Viel Theater in Palermo
Italien will in seiner instabilen Ex-Kolonie Libyen wieder Mittler sein – und Frankreich in die Schranken weisen. Die kurze Gästeliste beim Gipfel zeigt aber, dass die nationalistische Regierung isoliert ist.

In Palermo ist dann doch noch ein symbolisch gehaltvolles Foto entstanden, recht überraschend. Man sieht darauf zwei Libyer, die sich nicht so gerne begegnen und stattdessen um die Macht in ihrer politisch unsteten Heimat streiten: Fayez al-Serraj, der von der UNO gestützte Premier aus Tripolis, und Khalifa Haftar, der General aus Benghazi und starke Mann im Osten.
Zwischen ihnen steht Giuseppe Conte, Italiens Premier, der Veranstalter der Konferenz «For Libya, with Libya». In einer Einstellung legte Conte seine Hände auf ihre, als wollte er den Händedruck segnen. Wahrscheinlich hat dieses Foto das Zeug, den Gipfel, der auf viele wie eine zum Scheitern verurteilte Scharade gewirkt hatte, einigermassen zu retten. Conte sprach danach von einem «guten Klima» und «grosser Hoffnung». Mehr nicht.
Erinnerung an Ghadhafi
Ziel der Italiener war es, möglichst viele Akteure aus dem libyschen Machtpuzzle zu versammeln, damit sie vor den Augen der Welt an einer Stabilisierung ihres Landes arbeiteten. Die Italiener luden dafür Delegationen aus allen Teilen des Landes ein, Vertreter aller Stämme, Repräsentanten der Milizen.
Bis zuletzt war unklar, ob Haftar überhaupt kommen würde – buchstäblich: Mit einem Hin und Her von Zu- und Absagen hielt er wochenlang alle hin und schob sich so ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Am Ende brauchte es offenbar ein Machtwort des ägyptischen PräsidentenAbdel Fattah al-Sisi, einem Förderer Haftars, der schon in Palermo weilte. Die Italiener schickten einen Privatjet, um den General abzuholen. Als er in Palermo eintraf, sassen alle Konferenzteilnehmer schon beim Dinner. Haftar mochte sich aber nicht zu ihnen gesellen. Er redete kurz mit Conte und liess sich dann in sein Hotel chauffieren.
Das ganze Theater erinnerte stark an Muammar al-Ghadhafi, Haftars früheren Kampfbruder. Auch der wusste sich spektakulär zu inszenieren, um so seine Verhandlungsposition zu verbessern. Über seine Entourage liess Haftar ausrichten, er sei nur für einige «bilaterale Gespräche» gekommen. An der Konferenz nehme er nicht teil, da sässen Leute mit «Blut an den Händen» an den Tischen. Als sie in Palermo noch um die passende Formel für ein Schlussstatement rangen, war Haftar bereits wieder in Benghazi. Auch die Türken reisten frühzeitig ab. War also gar nichts ausser dem Foto?
Der grösste Triumph Roms
Geredet wurde über Wirtschaftsreformen und über die prekäre Sicherheit in Tripolis, wo bald eine nationale Einsatztruppe die Herrschaft der rivalisierenden Milizen brechen soll. Geredet wurde auch über die Roadmap zu baldigen Wahlen. Wann die genau stattfinden sollen, bleibt aber unklar: Die Rede ist vage von Frühjahr 2019. Der Termin von Anfang Dezember, den Haftar und Serraj im vergangenen Mai in Paris unter Vermittlung von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vereinbart hatten, ist mittlerweile unmöglich geworden.
Und vielleicht ist das der grösste Triumph Roms. Die Italiener hatten es nämlich nicht verwunden, dass die Franzosen, die ewigen Rivalen im Ringen um politischen und wirtschaftlichen Einfluss auf der anderen Seite des Mittelmeers, ihre eigene Vorreiter- und Mittlerrolle in der öl- und gasreichen ehemaligen Kolonie stört. Man misst sich sogar bei den Fotos: Macron war es im Mai bereits gelungen, die libyschen Kontrahenten für ein gemeinsames Bild zu gewinnen. Contes Foto mit den beiden ist also nur eine Replik.
Die Prominenten fehlen
Überhaupt, diese «grande conferenza» war der erste Versuch der populistischen Regierung, einen aussenpolitischen Akzent zu setzen. Man terminierte sie gleich nach den Feierlichkeiten zum 100. Jahrestag des Kriegsendes, damit viel Prominenz anreisen würde. Ein Flug von Paris nach Palermo dauert schliesslich nur zwei Stunden. Conte rechnete mit Donald Trump, Wladimir Putin, Angela Merkel und Emmanuel Macron. Am Ende kamen aus den Ländern dieser Herrschaften nur zweite Chargen. Russland schickte immerhin Premier Dmitri Medwedew.
Für die Schweiz war Bundespräsident Alain Berset in Palermo, der war davor beim Papst in Rom – nur eine Stunde Flug. Das Fehlen ganz grosser Gäste wurde in italienischen Zeitungen als Beleg dafür gewertet, dass sich das Land mit seiner neuen, nationalistischen Regierung zunehmend isoliert.
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