«Vielleicht, weil die Frauen nichts fordern»
Auf seiner Tour de Suisse kam Paul Rechsteiner, Präsident des Gewerkschaftsbundes, als 1.-Mai-Redner aufs Bödeli. Am diesjährigen Tag der Arbeit gings um die Lohngleichheit für Frauen.

Kein Umzug, aber ein Fest mit Musik, Risotto und prominenten Rednern: Auf dem Bödeli wird der 1. Mai seit Jahren in dieser Form gefeiert, paritätisch einmal in Unterseen, einmal in Interlaken. Dieses Jahr fand die Feier in der Aula in Interlaken statt. Angeschlossen hat sich neu auch die SP Spiez, und sie brachte mit Tatjana Wagner eine erfrischend junge Rednerin mit.
Eine aus der Generation der politisch nicht so Interessierten. Tatjana nahm das diesjährige 1.-Mai-Feier-Motto «Lohngleichheit. Punkt. Schluss.» unter die Lupe. Und suchte die Gründe, warum seit 37 Jahren Lohngleichheit für Mann und Frau zwar in der Verfassung verankert ist, aber der Unterschied auch heute noch sehr gross ist, 600 Franken betrage er.
«Vielleicht, weil die Frauen nichts fordern», vermutete sie. Und weil die Frauen in den traditionellen Frauenberufen unterwegs sind, die nicht so gut bezahlt werden. «Man muss endlich über Löhne offen reden», fand sie. Und sie möchte nicht weitere 37 Jahre warten, bis die Lohngleichheit umgesetzt ist.

Langer Atem
«Auf lange Sicht zählt nicht die Niederlage. Sondern die Kraft, das Engagement und der Mut, für berechtigte Forderungen weiterzukämpfen», sagte vor roten SP- und Unia-Fahnen Ständerat Paul Rechsteiner, Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes.
Er war gewissermassen auf der Durchreise, vom grossen Maiumzug in Zürich über Radio SRF nach Münchenbuchsee. Mit der Eisenbahn. Er wurde in Bezug auf die SBB in seiner Rede konkret. Er lobte die Mitarbeitenden. Aber: «Die Unternehmungsleitung sitzt im Glashaus.» Sie habe die «Unsitte der Boni» eingeführt und baue Stellen ab.
Ebenso konkret nahm er Stellung in Bezug auf die Mitarbeitenden in der Baubranche. «Dass sie mit 60 pensioniert werden, ist einfach ein Stück elementare Gerechtigkeit», sagte er. Er begann seine Rede mit dem Generalstreik 1918. Die Arbeiter brachen ihn damals ab, damit nicht Schweizer Soldaten auf Schweizer Arbeiter schiessen mussten. In Olten fielen trotzdem Schüsse.
Drei Arbeiter starben. Eine grosse Wirkung hatte der Generalstreik dann aber trotzdem: Die Arbeitszeit wurde von 59 auf 48 Wochenstunden herabgesetzt. Gegenwärtig sei ein Grossangriff auf die Arbeitszeit im Gang. «Im Klartext heisst es, dass Leute gratis Arbeitszeit leisten müssen», sagte er. Lange habe es gedauert, bis die AHV eingeführt wurde.
«Es ist die grösste sozialstaatliche Errungenschaft in der doch sehr kapitalistischen Schweiz», sagte er. Und sehr lange, nämlich bis 1971, habe es gedauert, bis das 1918 geforderte Frauenstimmrecht kam.
Und jetzt dauere es wieder sehr lang, bis die in der Verfassung verankerte Lohngleichheit zwischen Mann und Frau umgesetzt werde. Island habe es vorgemacht: Innert fünf Jahren sei die Forderung gleicher Lohn für Frau und Mann realisiert worden.
Politisches Erdbeben
Véronique Polito, Mitglied der Geschäftsleitung Unia, sprach von einem «politischen Erdbeben», ausgelöst im Februar 2018 durch den Ständerat. Er hat die Revision des Gleichstellungsgesetzes an die vorberatende Kommission zurückgewiesen. «Es sollen Massnahmen vorgeschlagen werden, die keinem Arbeitgeber wehtun», sagte sie.
Um für die Durchsetzung der Frauenrechte zu kämpfen, brauche es Überzeugung, Widerstandskraft, Solidarität und viele engagierte Kolleginnen und Kollegen. Dass die SP und die Gewerkschaften aktuell an vielen Fronten zu kämpfen haben, zeigte eine ganze Reihe von Initiativen und Referenden, welche die Interlakner Gemeinderätin Sabina Stör vorstellte.
Der Interlakner Dimitri Rougy sprach über seine Motive, das Referendum «gegen Sozialdetektive» ergriffen zu haben. Als Basis der Arbeit bezeichnete er die Werte Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit.
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