Vom Märchendorf in die Hölle
Acht Millionen Roma leben heute in der EU. Gemeinsam ist ihnen, dass sie von allen gehasst werden.

Wenn hinter den Birken die riesige rote Sonne untergeht, steigt aus den Wiesen langsam der Nebel auf. Dann fällt Sintesti, ein Dorf nur zehn Kilometer vor dem lärmenden Bukarest, ganz aus Welt und Zeit. Frauen mit schwarzen Zöpfen, grossen Ohrringen und knallbunten Röcken kommen auf den Höfen zusammen und zünden Feuer an. Riesige Häuser beherrschen das Dorf, viele mit kunstvoll verzierten Dächern aus Zinkblech. Märchenschloss steht hier an Märchenschloss. Der grösste Palast gehört dem Bulibasha, dem Zigeuner-Häuptling. Der alte Herr in Schwarz schaut traurig und etwas misstrauisch, wenn man an seine Türe klopft. Dann führt er den Gast doch durch die hohe Halle in ein Büro. Hier sitzt ein Mann, der sich als Vasile Ionescu vorstellt. Vor sich hat er einen grossen Schreibtisch und hinter sich mächtige Vitrinen mit nachgemachten Meissener Nippesfiguren. Wenn Herr Ionescu spricht, kehren Ort und Zeit zurück. «Mit dem Roma-Problem geht die EU sehr widersprüchlich um», sagt er und fährt sich durch den zottigen Bart.