«Vächeet stat lätz»! oder Bildungsplan für Kleinkinder
Hin und wieder ertappe ich mich dabei, wütend zu werden. Wütend über schöne Worte wie Bildungsstätte für Kleinkinder. Wütend auch über Theoretiker (wohl am Bürotisch?), die Bildung als Sache des Intellekts und später wohl auch der guten Schulnoten verstehen. Bildungsstätte für Kleinkinder, das ist doch absurd.
Wie hochgeschraubt das tönt. Wir ertrinken noch in Bildung und Bürokratie. Wenn ich dann in der Zeitung lese, Kleinkinder würden zulasten der Bildung zu viel Zeit mit der Hausarbeit verlieren, werde ich nicht nur wütend, sondern auch traurig (wir haben übrigens eine externe Hauswirtschafterin für unsere Kita eingestellt). Wo sonst können Kleinkinder so viel lernen wie in Alltagsarbeit? Nirgends, bin ich überzeugt.
Ich koche, als Grossmutter natürlich. Der zweijährige B. sitzt am Boden, zwei Pfannen, einen Suppenlöffel und zehn Kartoffeln vor sich. Schwierig, ohne Hilfe der anderen Hand eine Kartoffel auf den Löffel zu laden. Er steht damit auf, ohne dass die Kartoffel heruntergefallen wäre, geht vorsichtig zur anderen Pfanne hin, legt die Kartoffel hinein und singt: «B. kochen, B. kochen, B. hat gekocht.» Der dreieinhalbjährige L. steht auf dem Hocker, singt mit hoher Stimme und gibt Mehl – das ich vorher abgemessen habe – mit einem Löffel in die Schüssel. Dazu einen Gutsch Öl, zwei Eier sowie Salz, das er mit seinen kleinen Fingern aus dem Gefäss geklaubt hat. Weiter gibt er mit dem Messbecher Wasser, das er vorher selbst bis zum 1-Deziliter- Strich eingefüllt hat, hinzu. Zwischendurch schaut er auf seinen kleinen Bruder und sagt: «Noch einen für Grosspapi. Du hast nur für L. und B. und Grossmutti einen Härdöpfel genommen!» Beide lachen, B. holt die Kartoffel für Grosspapi. L. nickt zufrieden. Jetzt müssen noch die zwei Eier in die Schüssel geschlagen werden. Schwierig, doch nichts geht schief. Konzentration pur.
L. klettert hinunter, steht vor mir, hat seine Schuhe angezogen. «Vächeet stat lätz?», fragt er, und ich sage Ja. L. hat gelernt, dass es einen linken und einen rechten Schuh gibt.
Ich stelle niemanden neu ein, schreibe keine Arbeitszeitanalyse. Bin nicht gelernte pädagogische Fachfrau, nur Mutter von fünf Kindern und Grossmutter von zwei Buben. Pädagogik lerne ich im Alltag sowie Bildung auch, wenn man so will. Ich schreibe keine Portfolios (B. hat 4 Kartoffeln getragen, L. konnte 1 dl Wasser abmessen), nur ab und zu Tagebuch. Ich schreibe heute: Eine Omelette und rohe Kartoffeln haben ein Lied geboren, wir haben es zusammen gesungen und waren glücklich.
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