Viele Rentner wollen weiterarbeiten
Das Rentenalter soll zugunsten der AHV und wegen fehlender Fachkräfte erhöht werden. Manche Pensionierte tun das heute schon. Viele ehrenamtlich, andere gegen Bezahlung.
Aus der Pension zurückgeholt
Die Wohnhilfe Thun liegt der einstigen Leiterin Madeleine Rupp am Herzen. Deshalb sprang sie auch als Rentnerin bei Engpässen ohne Zögern ein.
Knapp zehn Jahre lang leitete Madeleine Rupp die Wohnhilfe Thun, bevor sie 2013 in Pension ging. Danach wurde die Steffisburgerin wegen Personalengpässen immer wieder für mehrmonatige Stellvertretungen zurückgeholt. Madeleine Rupp kam, ohne zu zögern: «Ist doch klar, dass ich mein Team unterstützte – die Menschen sind mir wichtig», sagt sie.

Die Wohnhilfe sei ein kleiner, spezialisierter Betrieb. «Nur schon der Ausfall eines Mitarbeiters wird problematisch», weiss Madeleine Rupp. Die gelernte Landwirtin bildete sich zusätzlich zur Sozialarbeiterin mit Fachhochschulabschluss aus. Sie führte die Institution Wohnhilfe nicht nur, sondern baute auch deren Angebot kontinuierlich aus. So kamen die Bereiche Notschlafstelle, Wohnungsvermittlung, Begleitetes Wohnen und Teilbetreutes Wohnen schliesslich unter dieselbe Leitung. Und dies trotz der Tatsache, dass die Einrichtungen an verschiedenen Standorten angesiedelt sind.
Eine Herzensangelegenheit
Dass der Betrieb in ihrem Sinn weitergeht, war für die 69-Jährige deshalb eine Herzensangelegenheit. «Es geht um Menschen in schwierigen Lebenssituationen», macht sie deutlich. Ihnen umfassende Unterstützung anzubieten, das war und ist ihr wichtig.
Ende Juni trat Madeleine Rupp endgültig ihren Ruhestand an. Doch abgeschlossen hat sie mit dem früheren Amt noch nicht. «Die Wohnhilfe auf einen Standort zu konzentrieren, dafür hatte ich im Berufsleben keine Zeit», hält sie fest. Für dieses weitere Ziel möchte sie sich jetzt einsetzen: «So quasi unter der Rubrik Freiwilligenarbeit», sagt Rupp und schmunzelt.
Auch andere Interessen
Demnach steht sie der Wohnhilfe auch weiterhin für Einsätze zur Verfügung? Die vielseitig interessierte Seniorin, die immer noch in mehreren Vereinen aktiv ist, schüttelt entschieden den Kopf. «Ich habe Haus und Garten und möchte mit meinem Lebenspartner nun vermehrt wandern», betont sie. Auch ihrem Hobby bei Radio 60 plus will sie sich mehr widmen. Madeleine Rupp ist Vereinspräsidentin und produziert, zusammen mit anderen, auch Sendungen für Senioren. «Beiträge zu gestalten, macht mir grossen Spass», sagt sie. «Daher freue ich mich, nun endlich wieder mehr Zeit dafür zu haben.»
Nur bedingt interessant
«Erwerbsarbeit im Rentenalter ist nur bedingt interessant», findet sie. Der Grund: Eventuell werden wieder AHV-Beiträge fällig – aber ohne Einfluss auf eine höhere Rente. Auch die Steuerrechnung könnte höher werden. Sylvia Kälin
Wer will und kann, soll dürfen
Seit fast zwanzig Jahren ist der pensionierte BLS-Stationsbeamte Hans Kopp freier Mitarbeiter des «Thuner Tagblatts». Er ist gegen eine starre Altersgrenze für die Pensionierung. Jeder sollte das Recht haben, gegen Entgelt weiter tätig zu sein.
«Es war nicht ganz einfach, von einem Tag auf den andern von einem 100-Prozent-Job auf null umzustellen», erinnert sich der in Frutigen geborene Hans Kopp. Nach knapp 44 Dienstjahren hatte sich der gelernte BLS-Stationsbeamte mit 62 Jahren vorzeitig pensionieren lassen. «Nicht weil ich keine Freude mehr am Beruf gehabt hätte, aber angesichts bevorstehender Umstrukturierungen», erklärt er.
Der Glücksfall
Ihm sei allerdings schnell klar geworden, dass er eine sinnvolle Tätigkeit brauche. Als «Glücksfall» empfand er im «Berner Oberländer» ein Inserat, in welchem nach einem Lokalkorrespondenten für die Region Thun gesucht wurde. «Ich habe immer gern geschrieben, mich möglichst klar verständlich ausgedrückt», schildert der heute 81-jährige Senior. Seinen ersten Artikel schrieb er 1999 über die Bundesfeier mit Tinu Heiniger in Oberhofen. Es folgten unzählige Artikel – nicht nur für den «Berner Oberländer», auch für das «Thuner Tagblatt».

