Vom Finden
Warum es oft einfacher ist , jemanden anderes zu finden als sich selbst.
Es war ein weinseliger Abend in der Berner Bronx. Mein Nachbar hatte schon leicht einen sitzen und stiess wieder mit mir an. Ein bisschen machte ich mir Sorgen um ihn, denn er hatte sich erst vor zwei Wochen von seiner Freundin getrennt. Ein Drama. Sie hatte bei mir geklingelt, sich mit Tränen in den Augen verabschiedet und war mit einer Reisetasche und einer kümmerlich aussehenden Zimmerpflanze aus dem Quartier verschwunden.
Ich nippte am Wein und fragte meinen Nachbarn vorsichtig nach seinem Befinden. Er kippte das halbe Glas hinunter und schenkte sich nach. Ach, meinte er, sie sei immer noch traurig. Und er … na ja, die acht Jahre seien okay gewesen. Aber er brauche jetzt einfach mal Zeit für sich. Müsse sich selbst finden. Endlich durch Sibirien reisen, eine Weiterbildung machen, wieder mehr Basketball spielen. Sich überlegen, was er eigentlich wolle im Leben. Vielleicht eine neue Stelle suchen, in eine andere Stadt ziehen, auswandern.
In diesem Moment vibrierte sein Handy. Auf seinem Gesicht ging die Sonne auf, als er die Nachricht las. «Ich muss», sagte er und stellte das Weinglas auf den Tisch. Er habe da diese Frau kennen gelernt und … na ja, schliesslich sei bald Valentinstag. Er schwebte davon, und ich nahm einen grossen Schluck. Manchmal ist es einfacher, jemand anderes als sich selbst zu finden.
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