damit hat es sich.
Der letzte Gang endet ohne Sieger, und Wicki zeigt unverzüglich auf seinen Freund und Clubkollegen Erich Fankhauser. Denn dieser profitiert vom Remis und kommt völlig unerwartet zu seinem grössten Sieg. Ihm scheint darob nicht ganz wohl zu sein. Jedenfalls sagt Fankhauser: «Es ist unfassbar. Dieser Erfolg ist zu einem grossen Teil Joels Verdienst: Er hat im Schlussgang nicht viel riskiert. Ich nehme diesen Sieg – aber es ist verrückt.»
Das Ende des 125. Brünigschwingets ist tatsächlich ein wenig verrückt, vor allem aber eines, mit dem kaum jemand zu hundert Prozent glücklich ist. Fankhausers Notenblatt ist eines Bergfestsiegers unwürdig, was selbstverständlich nicht in der Verantwortung des 27 Jahre alten Luzerners liegt. Nur ein «Eidgenosse» ist auf seinem Parcours notiert, und diesen Kampf hat Fankhauser erst noch verloren: im Anschwingen gegen den Berner Simon Anderegg.
Dass der Sieger aus der Innerschweiz kommt, ist wiederum verdient. Seit 2011 hatte auf der Passhöhe zwischen Obwalden und Haslital jedes Mal ein Berner obenaus geschwungen, nun gab es für den grössten Teilverband wieder einmal Grund zur Freude.
Der nächste Berner, bitte
Nirgendwo ist die Bindung zwischen Schwingern und Publikum so intensiv wie in der engen Naturarena auf dem Brünig. Wer vom Sägemehl nach oben blickt, findet traditionell rechts den Anhang der Innerschweizer, links die Berner.
Punkto Jubel herrschte dieses Mal Rechtsvortritt, vorab im vierten und im fünften Gang entschieden die Innerschweizer das Gros der Spitzenpaarungen für sich. Oder wie es Christian Stucki formuliert: «Wir kamen in dieser Phase unter die Räder.» Der Mitfavorit war mit zwei «Gestellten» bereits vor dem Mittag aus der Entscheidung gefallen; am Ende sollte ihm ein Viertel auf Fankhauser fehlen.
Die Berner suchten eifrig nach Gründen für den Einbruch. Einer fand sich in der Person Wickis. Der Entlebucher stellte zwar zum Auftakt in einem attraktiven Kampf mit Remo Käser, danach verfuhr er nach dem Prinzip: Der nächste Berner, bitte! Der Reihe nach bodigte er Roman Sommer, den «Eidgenossen» Patrick Schenk, den dreifachen Saisonsieger Matthias Aeschbacher und Routinier Florian Gnägi.
Umso erstaunlicher war Wickis Fall in die Passivität im Schlussgang. «Natürlich hätte ich das Fest lieber gewonnen. Aber es wäre dumm gewesen, eine Niederlage zu riskieren. Erich hat profitiert, das ist auch für mich eine gute Sache.» Schwingerkönig Wenger vermochte derweil die Gunst des Moments nicht zu nutzen. «Ich hatte den Gegner offensiver erwartet und wurde deshalb überrascht», sagt Wenger. «Ich hätte mehr Risiko nehmen dürfen. Aber es ist eine Gratwanderung.»
So gab es auf dem Brünig das Schlussbild eines Gewinners, der mit der linken Hand ins Publikum winkte und mit der rechten auf Wicki deutete. Mit etwas Goodwill war dieses Sujet für den Klassiker dann doch nicht gänzlich unpassend: Wenn schon die Sitzplatztickets über Generationen weitervererbt werden, dann darf ruhig auch mal einer den Sieg erben.
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