Vom «Pharao» zum angeklagten Greis
Morgen wird das Urteil gegen Ägyptens ehemaligen Machthaber Mubarak gesprochen. Ranghohe Zeugen entlasten den Angeklagten. Trotzdem drohen ihm mehrere Jahre Haft – wenn nicht gar die Todesstrafe.

Drei Jahrzehnte lang hat Hosni Mubarak Ägypten mit harter Hand regiert – nun entscheidet die Justiz des Landes über sein Schicksal. Im Prozess gegen den im Februar 2011 gestürzten Staatschef wird morgen das Urteil gesprochen. Der ehemalige Machthaber mit dem streng zurückgekämmten Haar muss sich wegen Anordnung von Gewalt gegen Demonstranten und Korruption verantworten.
Seine Gegner hoffen, dass er wegen Mordes zum Tode verurteilt wird. Doch einige Zeugen haben den kranken 84-Jährigen vor Gericht entlastet. Der mittlerweile greise Pharao, wie Mubarak während seiner Amtszeit häufig genannt wurde, war im Zuge der Massenproteste zurückgetreten und ist seit April 2011 inhaftiert. Anfang August begann der Prozess gegen ihn und einige Vertraute sowie gegen seine zwei Söhne, die sich ebenfalls wegen Korruption verantworten müssen. Öffentlichkeitswirksam wurde Mubarak auf einer Bahre zu den Anhörungen geschoben – er leidet an Krebs, Depressionen und Herzproblemen.
Ohne Sonnenbrille, aber mit Grimasse
In Ägypten hat sich mittlerweile das Bild vom schwachen Mubarak verbreitet: Am Tahrir-Platz in Kairo verkaufen die Händler heute Karikaturen, die Mubarak mit Grimassen oder verängstigt zeigen, von öffentlichen Gebäuden wurden seine Porträts entfernt. Vorbei sind die Zeiten, in denen er bei internationalen Treffen als Garant der Sicherheit in einer unruhigen Region hofiert wurde und sich seinem Volk mit Sonnenbrille zeigte.
Mubarak wurde am 4. Mai 1928 in eine kleinbürgerliche Familie im Nildelta geboren. Karriere machte er in der ägyptischen Luftwaffe, der Jom-Kippur-Krieg 1973 gegen Israel machte den Offizier zum Kriegshelden und brachte ihn ins Amt des Vizepräsidenten. Als bei einer Militärparade im Oktober 1981 Extremisten Präsident Anwar al-Sadat wegen des Friedensvertrags erschossen, den er 1979 mit Israel geschlossen hatte, rückte Mubarak an die Staatsspitze. Im selben Jahr wurden die erst in dieser Woche aufgehobenen Notstandsgesetze erlassen.
Aussöhnung mit Israel fortgesetzt
Der Westen hielt Mubarak zugute, dass er nach Sadats Ermordung trotz des Drucks der arabischen Nachbarn die Aussöhnung mit Israel fortsetzte. Ausserdem suchte er die Anlehnung an die USA, bis zuletzt blieb er deren treuer Verbündeter und konnte auf grosszügige Militärhilfe zählen. Bei den Islamisten, die seit den Parlamentswahlen die Mehrheit in der Volksvertretung stellen, war Mubarak wegen seiner Nähe zu Israel und den USA allerdings verhasst. Er überlebte mehrere Attentatsversuche.
Auch in anderen Bereichen sah es düster aus: Unter Mubarak wucherten Bürokratie und Korruption im Staatsapparat, die Schere zwischen Arm und Reich ging seit Jahren immer weiter auseinander, Menschen- und Bürgerrechte wurden unter dem Ausnahmezustand mit Füssen getreten, willkürliche Polizeigewalt war üblich. Angeheizt durch die Revolte in Tunesien entlud sich die Wut der Bevölkerung auf die soziale Lage, den wirtschaftlichen Stillstand und die politische Unterdrückung schliesslich in den Protesten, die zu Mubaraks Rückzug führten.
Anweisung: Demonstranten wie Brüder behandeln
Was auf dem Tahrir-Platz geschah, war ein zentraler Punkt im Prozess: Mubarak muss sich für den Tod von mehr als 800 Menschen verantworten. Jedoch sagte ein Polizeioffizier, er habe die Anweisung erhalten, die Demonstranten wie Brüder zu behandeln, andere sagten aus, sie seien angehalten worden, keine Waffen zu tragen. Auch ranghohe Zeugen, die hinter verschlossenen Türen aussagten, sollen Mubarak nicht belastet haben. Der ebenfalls angeklagte Ex-Innenminister Habib al-Adli muss sich verantworten, der Polizei einen Schiessbefehl gegeben zu haben. Ein Zeuge sagte aber, al-Adli habe nur Wasserwerfer und Tränengas erlaubt.
Sollte Mubarak wegen Mordes schuldig gesprochen werden, droht ihm die Todesstrafe, bei Korruption mehrere Jahre Haft. Er kann ausserdem in Berufung gehen. Viele Opfer fürchten, dass es letztlich an stichhaltigen Beweisen mangelt, um Mubaraks Schuld nachzuweisen.
AFP/rbi
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