Pro Woche schreibe er im Durchschnitt ein bis zwei Artikel. «Meine Triebfeder ist, dass ich etwas machen kann, das mir Freude macht und meinen vielseitigen Interessen entgegenkommt», sagt er. Er schätzt die Kontakte mit verschiedenen Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft sowie Kunst und Kultur. Auf Anfrage wagte er sich auch an die Gerichtsberichterstattung. «Davor hatte ich anfangs grossen Respekt – heute habe ich mich eingewöhnt und mache es gern», gesteht er. Natürlich habe es auch ärgerliche Fehler gegeben. Etwa als er in einem Artikel gleich zwei Namen falsch geschrieben hatte. «Das war mir sehr peinlich», fuchst ihn der Lapsus noch heute. Als Highlight bezeichnet er ein Lob von Jean Ziegler für einen seiner Artikel.
Gegen Altersgrenze
Der zweifache Vater Hans Kopp ist gegen eine Altersgrenze für die Pensionierung. Er findet: «Jeder, der sich in der Lage fühlt, sollte auch nach der Pensionierung das Recht haben, auch gegen Entgelt weiter tätig zu sein.» Die demografische Entwicklung spiele zunehmend eine grosse Rolle. Zudem wäre es Sache der Arbeitgeber, zu prüfen, ob eine Seniorin, ein Senior den jungen Berufsleuten im Betrieb das berufliche Know-how vermitteln könnte. Solange er könne und man ihn wolle, würde er gerne weiter freier Journalist bleiben. Der Zusatzverdienst ist für Reisen und Wanderungen mit seiner Frau Heidy willkommen. Verena Holzer
Betrieb nur noch auf reduzierter Basis
Der 76-jährige Hünibacher Arthur Beck führt sein 1993 gegründetes Unternehmen Sebra AG noch heute. Es ist auf Stromanlagen spezialisiert und erhält immer noch Aufträge bisheriger Kunden.
Der diplomierte Elektroingenieur Arthur Beck sitzt mit wachem, interessiertem Blick am Küchentisch und erzählt. Er ist mit seinen 76 Jahren immer noch in verschiedenen Bereichen tätig. So etwa in seiner Sebra AG, die auf die Sparte Stromanlagen bei Bahnen und Kraftwerken spezialisiert ist. Er hilft aber auch auf dem Bauernhof seiner Partnerin in Frankreich oder als Freiwilliger im Rebberg Hilterfingen.
Die Berufsstationen
Arthur Beck, beim Militär Offizier, hat beim Badener Technokonzern Brown Boveri (BBC) Maschinenzeichner gelernt und sich am Abendtechnikum zum Elektroingenieur weitergebildet. Bei der BBC hat er sich auf die Sparte Energieerzeugung spezialisiert. 1991 übernahm Arthur Beck 1991 die Geschäftsleitung der Firma Kummler & Matter, Sintro AG (KMS), die sich auf die Produktion von Betonmischanlagen, Verkehrsleitsystemen und Hotelreservationsanlagen spezialisiert hatte. Nach einem Besitzerwechsel verliess er Mitte 1992 die KMS. Ein halbes Jahr später übernahm er die Geschäftsleitung der früheren ABB-Tochtergesellschaft ET Biel (ETB). Diese war auf Bahnstromanlagen und Ausrüstungen für die Energieerzeugung spezialisiert.
Schritt zur Selbstständigkeit
Da die ETB hoffnungslos überschuldet war, wagte Arthur Beck 1993 nach Absprache mit dem wichtigsten Kunden den Schritt in die Eigenständigkeit. Er gründete die Firma Sebra AG, welche zu Beginn 28 Personen im Bereich Bahnstromanlagen beschäftigte. «Die Aufträge für unsere Firma stammten vor allem von den SBB und der BLS für Arbeiten in deren Unterwerken und Kraftwerken», schildert er. Später kamen auch Aufträge von Wasserkraftgesellschaften wie der Kraftwerke Oberhasli für Montagen sowie Reparatur- und Unterhaltsarbeiten dazu.

Ab 2008 hat Arthur Beck die Personalabgänge nicht mehr ersetzt und die Aktivitäten der Sebra AG sukzessive runtergefahren. Heute beschäftigt er noch zwei Mitarbeitende. «Da die Firma weiterhin Anfragen für kleinere Reparaturen und Ersatzteile erhält, läuft der Betrieb auf reduzierter Basis weiter», erläutert Arthur Beck.
Dank eines verständnisvollen BBC-Lehrmeisters studierte Beck parallel zur Ausbildung in Zürich Musik (Konzertgitarre, Flöte, Harfe). Das habe zu langen Arbeitstagen geführt. Aktiv spielt Arthur Beck heute kein Instrument mehr – geniesst Musik aber als Zuhörer. Christian Ibach
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