Überraschende Wende der Zürcher Regierung
Die geplante Steuersenkung im Kanton wird abgeblasen. Grund sind unerwartete Ausgaben.

Der Regierungsrat senkt die Staatssteuern entgegen anders lautender Ankündigungen aus dem Jahr 2018 doch nicht um 2 Prozent. Das sagte Finanzdirektor Ernst Stocker (SVP) heute im Rahmen einer Medienkonferenz zur Finanzplanung und zum Budget des kommenden Jahres. Es wäre die erste Reduktion des Steuerfusses seit 2003 gewesen.
«Wer eins und eins zusammenzählen kann, der konnte selber feststellen, dass die geplante Steuersenkung schwierig wird», sagte Stocker. Als Grund für die Kehrtwende gibt der Regierungsrat denn auch die veränderte Ausgangslage an: Die Ausgaben des Kantons steigen 2020 um voraussichtlich 5 Prozent. Dank höherer Steuererträge wächst auch der Ertrag, allerdings um lediglich 3,9 Prozent.
Die Senkung des Steuerfusses bei den Staatssteuern um 2 Prozent hätte für den Kanton Mindereinnahmen von rund 130 bis 140 Millionen Franken jährlich bedeutet. «Das können wir nicht verantworten», sagte Stocker.
SVP will an Steuersenkung festhalten
Ganz vom Tisch sind Steuersenkungen aber nicht. In der Finanzplanung für die Jahre 2022 und 2023 hat der Regierungsrat eine Reserve von 140 Millionen Franken pro Jahr für Steuererleichterungen bei den natürlichen Personen eingeplant. Auch für die bereits beschlossene Unternehmenssteuerreform hat die Regierung eine Reserve von 120 Millionen Franken pro Jahr eingerechnet.
Stockers Partei will an der Steuerreduktion festhalten, wie die SVP Kanton Zürich in einer Medienmitteilung schreibt. Die Mindereinnahmen müssten durch Sparmassnahmen ausgeglichen werden. Die FDP sieht eine gute Gelegenheit verpasst, dass auch die Bevölkerung von einer Steuererleichterung hätte profitieren können. Die Freisinnigen kündigen an, den Budgetentwurf kritisch unter die Lupe zu nehmen.
SP, Grüne, AL und EVP begrüssen dagegen den Entscheid, die Staatssteuern auf dem heutigen Niveau zu belassen. Die Finanzplanung zeige, dass es für weitere Steuersenkungen keinen Raum gebe. Die Grünliberalen nehmen den Entscheid zur Kenntnis. Beide grünen Parteien fordern aber mehr Investitionen in Klima- und Umweltschutz.
Krankenkassenprämien deutlich teurer
Dass die Ausgaben des Kantons so stark anstiegen, hat auch mit einem Urteil des Bundesgerichts zu tun: Der Regierungsrat wird von diesem verpflichtet, bei den Prämienverbilligungen die Einkommensgrenzen für Familien mit Kindern anzuheben. Bei den Beiträgen an die Krankenkassenprämien steigt der Nettoaufwand des Kantons von 408 auf 479 Millionen Franken. Der Bruttoaufwand für Prämienverbilligung, Prämienübernahmen und Verlustscheinübernahmen überschreite mit 1019 Millionen Franken erstmals die Milliardengrenze.
Auch werden mehr Menschen vom Kanton angestellt – der Beschäftigungsumfang steige im Vergleich zum Budget 2019 um 1218 Vollzeitstellen. Auf die Volksschule entfallen 183. Hauptgrund sind die steigenden Schülerzahlen. Auf Grund des Bevölkerungswachstums werden auch das Unispital (plus 358 Vollzeitäquivalente), die Psychiatrische Universitätsklinik (plus 271), die Universität Zürich (plus 63) und die Kantonspolizei (plus 25) mehr Personal brauchen. Diesen «absolut übertriebenen» Anstieg der Stellenprozente will die SVP gemäss Medienmitteilung bekämpfen.
Schliesslich steige auch der Investitionsbedarf in den nächsten vier Jahren um rund eine auf fünf Milliarden Franken, sagte Stocker. Dies lasse die in den vergangenen Jahren gesunkene Verschuldung wieder ansteigen. «Wir sind aber gewillt, die nötigen Investitionen in die Infrastruktur des Kantons zu machen», sagt Stocker.
Ausgeglichenes Budget
Der Regierungsrat rechnet für 2020 mit einem fast ausgeglichenen Budget bei einem Volumen von 16,4 Milliarden Franken. Unter dem Strich soll ein Minus von 12 Millionen resultieren.
In den Jahren 2019 bis 2023 wächst der Aufwand aber stärker als der Ertrag. Im KEF, dem konsolidierten Entwicklungs- und Finanzplan, werden – nach mehreren Jahren mit positiven oder neutralen Abschlüssen – für die Jahre 2021 bis 2023 denn auch rote Zahlen erwartet: 2021 soll ein Minus von 199 Millionen resultieren, 2022 eines von 416 Millionen und 2023 gar eines von 522 Millionen.
Der gesetzlich vorgeschriebene mittelfristige Ausgleich wird für die Zeitperiode 2016 bis 2023 mit einem Minus von 295 Millionen Franken knapp verfehlt. «Wir sehen das als Streubereich an, der keine Massnahmen erfordert», sagte Stocker vor den Medien. Ansonsten wäre er verpflichtet, ein Sparprogramm zu lancieren. Er gab aber zu bedenken: «Meistens haben wir besser abschliessen können als geplant – auch, weil wir unseren Direktionen eine straffe Haushaltsführung empfehlen.»
Unrealistische Berechnung?
Sowohl der Gewerkschaftsbund des Kantons Zürich (GBKZ) als auch die AL kritisieren, dass die prognostizierten Steuereinnahmen im KEF unrealistisch seien. Diese dürften vor dem Hintergrund einer sich abschwächenden Konjunktur geringer und damit das Defizit höher ausfallen, schreibt der GBKZ. Die AL kritisiert, dass die Steuerausfälle aufgrund der Unternehmenssteuerreform schöngeredet würden.
Der GBKZ kritisiert weiter, dass der Regierungsrat die Zahlen erst in der Woche nach der Abstimmung über die kantonale Umsetzung der Steuervorlage 17 veröffentlicht habe. Ursprünglich sei die Präsentation für letzten Donnerstag vorgesehen gewesen. Die Aussicht auf rote Zahlen hätte die Zustimmung zu Stockers Umsetzung der Steuervorlage gefährdet, schreibt der GBKZ.
«Es ist ein Märchen, dass im Strassenfonds zu viel Geld liege.»
Stocker gab noch eine Warnung durch: Die ausserordentlich guten Abschlüsse der letzten Jahren könnten dazu verleiten, zu glauben, man könne Hunderte Millionen verschieben. «Dem ist nicht so», sagte Stocker.
Als Beispiel nennt er die geplante Internalisierung der externen Kosten des Strassenverkehrs mit Mitteln des Strassenfonds – ein Vorhaben, das der Kantonsrat jüngst eingeleitet hat. «Es ist ein Märchen, dass im Strassenfonds zu viel Geld liege.»
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