Und wieder ein Skandal an der Universität St. Gallen
Jetzt gerät sogar der Rektor wegen eines VR-Mandats ins Visier der Finanzaufsicht: Die Jungfraubahn habe ihren Aktienkurs manipuliert.

Letzten Freitag äusserte sich Thomas Bieger, Rektor der Universität St. Gallen, zum ersten Mal seit Monaten über die Wirtschaftsaffären, in die Exponenten seiner Uni involviert sind – wenn auch nur am Rande.
Im Zusammenhang mit den Vorfällen um die Raiffeisen-Gruppe hatte der Professor für Organisationsstudien, Johannes Rüegg-Stürm, im März den Hut als Verwaltungsratspräsident der Bank nehmen müssen. Die Finanzmarktaufsicht (Finma) hatte in einem Bericht festgehalten, dass der Verwaltungsrat von Raiffeisen dem Geschäftsgebaren der Raiffeisen-Spitze tatenlos zugeschaut hatte. An der Universität St. Gallen nimmt Rüegg-Stürm derzeit eine Auszeit.
Mitte Juni wurde der deutsche Honorarprofessor und Audi-Chef Rupert Stadler frühmorgens wegen Verwicklungen in den Diesel-Skandal festgenommen. Die Justiz in Deutschland wirft Stadler Betrug und Falschbeurkundung vor. Wegen Verdunkelungsgefahr sitzt Stadler noch immer in Untersuchungshaft. Gestern meldeten deutsche Medien, dass Stadler bei Audi vor seiner Ablösung stehe.
«Ethische Verantwortung»
Ebenfalls im Juni hatte die Universität über mutmasslichen Spesenmissbrauch informiert und eine Administrativuntersuchung und drei Disziplinarverfahren eröffnet. Im August berichtete die «Ostschweiz am Sonntag», dass es sich um Mitarbeiter des Instituts für Finanzwissenschaft, Finanzrecht und Law and Economics und insbesondere den bereits nicht mehr an der Uni lehrenden aus Deutschland stammenden Direktor und Rechtsprofessor Peter Sester handle.
Die Leitung der Ostschweizer Universität nahm zu diesen Angelegenheiten in den letzten Monaten keine Stellung und verwies darauf, dass Verfahren laufen würden und man das nicht weiter kommentieren könne.
Am letzten Freitag nun trat Rektor Thomas Bieger im Rahmen der Jahresmedienkonferenz vor die Presse und sagte gemäss Redetext, dass die Uni alles daransetze, die Studenten «auch in gesellschaftlicher Verantwortung und ethischen Fragestellungen zu schulen». Im Zusammenhang mit den diversen Vorfällen erklärte Bieger, dass man die Nebentätigkeiten und Organfunktionen von Professoren überprüfen werde. Wie das geschehen soll, erläuterte Bieger nicht näher.
Verkäufe aufs Jahresende
Der an der Veranstaltung ebenfalls anwesende St. Galler Bildungsdirektor und Präsident des Universitätsrates Stefan Kölliker (SVP) verwies auf die laufenden Verfahren und dass man erst danach weiter informieren werde. Die Kontrollmechanismen, sagte Kölliker, hätten funktioniert und würden es «auch in Zukunft wieder tun».
Doch bereits steht ein neuer Fall im Raum. Darin involviert ist Rektor Thomas Bieger selber. Der Tourismusfachmann ist seit 2006 Verwaltungsratspräsident der Jungfraubahn Holding. Am Donnerstag teilte die Finanzmarktaufsicht (Finma) mit, dass die Jungfraubahn mindestens zwischen 2014 und 2016 in unzulässiger Weise den Aktienkurs manipuliert habe. Das Unternehmen habe jeweils am letzten Handelstag des Jahres Börsenaufträge für umfangreiche Verkäufe ihrer Aktien aus dem Eigenbestand erteilt. Mit diesen Verkäufen bewegte das Unternehmen den Jahresendkurs seiner Titel um bis zu vier Prozent nach unten. Die Jungfraubahn habe gemäss Finma Massnahmen zur Verbesserung der Abläufe und der internen Kontrollen beschlossen und mittlerweile umgesetzt.
Medien, die bei der Finma nachhakten, liefen ins Leere. Die Aufsichtsbehörde hält die Verfügung, die Aufschluss über die genauen Umstände der Kursbeeinflussung geben könnte, unter Verschluss.

Ein tieferer Aktienkurs am Jahresende kann aus mehreren Gründen Sinn machen. Erstens fiel dann die Kurssteigerung der Jungfraubahn übers ganze Jahr tiefer aus, und die Gesellschaft hatte so eine gewisse Reserve im neuen Jahr, falls dieses wirtschaftlich nicht mehr so gut ausfallen würde.
Zweitens konnten die Aktionäre damit Vermögenssteuern sparen, weil der zu versteuernde Wert der Aktie bis zu vier Prozent tiefer ausfiel. Unirektor Thomas Bieger hielt 2016, als der Kurs letztmals manipuliert wurde, gemäss Geschäftsbericht der Jungfraubahn Aktien im Wert von knapp einer Million Franken.
Aussagen zurückgezogen
Die Jungfraubahn argumentiert in einer offiziellen Mitteilung so: «Gemäss ihrer langjährigen Strategie sieht sich die Jungfraubahn-Gruppe als Value Stock verantwortlich, Voraussetzungen zu schaffen, um die wirtschaftliche Unabhängigkeit zu erhalten sowie den regionalen Wirtschaftsstandort zu sichern. Im schwierigen touristischen Umfeld setzt sie sich dafür ein, nicht als Spekulationsobjekt wahrgenommen zu werden.» Die Bahn, so lässt sich daraus schliessen, wollte nicht wegen einer überdurchschnittlichen Kursentwicklung ins Visier ausländischer Investoren geraten.
Regierungspräsident Stefan Kölliker äusserte sich auf Anfrage von Redaktion Tamedia dazu, ob Bieger von den Manipulationen Kenntnis gehabt habe oder nicht. Später jedoch zog er seine Aussagen vollständig zurück. Auch Thomas Bieger äussert sich nicht zum Fall Jungfraubahn.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch