Übertriebene Angstmacherei zeigt Wirkung
Das Berner Stimmvolk lehnt das Energiegesetz äusserst knapp ab. Der Kommentar von BZ-Chefredaktor Simon Bärtschi.
Auf der Strasse machen die Jungen mobil gegen den Klimawandel, das Berner Stimmvolk will hingegen nichts wissen von besserem Klimaschutz und verordneter Energieeffizienz. Es hat das neue Energiegesetz am Sonntag mit einem knappen Resultat bachab geschickt. Damit müssen schlecht isolierte Häuser nicht nachgebessert werden, sobald eine Öl- oder Gasheizung ersetzt wird. Alles bleibt, wie es ist.
Das Resultat ist eine Schlappe für Regierung und Parlament, aus deren Feder das Gesetz stammt. Beide sind mehrheitlich bürgerlich, beide fahren energiepolitisch offensichtlich keinen mehrheitsfähigen Kurs. Deshalb gibt es vorderhand keinen Berner Weg zur Energiestrategie 2050 des Bundes, die vor fast zwei Jahren auch der Kanton klar gestützt hat und deren Eckpunkte der geordnete Ausstieg aus der Kernkraft, sinkender Stromverbrauch und mehr Effizienz beim Gebäudebau sind.
Bern war der bisher erste grössere Kanton, der die neuen Mustervorschriften der kantonalen Energiedirektoren vors Volk brachte – und jetzt ist er gescheitert. Das ist richtungsweisend für die ganze Schweiz.
Regierung und Parlament wollten die Wende konsequent und mit Druck beschleunigen, weil in vielen Häusern Energieschleudern herumstehen und nicht durch solche ersetzt werden sollen. Und weil im Umweltbereich Verbesserungen tatsächlich oft nur durch Regulierung und strikte Vorschriften möglich sind. Das zeigt etwa die erfolgreich betriebene Luftreinhaltung der letzten Dekaden. Deshalb war die Berner Vorlage richtig und wichtig.
«Sanierungszwang» und «Regulierungsdschungel», lärmten die Gegner auf der Seite der Wirtschaftsverbände und vom Hauseigentümerverband. Das war übertriebene Angstmacherei – aber offenbar wirkungsvoll. Die Mehrheit der Bevölkerung scheint die kurzfristigen Nachteile durch höhere Wohnkosten und Mehraufwand höher gewichtet zu haben als den langfristigen Effizienzgewinn und die positiven Folgen fürs Klima. Sie hat sich durch die angeblich drohende «Energiebürokratie» abschrecken lassen, obschon heute ein Heizungsersatz etwa in der Stadt Bern bewilligungspflichtig ist.
Das Volk sagt Nein, das Votum ist zu respektieren. Die Abfuhr für das Energiegesetz ist aber keine Abkehr vom Wandel. Der Abschied von der fossilen Energie ist vorgezeichnet, der Umstieg auf erneuerbare Energien beschlossen und konsequent fortzuführen. Die Gegner des Gesetzes, vorab der Hauseigentümerverband, müssen nun durch Tatkraft beweisen, dass die viel beschworene Eigeninitiative im Klimaschutz mehr ist als eine Phrase.
Und Berns Regierung unter Präsident und Energiedirektor Christoph Neuhaus muss über die Bücher. Neuhaus weiss als SVP-Mann, wie man Regulierungsgegner abholt. Er muss eine Alternative ausarbeiten lassen, die nicht auf Verboten basiert, sondern auf wirksamen Anreizen für alle Bürgerinnen und Bürger. Nur so hat ein nächster Versuch eine Chance.
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch