Vom Flüchtling zum Profi – jetzt bröckelt die Story
HSV-Spieler Bakery Jatta soll nicht der sein, als der er sich ausgibt. Die Beweise dafür sind ziemlich deutlich. Nun legen erste Gegner Protest ein.
Der Werdegang von Bakery Jatta war damals in aller Munde. 2015 war der 17-Jährige alleine aus seiner Heimat Gambia nach Deutschland geflüchtet. Ein Jahr später unterschrieb er einen Profi-Vertrag beim damaligen Bundesligisten Hamburger SV. Vom afrikanischen Strassenfussballer zum Bundesligastürmer in nur einem Jahr – die Geschichte war (zu) schön.
Dieser steile Aufstieg sorgte damals für Schlagzeilen: «Traum eines Flüchtlings», «Das Fussballmärchen» und «Vom Flüchtling zum Fussballstar». Doch seit Mittwoch ist bekannt, dass das Leben von Bakery Jatta zu einer Lügengeschichte verkommen könnte.
So soll der HSV-Stürmer gar nicht Bakery Jatta sondern Bakary Daffeh heissen. Auch bei seinem Alter soll er geschummelt haben. Er soll nicht wie angegeben am 6. Juni 1998 geboren sein, sondern am 6. November 1995. Dies berichtet das deutsche Sportmagazin «Sportbild», das in den vergangenen Wochen in Jattas Vergangenheit recherchierte.
Nationalspieler statt Strassenfussballer
«Ich habe in Afrika in keinem Verein gespielt, das gab es dort nicht, höchstens mal am Wochenende konnte man ein betreutes Training mitmachen. Ansonsten waren wir auf uns gestellt, wir haben auf der Strasse Fussball gespielt und uns selbst die Dinge beigebracht», sagte Jatta 2016 in einem Interview auf der HSV-Website.
Auch das soll nicht der Wahrheit entsprechen. Gemäss «Sportbild» hat Jatta – oder besser Daffeh – in Afrika bereits für diverse Vereine gespielt. Ein Spieler namens Bakary Daffeh war nachweislich in Gambia für Brikama United aktiv und wurde vom Club nach Nigeria und in den Senegal ausgeliehen. Zudem kam der Spieler zu Einsätzen in der U-20-Nationalmannschaft Gambias.
«Ja, das ist er»
Sein ehemaliger Trainer im Senegal erhielt von der deutschen Sportzeitung ein Bild von Bakery Jatta. Coach Ibou Diarra bestätigte die Vermutungen: «Das ist Bakary Daffeh.» Und auch der U-20-Nationalcoach Mustapha Manneh sagt: «Ja, ich trainierte ihn in der Nachwuchsmannschaft. Ich bin mir sicher, dass er für mich 2014 ein entscheidendes Tor geschossen hat.»
«Sportbild» konfrontiere auch den aktuellen Arbeitgeber, den HSV, mit den Vorwürfen. Der Club liess in einem Statement im Namen von Vorstandsboss Bernd Hoffmann verlauten: «Wir haben Bakery Jattas gültigen Reisepass inklusive Aufenthaltsgenehmigung vorliegen. Bakery hat sich seit seiner Ankunft bei uns als tadelloser Sportsmann und als verlässlicher Mitspieler gezeigt. Er hat sich schnell in unsere Mannschaft und in unseren Club integriert. Wir schätzen ihn als Spieler und Menschen.» Der Spieler und dessen Berater äusserten sich bisher nicht zu den Vorwürfen.
Das taten dafür andere: Der 1. FC Nürnberg legte offiziell Einspruch gegen die Wertung seines Heimspiels gegen den HSV ein. Der Bundesliga-Absteiger verlor am Montag 0:4, Jatta spielte 65 Minuten. Bei seiner Auswechslung lag Nürnberg erst 0:2 hinten.
Asylrecht als Grund?
Warum soll der Stürmer überhaupt eine neue Identität angenommen haben? Bei seiner Einreise nach Deutschland war Jatta 2015 17 Jahre alt. Der Spieler Daffeh ist jedoch zweieinhalb Jahre älter. Das bedeutet er wäre zum Zeitpunkt des Asylantrags in Bremen bereits volljährig gewesen. Dies hätte das Asylverfahren deutlich erschwert – alleinreisende Minderjährige erhalten in der Regel eine Duldung und dürfen im Land bleiben.
Ob der HSV-Profi nun asylrechtliche Probleme bekommen könnte, ist noch unklar. Ein sportliches Nachspiel könnte die Namensaffäre für den Fussballer jedoch haben: «Das Thema ist hier bekannt, der Kontrollausschuss wird den Sachverhalt untersuchen.» Dies verkündete der Ausschussvorsitzende des Deutschen Fussball-Verbands (DFB), Anton Nachreiner. Am wahrscheinlichsten sei eine Sperre für den Spieler, schrieb «Sportbild».
Und somit bleibt zu den Schlagzeilen von 2016 zu sagen: Ein Märchen definiert sich durch seinen frei erfundenen Inhalt – da ist das Fussballmärchen wohl nicht anders.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch