Ukraine stoppt Vorbereitung für EU-Abkommen
Nach dem Entscheid gegen Oppositionsführerin Timoschenko: Kiew lässt den seit Jahren geplante Vertrag zur Annäherung an die EU offenbar fallen. Stattdessen will die Regierung Russland miteinbeziehen.

Die Ukraine hat die Vorbereitung für ein jahrelang geplantes Assoziierungsabkommen mit der EU gestoppt. Ein entsprechendes Dekret veröffentlichte die Regierung auf ihrer Website. Statt des Abkommens schlägt Kiew darin die Bildung einer Dreierkommission mit Russland und der EU über Handelsfragen vor.
Drei Gründe werden in dem Regierungsdekret für das Aus für das Assoziierungsabkommen genannt: Die «nationale Sicherheit» müsse «sichergestellt» werden; die Wirtschaftsbeziehungen mit Russland müssten «wiederbelebt» werden; der Binnenmarkt müsse für Beziehungen «auf Augenhöhe mit der EU» vorbereitet werden. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte der Ukraine mit Auswirkungen auf die Handelsbeziehungen gedroht, sollte sich Kiew durch das Abkommen enger an die EU binden.
Timoschenko darf nicht ausreisen
Im Parlament wurden am Morgen sämtliche Gesetzesentwürfe abgeblockt, die eine Behandlung der inhaftierten früheren Ministerpräsidentin Julija Timoschenko und anderer Oppositionspolitiker im Ausland ermöglicht hätten. Das aber hatte die EU zur Bedingung gemacht, um das bedeutende Abkommen Ende November auf einem Gipfeltreffen zu unterzeichnen. Der Abschluss wäre ein erster Schritt für Kiew in Richtung einer EU-Mitgliedschaft gewesen.
Die insgesamt sechs Gesetzesentwürfe verfehlten bei der Abstimmung im Parlament in Kiew aber deutlich die Mehrheit. Statt der erforderlichen 226 kamen jeweils nur weniger als 200 Ja-Stimmen zusammen. Die Partei der Regionen von Präsident Wiktor Janukowitsch hatte sich gegen eine Freilassung Timoschenkos gestellt. Auch die kommunistischen Abgeordneten gaben ihre Stimmen gar nicht erst ab. Oppositionspolitiker riefen laut «Schande», als das Ergebnis bekannt gegeben wurde.
Abkommen vor dem Aus
Sie werfen Janukowitsch vor, anstelle einer Annäherung an den Westen und die EU den Schulterschluss mit Russland zu suchen. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte Kiew mit Strafmassnahmen gedroht, sollte das Land das Assoziierungsabkommen mit Brüssel abschliessen. Ukrainische Industrievertreter hatten daher vor negativen Auswirkungen gewarnt und eine Verschiebung des Abkommens um ein Jahr gefordert.
Für den Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, Elmar Brok (CDU), steht das Abkommen nun vor dem Aus. Das Scheitern der Timoschenko-Gesetze bedeute, «dass die Ukraine die Bedingungen nicht erfüllt hat», sagte Brok der Nachrichtenagentur AFP. Nach den bisherigen Regeln könne das Abkommen somit nicht unterzeichnet werden.
«Ich habe aufgrund der letzten Gespräche und dem Verhalten von Präsident Janukowitsch den Eindruck, dass er das Abkommen nicht unterzeichnen will», sagte Brok. «Und wenn er nicht will, dann will er nicht.» Als Ursache für den Meinungsumschwung in Kiew sieht er «russischen Druck».
Das Parlament in Kiew hätte schon in der vergangenen Woche abstimmen sollen. Als das Votum mehrfach verschoben wurde, sprach die Grünen-Europaabgeordnete Rebecca Harms von einer «Provokation der EU». Die Unterzeichnung war auf dem Gipfel der östlichen Partnerschaften am 28. und 29. November in der litauischen Hauptstadt Vilnius geplant.
Der Vertrag ist lange ausgehandelt. Brüssel besteht vor der Unterzeichnung aber auf der Ausreisemöglichkeit für Timoschenko, sie soll wegen eines Bandscheibenleidens in der Berliner Charité behandelt werden. Die EU sieht in der siebenjährigen Haftstrafe für die frühere Oppositionsführerin einen Fall von politisch gesteuerter Justiz.
Der ukrainische Oppositionspolitiker Arsenij Jazenjuk rief Präsident Janukowitsch nach dem Scheitern der Gesetze auf, Timoschenko per Dekret zu begnadigen. Es wäre wohl die letzte Möglichkeit, die geplante Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens noch zu retten – wenn der Präsident daran noch Interesse hat. Für den Timoschenko-Verbündeten Jazenjuk geht es dabei längst nicht nur um eine Frage von Ost oder West. «Es ist eine Wahl zwischen Zukunft oder Vergangenheit.»
AFP/sda/mw
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