«Black Lives Matter»-Protest in BernGewitter vertreibt die Menge vom Bundesplatz
In Bern demonstrierten rund 4000 Menschen gegen Rassismus. Wir berichteten live.
Das war es dann auch mit der Demo. Nach 16 Uhr vertreibt das schlechte Wetter die meisten vom Bundesplatz. Auch die Polizei zieht sich zurück. Die Kundgebung verlief friedlich.
Jetzt, zum Ende hin dieser Anti-Rassismus-Kundgebung stehen noch wenige hundert Menschen dicht gedrängt unter den wenigen Schirmen vor der Bühne, andere tanzen im Regen zur Musik, die immer noch aus den Lautsprechern dröhnt. Ja, wie viele sind es noch, jetzt bei Sturm und Regen? Vielleicht 300, oder 301?
Der Regen peitscht regelrecht über den Bundesplatz. Immer noch verharren mehrere hundert Leute.
Erste Regentropfen fallen, Schirme spannen sich auf. Es wird eng unter den Lauben. Einige flüchten, andere verharren. Der harte Kern bleibt, hält durch, auch wenn aus dem Wind Sturm geworden ist. Die Reden und der Applaus dauern an.
Rassismus ist kein amerikanisches Problem, sagt eine neue Rednerin. Die Leute sitzen immer noch still da. Wolken rücken näher. Die Frage drängt sich auf: Wohin gehen all diese Leute, wenn das Gewitter kommt?
Jetzt dürfen sich noch jene zu Wort melden, die noch etwas sagen wollen. Alle bekommen ihre Bühne, ihre Redezeit. Die Leute hören zu. Es ist stiller, als bei jedem Konzert. Junge Menschen greifen nach dem Mikrofon und erzählen aus ihrem Leben, von ihren Erfahrungen mit Rassismus, von Dingen, die sie erst lernen mussten. Nach einer sehr emotionalen Rede eines jungen, dunkelhäutigen Mannes, der in einem Berner Dorf aufgewachsen ist, schreit die Menge in voller Lautstärke «Black Lives Matter»! Gleichzeitig kommt starker Wind auf. Es kommt Bewegung in die Menge.
Auch wenn sich alle viel zu nahe kommen, ist keine Polizei zu sehen. Noch ist es heiss zwischen den Menschen, aber Wind kommt auf. Das angekündigte Gewitter nähert sich. Es wird dunkel.
«Wir wollen Gerechtigkeit», skandiert die Menge. In dieser Zusammenkunft geht es um mehr als nur gegen Rassismus. Black Lives Matter ist Synonym für mehr Gerechtigkeit, Harmonie, mehr Achtsamkeit, gegen den Klimawandel.
Noch immer ist innerhalb der friedlichen Menge keine Uniform auszumachen. Es gibt keine Ausschreitungen, keine lauten Stimmen, kein Gegröle, kaum Alkohol. Jetzt steht noch Musik, ein Poetryslam und eine Abschlussrede auf dem Programm.
Immer mehr Menschen strömen auf den. Bundesplatz. Am Ende der Schauplatzgasse gibt es kaum mehr ein Durchkommen. Es gibt Buh-Rufe für die gestrige Arena-Sendung.
Vereinzelt sind ein paar Uniformierte auszumachen. Sie sind aber eher damit beschäftigt, den Verkehr zu regeln.
Alle setzen sich auf Geheiss des Ansagers hin, damit man es auch in den hinteren Reihen besser hört. Eine dunkelhäutige Rednerin sagt den bemerkenswerten Satz: «Z chline Negerli cha meh. Z chline Negerli isch FaGe»!
Während die junge Frau ein Gedicht vorträgt, sitzen alle ganz still auf dem Bundesplatz und hören zu. Die Demo ist zum Happening geworden. Ein friedliches Beisammensein von meist jungen Menschen, die sich eine andere Zukunft wünschen. Die etwas verändern wollen. Wut ist kaum zu spüren. Ignoranz ist die Krankheit, die es zu heilen gilt, sagt der Redner mit dem Namen Fridayghost.
Ein Mann bittet die Menge, sich eher hinüber zur Nationalbank zu bewegen, just in dem Moment, als die Leute sich aufmachen, spritzt das Wasserspiel los. Geschrei und Gelächter sind zu hören. Die bisher erste, kleine Aufregung.
Die Polizei sucht die Verantwortlichen für das Wasserspiel:
Sonst passiert nicht viel. Die Stimmung ist gemütlich.
Rund 3000 Menschen haben sich auf dem Bundesplatz versammelt. Die ersten Ansprachen haben begonnen. Abstand hält niemand mehr. Wer nicht unmittelbar vor der Bühne steht, versteht nichts von den Ansagen. Nun skandiert die Menge «Black Lives Matter».
Um die Schachfelder herum ist es eng geworden. Die Lauben und auch der Bundesplatz füllen sich. Die vielen Grüppchen beginnen sich zu vermengen. Der Altersdurchschnitt steigt. 9 von 10 tragen schwarz.
Eine junge Frau mit Megafon ruft die Leute dazu auf, Mundschutz zu tragen. Andere schreiten mit einer Kiste mit Masken durch die Menge. Die Maskenpflicht wird ernst genommen.
Bisher sieht man nur Wasserflaschen und Red Bulls in den Händen, keine Bierbüchsen.
Wie soll man es sagen: das Abstandhalten hält sich in Grenzen. Von zwei Metern kann zumindest um die mobile Bühne keine Rede sein. Die Masken müssen als Schutz reichen. Polizisten sind immer noch keine zu sehen.

Rund um den Bundesplatz tut sich schon was. Unter den Schatten spendenden Lauben stehen vor allem junge Mensch in schwarz gekleidet in Grüppchen zusammen und warten. Nicht wenige tragen Masken und haben Transparente mitgebracht. Auch einige schwarze Mundschütze sind auszumachen. Auf dem Platz werden, so scheint es, eine mobile Bühne aus Holz aufgebaut. Im Moment ist der Altersdurchschnitt Anfang 20. Polizisten sind kaum auszumachen, wie ein Reporter vor Ort berichtet.

Die Statue am Haus der Berner Zunft zum Mohren in der Altstadt, welche im Rahmen der Mohrenkopf-Debatte erneut Anlass zu Diskussionen war, wurde vor der Demo abgedeckt.
Die Kundgebung ist unbewilligt. Berns Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) hat Kenntnis davon. Er rechnet mit einem friedlichen Protest, wie er dieser Zeitung am Freitag sagte.
Auf die Corona-bedingte 300-Personen-Regel angesprochen, meinte Nause: «Theoretisch müssten wir ab 301 Personen einschreiten, doch in der Praxis ist das schwierig umzusetzen.» Die Organisatoren empfehlen das Tragen einer Schutzmaske.
Auf der ganzen Welt gehen die Leute weiterhin auf die Strasse, um gegen Rassismus und Polizeigewalt zu demonstrieren. Drei Wochen, nachdem der Afroamerikaner George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz in den USA ums Leben kam. In Bern wurde für heute Samstag ab 14 Uhr zu einer Kundgebung auf dem Bundesplatz aufgerufen.
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