VEKSELBERGS MACHTÜBERNAHME BEI SULZER ZEIGT: DIE UMTRIEBIGSTEN UNTERNEHMER IN DER SCHWEIZ SIND AUSLÄNDER
Winterthur ist gefallen, gestern war es Zug
Mit der Machtübernahme bei Sulzer durch Viktor Vekselberg ist die Stadt Winterthur nun fest in russischen Händen. Diese ur-republikanische Stadt hat zuerst die wirtschaftliche, dann auch die politische Macht verloren. Sie stellte den ersten Schweizer Bundesrat, hatte noch vor 25 Jahren mit Sulzer und Rieter zwei Perlen der Schweizer Industrie, mit der Winterthur Versicherung einen globalen Dienstleistungsstar, der heute in französischen Händen ist, mit den Reinharts eine Handelsfamilie von Weltrang, die ihre Bedeutung völlig eingebüsst hat.
Dem Verlust der wirtschaftlichen folgte der Verlust der politischen Selbstständigkeit: Winterthur ist heute der bedeutendste Vorort der Stadt Zürich. Wer im beengten und teuren Zürich keinen unternehmerischen oder individuellen Stand- wie Wohnort findet, zieht von der Limmat an die Eulach. Mit Alt-Bundesrat Rudolf Friedrich, auch «Storch» genannt, lebt ein Uralt-Vertreter des Winterthurer liberalen Establishments in einer verwunschenen Villa mitten in der Stadt. Friedrich schreibt Leserbriefe in der NZZ. Der Russe Viktor Vekselberg, nur wenige Hundert Meter entfernt, baut die Stadt um. Das sind die neuen Realitäten.
Rich und andere Rohstoffhändler
Winterthur ist gefallen: Sein stolzes Altbürgertum ist zum Kleinaktionariat verkommen, das keine Stimmkraft mehr hat. Mit Zug, der reichsten Schweizer Stadt, ist dies nicht anders. Zehntausende von Briefkastenfirmen bringen den Anwälten und Banken Brot. Marc Rich, der heimatlose Rohstoffhändler, hat für den Standort Zug getan, was Viktor Vekselberg nun für Winterthur tut. Rich schuf die Branche der globalen Händler, die von Weizen über Erdöl und Gas bis zu Mais und Soja alles handeln, was die Welt braucht. Auf diesen Mann, der den Steuerbetrug in den USA so übertrieb, dass Präsident Bill Clinton ihn an seinem letzten Amtstag mit einer Amnestie retten musste, folgten Firmen wie Glencore, Xstrata und Trafigura - geheimnisvolle Riesen, die von der Schweiz aus die Weltmärkte bestimmen und oft Geschäfte betreiben, über welche die offizielle Politik geflissentlich hinwegsieht.
In und um Zug wohnen viele verschwiegene Unternehmer vom Schlage Sergio Marchionnes, des Fiat-Chefs, der seinen Konzern zu einem der überlebenden globalen Autoriesen machen will. Was an Zug noch schweizerisch ist, sind die stillen Dienstleister, auch Politiker, die dem globalen Geld den Weg bereiten. Viele Schweizer Ur-Einwohner der Stadt ziehen derweilen aus, weil sie es sich nicht mehr leisten können, in diesem heimlichen globalen Servicecenter zu leben.
Und Genf? Die Rhonestadt war nie wirklich schweizerisch, sondern stets eine Plattform für internationale Ideen und Interessen. Die Bankiers - und der Reformator Calvin - kamen aus Frankreich, die Uno siedelte sich dank der Amerikaner in Genf an - und Rolex wurde von einem Deutschen gegründet. Die Bevölkerung definiert sich nur bedingt als schweizerisch. Kofi Annan, Klaus Schwab und Jean Ziegler sind heute die weltweit bekannten Genfer. Welten trennen sie von den konservativen Patrioten in der Zentralschweiz.
Selbst dort, in Andermatt, ist Erstaunliches zu verfolgen. Der ägyptische Kopte Samih Sawiris will aus dem ehemaligen Militärstandort, einem «Schattenloch», eine solare Gipfeldestination machen. Kein Schweizer hätte gewagt, ein solch verwegenes Projekt in Angriff zu nehmen.
Der Ausverkauf hat System
Die Schweizer Elite - Anwälte, Treuhänder, Bankiers und Politiker - hat sich vom Nationalstaat, unter Wahrung der persönlichen Eigentumsrechte, verabschiedet. Nach dreissig Jahren des Ausverkaufs gibt es keinen Anlass zur Annahme, dies werde sich in den nächsten zwanzig Jahren ändern. Wir haben keine Freunde in den USA mehr, in der Europäischen Union ohnehin nicht, für arabische und asiatische Investoren sind wir eine leichte Beute. Sogar vor Oberst Qadhafi gehen wir in die Knie.
Die Überfremdung durch ausländische Gastarbeiter, vor allem der intelligenten Art, löst bei vielen Proteste aus, nicht aber jene durch ausländisches Geld oder fremde Ideen. Höchste Zeit, das Schweizerische an der Schweiz zu definieren, sonst verflüchtigt es sich wie der beginnende Herbstnebel in der mittäglichen Sonne.
*Klaus J. Stöhlker ist Unternehmensberater für Öffentlichkeitsarbeit in Zollikon ZH.
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