Verdingkinder beharren auf Entschädigung
Die Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen erteilen dem Dialog mit dem Bundesrat eine Absage. Sie fürchten, wie die Heimkinder in Deutschland über den Tisch gezogen zu werden.
Am 11. April entschuldigte sich Bundesrätin Simonetta Sommargua im Namen des Bundesrates bei den zwangsplatzierten Verdingkindern. Gleichzeitig lancierte sie einen runden Tisch, an dem über alle Aspekte gesprochen werden soll, juristische, historische und «auch finanzielle», wie sie sagt. Der Tisch wird geleitet von alt CVP-Ständerat Hansruedi Stadler.
Die Verdingkinder boykottieren aber den Tisch. «Wir setzen uns nicht an den runden Tisch», sagt der Präsident des Vereins «netzwerk-verdingt», Walter Zwahlen, im «SonntagsBlick». Er nennt sie ein «untaugliches, parteipolitisch inspiriertes Konstrukt». Es brauche «eine Expertenrunde statt reaktionäre, ewig gestrige Kräfte, Bremser und Profiteure.»
Zwahlen befürchtet ein ähnliches Szenario wie beim runden Tisch für Heimkinder in Deutschland: «Dort wurden die Betroffenen über den Tisch gezogen und mit kläglichen 190 Millionen Euro abgespiesen.»
«Sommaruga überzeugte mich nicht»
Zwei ehemalige Verdingkinder zeigen sich im «SonntagsBlick» enttäuscht vom Gedenkanlass des Bundes – und fordern finanzielle Wiedergutmachung. «Sommarugas Rede überzeugte mich nicht», sagt Charles Probst (83). Er kam mit sechs auf einen Hof im Oberaargau, arbeitete zehn Jahre lang ohne Lohn. «Eine Entschuldigung reicht nicht, es braucht Entschädigungen.»
Hugo Zingg (76) kam mit sechs auf einen Bauernhof ins Gürbetal BE. Der Gedenkanlass enttäuschte ihn. «Niemand hat ein Dankeschön für die geleistete Arbeit über die Lippen gebracht.» Zingg verlangt, dass für Leistungen auf Bauernhöfen und in Heimen endlich Geld bezahlt werden muss.
Insgesamt fordert Zingg vier Milliarden Franken für die noch lebenden 10'000 einstigen Verdingkinder. «Wer den Schaden anrichtet, muss ihn auch wieder gut machen», so Zingg. Rasch soll Geld fliessen, sagt Vereinspräsident Zwahlen. «Zahlungen müssen erfolgen, so lange die Opfer noch leben.»
Bauernpräsident schiebt Verantwortung auf Behörden
Vorerst nichts von Zahlungen wissen will Markus Ritter, der neue Präsident des Schweizerischen Bauernverbandes. «Weil wir für die Beurteilung nicht über die nötigen Grundlagen verfügen», sagt CVP-Nationalrat Ritter im «SonntagsBlick». Weder sei bekannt, «wie viele Verdingkinder in der Landwirtschaft platziert wurden noch in wie vielen Fällen von Seiten der Bauernfamilien unrechtes Verhalten oder unrechter wirtschaftlicher Gewinn im Spiel war.»
Die Verantwortung schiebt er weiter. «Verdingkinder wurden ja von den Behörden platziert und zwar nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch in anderen Gewerbebetrieben und sonstigen Familien», so Ritter.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch