Vier Untersuchungsrichter bissen sich sieben Jahre lang die Zähne aus
Das Verfahren der Bundesanwaltschaft (BA) gegen den Hells Angels MC Zürich hat sich als Schlag ins Wasser erwiesen: Der Vorwurf der organisierten Kriminalität wird fallen gelassen.
Die Bundesanwaltschaft (BA) hat mitgeteilt, dass sie gegen die Mitglieder des Hells Angels MC Zürich keine Anklage wegen organisierter Kriminalität erhebt. Der ursprüngliche Ermittlungsansatz, wonach es sich bei den Hells Angels, zumindest bei einer Kerngruppe, um eine kriminelle Organisation handle, habe nicht erhärtet werden können. Das Verfahren werde diesbezüglich eingestellt.
Beim Bundesstrafgericht angeklagt werden nur fünf einzelne Exponenten des Motorradklubs. Die BA wirft ihnen schwere Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, eine versuchte Erpressung, eine versuchte Freiheitsberaubung und Entführung sowie Vorbereitungen für einen Raubüberfall vor.
Anwalt erleichtert über «Erstklass-Beerdigung»
Der Zürcher Anwalt Valentin Landmann ist erleichtert darüber, dass die Bundesanwaltschaft den Vorwurf der organisierten Kriminalität gegen die Hells Angels fallen gelassen hat. Es sei eine «Erstklass-Beerdigung im Eichensarg,» sagte er gegenüber der Nachrichtenagentur SDA.
«Ein konkreter Verdacht, dass es sich um eine kriminelle Organisation handelt, liess sich bereits am Anfang nicht zeigen», sagte der Anwalt. Nun herrsche durchzogene Freude. Endlich, nach knapp sieben Jahren und einer riesigen, aufwendigen Untersuchung werde der Hauptvorwurf fallengelassen.
Bedauerlich sei aber, dass man dafür den grossen Lauschangriff eingesetzt und 8000 Stunden Material zusammengetragen habe. Dies sei ein Aufwand wie nach einem Massenmord oder bei einer terroristischen Vereinigung.
Was jetzt angeklagt werde, seien behauptete Delikte von Einzelnen, die mit dem Club als solchem nichts zu tun hätten. Dabei handle es sich um Allerweltsdelikte. «Wer etwas getan hat, muss dafür gerade stehen. Aber der Club ist keine kriminelle Organisation», betonte Landmann.
Grossangelegte Razzia
Das Verfahren der Bundesanwaltschaft (BA) gegen den Hells Angels MC Zürich dauerte nicht nur lange, es hatte auch einige Nebenwirkungen. Nicht weniger als vier Untersuchungsrichter befassten sich mit den Rockern.
Das Verfahren begann im Januar 2003 und beruhte auf Vorermittlungen der Bundeskriminalpolizei ab Frühjahr 2002. Die Bundesanwaltschaft stand zu diesem Zeitpunkt und bis 2006 unter der Leitung von Valentin Roschacher.
Ende April 2004 schlug die Polizei mit einer grossangelegten Razzia im Vereinslokal der Rocker an der Zürcher Langstrasse zu. Sie nahm 13 Mitglieder vorübergehend fest.
Grosser Lauschangriff
Die Hypothese vom Motorradklub als kriminelle Organisation bestimmte von Anfang an die Ermittlungen, wie der Eidgenössische Untersuchungsrichter Jürg Zinglé im Mai 2010 in seinem Schlussbericht festhielt. Dazu wurden mehr als ein Jahr lang 26 Telefonanschlüsse abgehört, drei E-Mail-Konten und ein Faxanschluss überwacht.
So kamen 8000 Stunden Aufzeichnungen zusammen. Nicht weniger als 17 Beschuldigte trugen ebenfalls nicht zur Beschleunigung bei. Insgesamt gab es 12 Beweiseingaben mit teilweise zahlreichen Beweisanträgen.
Hinderlich war auch der Handwechsel des Dossiers, wie Zinglé damals sagte. Vier Untersuchungsrichter waren mit dem Fall befasst, zuletzt bis 2008 Ernst Roduner. Dieser musste das Handtuch werfen, weil er ein Drohfax an sich selbst fabriziert hatte - allerdings in Zusammenhang mit dem derzeit immer noch hängigen Verfahren gegen den Privatbankier Oskar Holenweger.
Roschacher nahm den Hut
Roduner hatte den Hells-Angels-Fall neben jenem gegen Holenweger nach seiner Pensionierung noch weitergeführt. Das Drohfax brachte ihm wegen Irreführung der Rechtspflege eine bedingte Geldstrafe von 30 Tagessätzen ein. Die Geschäftsprüfungskommissionen des Bundesparlaments rügten das Verhalten als unentschuldbar.
Neben Roduner geriet auch der damalige Bundesanwalt Valentin Roschacher in Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen die Rocker und weiteren Fällen – namentlich jenen Holenwegers – ins Kreuzfeuer der Kritik. Nach einer vom ehemaligen Justizminister Christoph Blocher eingeleiteten Administrativuntersuchung nahm Roschacher schliesslich im Juli 2006 den Hut.
SDA/bru/oku
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