Überzeugung kommt vor Karriere
Michael Köpfli (GLP) reibt sich mit Ausdauer am Status quo. Er will den Kanton Bern zu Reformen bewegen. Diese unbequeme Haltung war für seine Karriere bisher nicht immer förderlich.

In der Politkarriere des Michael Köpfli gibt es diesen einen «Was-wäre-wenn-Moment»: Wo würde Köpfli heute stehen, wenn er 2011, im Alter von 28 Jahren, in den Nationalrat gewählt worden wäre? Die GLP trat damals im Kanton Bern erstmals auf nationaler Ebene an. Sie verkörperte den Reiz des Neuen und hatte mit Kathrin Bertschy, Jürg Grossen und Michael Köpfli drei Hoffnungsträger.
Bertschy und Grossen schafften die Wahl und gehören heute zu den bekanntesten Berner Parlamentariern im Nationalrat. Köpfli aber scheiterte um wenige Hundert Stimmen. «In den ersten Wochen habe ich daran geknabbert», gibt er heute zu. Statt in den Wandelhallen des Bundeshauses musste Köpfli sich weiter im Berner Stadtrat abmühen, einem Parlament, wo die Show bisweilen wichtiger ist als die Politik.
Köpfli politisierte unbeirrt weiter. Aber seither stellt man sich bei ihm stets die Frage: Wie viel Überzeugung ist für die eigene Karriere noch opportun? So auch im Wahlkampf ums Amt als Berner Regierungsrat.
Keine Beisshemmungen
Seit 2011 machte Köpfli vor allem innerhalb seiner Partei Karriere. So wurde er im Berner Stadtrat zum Fraktionspräsidenten gewählt, stieg zum Generalsekretär der nationalen GLP auf und konnte vor zwei Jahren einen Sitz im Berner Grossen Rat erben. Sein Image bei den Wählern ist klar ausbaufähig. Bei seinen Politikerkollegen ist er hingegen bereits hoch im Kurs.
Im Berner Stadtrat wurde es jeweils still im Saal, wenn er ans Rednerpult trat. Köpflis Meinungen zu Themen interessierten von links bis rechts. Ex-Fraktionspräsidenten von anderen Parteien sprechen denn auch mit viel Respekt über ihn. Als einen, der mit allen politischen Wassern gewaschen sei, bezeichnet ihn etwa Daniel Klauser von der GFL, der heute für die Grünen im Grossen Rat sitzt. «Er war von seinen Positionen stets sehr überzeugt und hatte keine Beisshemmungen», so Klauser.
Auch Bernhard Eicher von der FDP attestiert Köpfli, dass dieser immer klar Position bezog und bei Sitzungen dossierfest auftrat. «Er war aber auch stets Verkäufer seiner Partei, was bei Verhandlungen schwierig sein konnte.» Das bemerkte ebenfalls Annette Lehmann von der SP. «Er hatte immer etwas Berechnendes.»
Vom Linken zum Liberalen
Michael Köpfli interessierte sich von früh auf für Politik. Im frühen Erwachsenenalter wurde er vom Juso zum Liberalen. Ausschlaggebend war sein Studium in Politikwissenschaften, das ihn vor Jahren von Liestal nach Bern brachte. Liebe, Job und Politik hielten ihn hier. Wenn von seiner Person die Rede ist, fällt auffallend oft das Wort «intelligent». Ein guter Gesprächspartner sei er, sagt Annette Lehmann. «Man konnte mit ihm stets auf hohem Niveau debattieren. Auch über Themen, die nicht zwingend zu seinem Kerndossier gehörten», sagt auch Klauser.
Im direkten Gespräch ist Köpfli tatsächlich äusserst gedankenschnell, formuliert druckreif und rhetorisch geschliffen. Er debattiert gerne. So gerne, dass er in Diskussionen mit Freunden auch mal aus Prinzip die Gegenposition einnimmt, damit eine Kontroverse entsteht. Köpfli wirkt aber auch distanziert, ernst und stets leicht gestresst. Er sei ein Getriebener, sagt ein politischer Weggefährte über ihn. Getrieben von den eigenen Überzeugungen und Ideen. Und von seinem «Projekt» GLP. Genau das jedoch spielt nicht immer zu seinen Gunsten. Denn wenn Köpfli von einer Position überzeugt ist, dann vertritt er diese auf Biegen und Brechen – selbst wenn sie für die politische Karriere nicht opportun ist.
Das zeigte sich auch in seinen zwei Jahren im Grossen Rat. In dieser Zeit rüttelte er am kantonalen Salzmonopol, wollte die Bedag Informatik AG verkaufen, die staatlich geschützten Notartarife abschaffen und stellte mit mehreren Vorstössen das Verhältnis von Kirche und Staat infrage. Er, der hobbymässig Marathon läuft, reibt sich mit Ausdauer am Status quo – zum Unmut all jener, die sich mit diesem bestens arrangiert haben. «Ich füge mich nicht einfach ein», sagt er zu seiner Neigung, unpopuläre Positionen zu vertreten. Im harmoniebedürftigen Kanton Bern mit all seinen Besonderheiten provoziert das Widerstände.
In der Stadt kommt er an
Schon fast sinnbildlich ist Köpflis Kampf gegen Subventionen für Viehschauen. Er will diesen Budgetposten ersatzlos streichen. Aus liberaler Sicht ist das eine konsequente Haltung. In der Realpolitik heisst das aber, dass man die Bauern gegen sich aufbringt. Kein Wunder, dass der urbane Köpfli vor allem in der Stadt gut ankommt.
An seiner Art zu politisieren wird das aber kaum etwas ändern. Er ist wie ein Arzt, der von seiner Diagnose so überzeugt ist, dass er keine Rücksicht auf andere Gutachten nimmt. Seine Diagnose für den Kanton Bern ist dabei schonungslos: «Wir leiden hier an veralteten Strukturen.» Köpfli will den trägen Kanton Bern mit wirtschaftsliberalen Rezepten therapieren. Die Frage ist nur, ob nur er das will oder auch die Wählerinnen und Wähler.
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