Verletzte Reporterin ist immer noch in Homs
Verwirrung um den Verbleib einer französischen Journalisten in Syrien: Während Paul Conroy ausser Landes gebracht wurde, konnte Edith Bouvier offenbar doch nicht evakuiert werden.

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hat mit widersprüchlichen Äusserungen über die in der umkämpften syrischen Stadt Homs verwundete französische Journalistin Edith Bouvier für Verwirrung gesorgt. Nachdem er zunächst vor laufender Kamera betont hatte, die Französin sei in den Libanon gebracht worden, schwächte er diese Äusserung am Abend wieder ab. «Es ist unbestätigt, dass sie heute im Libanon in Sicherheit ist», sagte er der Nachrichtenagentur AFP. Er erklärte die Verwirrung mit einer extrem komplexen Situation und schlechten Kommunikationssträngen.
Der Arbeitgeber der Journalistin, die Pariser Zeitung «Le Figaro», bestätigte am Abend, dass Bouvier sich noch in Syrien aufhalte. Anderslautende Informationen seien falsch. Sie und ihr englischer Kollege Paul Conroy waren nach eigenen Angaben auf einem via You Tube verbreiteten Video durch Granatsplitter schwer verletzt worden. Conroy wird inzwischen im Libanon behandelt. Wie sein Vater am Dienstag bestätigte, hatten syrische Aktivisten ihn in der Nacht über die Grenze geschmuggelt.
47 Staaten für Syrien-Resolution
Während das syrische Regime die Offensive gegen Oppositionelle unvermindert fortsetzt, hat der UNO-Menschenrechtsrat in Genf Kurs auf eine neue Resolution genommen. Im Entwurf wird Damaskus aufgefordert, Hilfsorganisationen Zugang zur betroffenen Bevölkerung zu gewähren. Die grosse Mehrheit der 47 Mitgliedsstaaten des Rates machte bei einer Dringlichkeitsdebatte zur Syrien-Krise ihre Unterstützung für einen entsprechenden Entwurf deutlich.
Die Vorlage war von Katar, Kuwait, Saudi Arabien und der Türkei eingebracht worden, denen sich Deutschland anschloss. Zu den entschiedensten Gegnern gehörte einmal mehr Russland. Laut Resolutionsentwurf soll Damaskus «scharf verurteilt» werden. Dem Regime werden darin willkürliche Hinrichtungen, Tötungen von Demonstranten, Folterungen und sexuelle Gewalt durch Regierungstruppen vorgeworfen.
Zugleich wird Damaskus aufgefordert, alle Angriffe auf Zivilisten zu stoppen und humanitäre Hilfe für Notleidende zu ermöglichen. Die Abstimmung über die Resolution wurde am Dienstagabend vertagt. Zur Begründung hiess es, dass weit mehr Staaten als anfangs erwartet vor dem Votum noch Stellungnahmen abgeben wollten.
Syriens Botschafter verlässt Debatte
Der Grossteil der Staatenvertreter im Menschenrechtsrat verurteilte die Angriffe auf Zivilisten in syrischen Protesthochburgen wie Homs und Hama. Der Schweizer UNO-Botschafter Dante Martinelli sagte während der Debatte in Genf, die Schweiz unterstütze «alle Initiativen, die darauf abzielen, den von der Gewalt betroffenen Personen Erleichterung zu verschaffen». Die Gegner einer Syrien-Resolution, zu denen neben Russland und China auch Kuba und der Iran gehören, sehen darin nach Einschätzung von Diplomaten auch den Versuch, die Grundlage für eine militärische Aktion gegen Syrien zu schaffen.
Die syrische Regierung setzte derweil auch im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen auf Konfrontation gesetzt: Während im Land selbst erneut zahlreiche Menschen getötet wurden, empörte sich der syrische Vertreter in Genf in einer Rede, die andere Teilnehmer als «wahnhaft» und «an der Grenze zum Realitätsverlust» bezeichneten.
Der syrische UN-Botschafter Fajssal al Hamwi warf dem UN-Menschenrechtsrat vor, dem Terrorismus in seinem Land Vorschub zu leisten. Eine geplante Resolution bezeichnete er in scharfem Ton als «bösartig und befangen» und verliess mit seiner Delegation den Saal.
Das Verhalten des Diplomaten spiegle wider, was im Assad-Regime selbst vorgehe, sagte die US-Vertreterin in Genf, Eileen Chamberlain Donahoe. Ebenso wie das Abhalten eines possenhaften Referendums inmitten einer selbst verursachten humanitären Krise sei die Rede geradezu «wahnhaft» gewesen. Jeder, der den syrischen Diplomaten gehört habe, «sollte sich darüber im Klaren sein, dass seine Bemerkungen an der Grenze zum Realitätsverlust» gewesen seien.
Neue Armeeoffensive
Der syrische Machthaber Bashar al-Assad erliess ein Dekret zur Inkraftsetzung der neuen Verfassung, über die am Sonntag abgestimmt worden war. Offiziellen Angaben zufolge sprachen sich dabei 90 Prozent für das neue Grundgesetz aus, das unter anderem die Amtszeit künftiger Präsidenten auf zwei Amtsperioden begrenzt.
Nach Ansicht der Opposition und westlicher Staaten soll mit den Zugeständnissen allerdings nur von der Gewalt in Syrien abgelenkt werden. Diese nimmt kein Ende. Am Dienstag feuerten Regierungstruppen nach Angaben von Aktivisten mit Artilleriegeschütz auf Wohnviertel in den Provinzen Homs und Hama. Landesweit sollen die Soldaten mindestens 45 Menschen getötet haben.
Nach Angaben syrischer Aktivisten griff die Armee unter anderem die Ortschaft Halfaja nordwestlich der Stadt Hama an. Mindestens 20 Menschen seien dabei ums Leben gekommen. In der Universität von Damaskus seien 30 Studenten festgenommen worden, vor jener in Aleppo sei das Feuer auf demonstrierende Studenten eröffnet worden.
Tunesien will Assad aufnehmen
Der tunesische Präsident Mouncef Marzouki liess derweil verlauten, sein Land sei bereit, Assad und dessen Familie politisches Asyl zu gewähren. Dadurch wolle man einen Beitrag zur Beendigung der Krise in Syrien leisten, sagte er in einem Interview mit der tunesischen Zeitung «La Presse».
UNO: Mehr als 7500 Todesopfer
Die UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, rief in der Debatte zum «sofortigen Waffenstillstand» auf. Laut Pillay dürfte die Zahl der in Syrien getöteten Kinder inzwischen auf mehr als 500 angestiegen sein.
Der UNO-Untergeneralsekretär Lynn Pascoe sagte am Dienstag vor dem UNO-Sicherheitsrat in New York, die Zahl der bei den Auseinandersetzungen getöteten Menschen liege «sicher bei mehr als 7500».
SDA/kpn/ami
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch