Verständnis für den Entführer
Aus Angst vor der Kesb verschleppte ein Oberaargauer sein Kind in die Karibik. Nun sass er vor Gericht. Und kam mit einem «Bedingten» davon.

«Ich habe mit dem Angeklagten nun schon seit einiger Zeit beruflich zu tun und kann sagen: Er ist kein übler Kerl»: Das sagte vor dem Regionalgericht Emmental-Oberaargau nicht die Verteidigerin des Beschuldigten, sondern der Staatsanwalt. Dass der Mann seine Tochter in die Karibik verschleppt habe, sei «in gewisser Weise nachvollziehbar», stellte der Vertreter der Anklagebehörde fest.
Dem Entführer sei es «immer nur um das Wohl des Kindes gegangen». Das Mädchen sei «zu keinem Zeitpunkt in Gefahr gewesen». All das rechtfertige die Taten des 51-jährigen Oberaargauers jedoch nicht, schränkte der Staatsanwalt ein.
In der Karibik
Der mittellose Schweizer hatte gestanden, seine Tochter Anfang November letzten Jahres in die Dominikanische Republik entführt zu haben. Kurz zuvor hatte die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) beschlossen, dem Angeklagten und seiner Frau das Aufenthaltsbestimmungsrecht über das noch nicht 16-jährige Mädchen zu entziehen.
Statt die Jugendliche, wie von der Kesb verfügt, in eine Pflegefamilie zu bringen, reiste er mit ihr nach Zürich-Kloten und von dort aus mit gefälschten Papieren in die Dominikanische Republik.
Laut seiner Pflichtverteidigerin war der Mann über die von der Kesb verhängte Massnahme dermassen erschrocken, dass er nur noch einen Weg sah, von dem Kind Schaden abzuwenden: den illegalen. Aus der Karibik meldete er sich bei der Staatsanwaltschaft.
Er wollte das Mädchen möglichst schnell in die Schweiz zurückbringen, doch daraus wurde fürs Erste nichts: In der Wohngruppe, in welche die Kindsmutter eintreten wollte, war kein Platz frei. 66 Tage nach ihrer Ankunft in der Karibik landeten Vater und Tochter wieder in Zürich. Seither durfte er das Kind nicht mehr sehen.
Behörde mitverantwortlich
Einzelrichterin Muriel Mallepell verurteilte den Mann zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten und einer unbedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 30 Franken. Auf dieses Strafmass hatten sich die Parteien schon vor der Verhandlung geeinigt. Hätte die Entführung weniger als 10 Tage gedauert, wäre das Verdikt deutlich geringer ausgefallen.
Daran, dass sich das Verbrechen über mehr als zwei Monate hinzog, trage der Angeklagte allerdings nicht die alleinige Schuld. Dafür sei auch die Kesb verantwortlich, konstatierte – nein: nicht die Verteidigerin – der Staatsanwalt, bevor die Richterin das Urteil eröffnete.
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