Was geht? Unsere Ausgehtipps der WocheVon einer leicht unheimlichen Schönheit umschmeichelte Klänge
Diese Woche: Klezmer-Musik zwischen Pathos und Trunkenheit, nordische Roadmovies ohne Auto und Strassenjazz aus New Orleans, der den gesitteten Rahmen sprengt
Im Nordlichtmilieu: Das Trio Arbre
Musik, die das Weite sucht, aber doch nicht flüchtig ist: So könnte man das Schaffen des Berner Jazz-Trios Arbre beschreiben, das gerade seinen ersten Tonträger veröffentlicht hat. Meistens fusst dieser Traumjazz auf flauschigem Boden oder er schwebt durch Zeit und Raum. Das Flügelhorn von Paul Butscher haucht verschwommene Melodien in den Raum, der Schlagzeuger Xavier Almeida wechselt nur selten vom Lautmalerischen ins Groovende, und – die eigentliche Vedette der Band – Mélusine Chappuis entlockt ihren präparierten Pianos und ihren mehrfach verfremdeten Synthesizern Klänge, die so von deren Erfindern nicht vorgesehen waren. Dabei entsteht eine sphärische Musik mit unüberhörbaren Referenzen zur norwegischen Jazz-Ideologie, zum Schaffen eines Nils Petter Molvaer oder eines Eivind Aarset. Es ist Musik, die sich alle Zeit zur Entfaltung lässt und die Virtuosität dem Konzept unterordnet. Und es ist eine Musik, die von einer permanenten, leicht unheimlichen Schönheit umschmeichelt ist. (ane)
Bee-Flat in der Progr-Turnhalle, Mittwoch, 20.4., 20.30 Uhr
Alle Jahre wieder: Händels «Messias», wetterfest und wettersicher

Vor ziemlich genau 280 Jahren, am 13. April 1742, wurde Georg Friedrich Händels «Messias» in Dublin uraufgeführt. Seither wird das Oratorium, dessen Text die Prophezeiung des Messias über die Passion bis hin zur Auferstehung erzählt, vielerorts alljährlich zu Ostern wieder aus der Schublade gezogen. In Dublin gibt es jeweils die wetterfeste Variante: Jeden 13. April werden dort Auszüge des Oratoriums unter freiem Himmel, nahe der Uraufführungsstätte, dargeboten. In Bern steht die wettersichere Variante auf dem Programm: Mit dem Berner Bach-Chor, zum letzten Mal dirigiert von der langjährigen Leiterin Lena-Lisa Wüstendörfer. (mar)
Casino Bern, Donnerstag, 14. April, 19.30 Uhr und Freitag, 15. April, 17.00 Uhr.
Der Norden ist auch anderswo: «Nordlichter» im Kino Cinématte

Für ein Roadmovie braucht es nicht zwingend ein Auto, wie der norwegische Film «Nord» beweist: Hier ist es nämlich ein Schneemobil, das den etwas versifften Protagonisten zu seinem unbekannten Sohn bringt. Es mag antizyklisch wirken, dass das Kino Cinématte ausgerechnet dann nordische Filme zeigt, wenn draussen alles spriesst. Doch die Reihe «Nordlichter» ist nicht auf Skandinavien und Schnee beschränkt: Die filmische Reise führt auch nach Irland, wo Brendan Gleeson in «The Guard» einen ruppigen Polizisten spielt, oder nach Grossbritannien, wo Timothy Spall in «The Last Bus» von Schottland nach Cornwall fährt – das ist definitiv wiederum ein Roadmovie, aber ganz landestypisch im Linienbus. (reg)
Kino Cinématte Bern. Die Reihe läuft noch bis Ende April.
Mit Punk und Trompeten: Die Amsterdam Klezmer Band
Wir schreiben das Jahr 1996, als in Amsterdam sieben junge Männer mit jüdischem und punkigem Hintergrund beschliessen, sich der altehrwürdigen Klezmermusik anzunehmen. The Pogues haben Selbiges zuvor mit dem irischen Folk getan, nun soll also auch der jüdischen Volksmusik mit der Punk-Peitsche die konservative Verkrustung abgeklopft werden. Was zunächst noch einigermassen gesittet klingt, wird in den Nullerjahren zum musikalischen Fest. Die Musik der Amsterdam Klezmer Band wird zunehmend bier- oder wodkaseliger. Immer mehr schleicht sich die boomende osteuropäische Partymusik ins Geschehen ein. Am Frontmikrofon amtet der ukrainische Sänger Alec Kopyt, der mehrheitsfähig zwischen Pathos und Trunkenheit schlenkert. Heute bespielt die Band, die zuerst als Strassen-Combo gegründet worden ist, die grössten Festivals des Kontinents. (ane)
Le Singe Biel, Samstag, 16.4., 21 Uhr
Sittenwidriger Strassenjazz: Tuba Skinny
Das Programm des Jazzfestivals Bern ist stets erlesen, die ganz Grossen des Jazz und Blues kommen dank diesem Festival nach Bern. Nur so richtig innovativ ist das Line-up eher selten. Umso erfreulicher ist der Auftritt einer Band, die den gesitteten Rahmen sprengt. Tuba Skinny nennt sich die 9-köpfige Strassenband aus New Orleans, die etwas Asphaltgeruch in die Innere Enge bringt. Die Mitglieder dieses zusammengewürfelten Ensembles strandeten alle Mitte der Nullerjahre in New Orleans. Sie waren damals alle gerade mal und die 20 Jahre alt und hatten noch den Punkrock im Blut. Gegründet wurde Tuba Skinny dann offiziell 2009 und etablierte sich bald auf der berühmten Royal Street als feste Strassenband. (mbu)
Marians Jazzroom, bis Samstag, 16.4., je zwei Konzerte um 19.30 Uhr und 22 Uhr
Auf dem fröhlichen Punker-Hof

«Wenn man morgens aufwacht und nix tut einem weh, dann ist man tot», heisst es in einem Refrain der deutschen Punkband mit dem klingenden Namen Lulu und die Einhornfarm. Dabei verweist die Sängerin mit dem unrühmlichen Künstlernamen Lulu Fuckface weniger auf auftretende Altersgebrechen als auf die Attitüde, standesgemäss zu feiern. Die Einhornfarm ist das Nebenprojekt der berühmt-berüchtigten Frontfrau der – Vorsicht, es bleibt grobschlächtig – «Toten Crackhuren im Kofferraum». Zu den aggressiv-poetischen Songtexten brettern die Gitarren Barré-Akkorde. Man wähnt sich in den 1990er-Jahren, als der rohe, schnoddrige Deutschpunk hoch im Kurs war. (mfe)
Rössli, Bern. Mittwoch, 20. April, 20 Uhr
Alexander Sury hat Germanistik und Geschichte studiert. Er ist Literaturredaktor und mag deshalb Bücher aller Art. Er pflegt jedoch einen breiten Kulturbegriff und ist auch YB-Fan.
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