Über Hüte, Lieblingsplätze und ungeplante Mandate
CEO der Michel-Gruppe, Gemeindepräsident von Schattenhalb und seit Juni SVP-Grossrat – Andreas Michel geht die Arbeit nicht aus. Als Vertreter im Kantonsparlament will er die Mehrfachrolle des Kantons im Gesundheitswesen stoppen.

Herr Michel, wo ist ihr Lieblingsplatz auf dem Klinikgelände?Andreas Michel:(überlegt) Da muss ich eine zweiteilige Antwort geben. Einerseits das Elternhaus – das mein Grossvater bauen liess –, wo ich jetzt lebe. Das ist für mich das Zentrum. Andererseits ist der Helsenberg, die Anhöhe, für mich der schönste Ort.
Die Klinik hat ihr Grossvater vor hundert Jahren gegründet und aufgebaut. Vorerst nur für Frauen, warum?Eine interessante Frage, viel findet sich in den alten Schriften nicht. Die Wahrscheinlichkeit bei Frauen, an Depressionen zu erkranken, ist aber höher. Und früher hat man Frauen und Männer grundsätzlich getrennt.
Dann kamen die Männer dazu, und auch der Betrieb wuchs, mit Kindertagesstätte, Wäscherei . . .Wir hatten schon sehr früh die Dienstleistungsangebote innerhalb der Klinik integriert. Die Trennung erfolgte, da die Finanzierung des Gesundheitswesens immer konzentrierter wurde. Man wollte weder über die Tarife noch die Kindertagesstätte oder Landwirtschaftsbetriebe finanzieren.
Wollen Sie mit der Michel-Gruppe noch weiter wachsen?Wir machen keine Erweiterungen nur um des Wachstums Willen. Viele kleine Kliniken oder Heime können ihre Dienstleistungen nicht mehr effizient erfüllen. In einem grösseren Rahmen, wie bei uns, ist das viel effizienter. Darum schwebt mir vor, dass wir unser Angebot noch ausdehnen können.
Weil Sie die verschiedenen Prozesse sowieso schon haben?Genau. Alle diese Supportbereiche – von den Finanzen übers Personal hin zur Informatik – sind vorhanden. Momentan prüfen wir, wie wir den Bereich Gastronomie stärker zentralisieren und ausbauen können.
Was wäre ein möglicher Ausbau in der Gastronomie?Wir planen, alle unsere Küchen zusammenzulegen.So können wir die Produktion auf wenige Tage beschränken. Das produzierte Essen wiederum können wir anderen Firmen anbieten – zum Beispiel einem kleinen Heim, das die Küche reduzieren will. Das Gesundheitswesen in der Schweiz hat noch grosse Hemmungen, solche Dienstleistungen nach aussen zu geben.
Und wo können Sie ausserhalb der Gastronomie wachsen?Im Bereich der Informatikdienstleistungen. Hier gehen wir aber nicht aggressiv vor. Unsere Philosophie ist, nur dort auszubauen, wo wir das lokale Gewerbe nicht konkurrenzieren.
Sie sind der grösste Arbeitgeber im Oberhasli, das verpflichtet.Ich muss etwas ausholen. Mein Grossvater hätte damals nicht zurückkommen müssen, er hatte einen guten Job in Münsingen. Es ist eine Art Verpflichtung gegenüber der Region, wozu ich das ganze Oberland-Ost zähle. Diese Verpflichtung ist offenbar auch in meinen Genen (lacht). Das war auch der Grund, wieso ich bei den letzten Wahlen als Grossrat kandidierte.
«Das Grossratsmandat war so nicht geplant gewesen.»
Und gewählt wurden. Dazu sind sie Gemeindepräsident von Schattenhalb und CEO der Michel-Gruppe . . .. . . was man auf Dauer nicht alles weiterführen kann, das ist klar. Das Grossratsmandat ist so nicht geplant gewesen. Die nächsten vier Jahre werde ich sicher machen. Ob acht Jahre daraus werden, werden wir sehen.
Sie haben darum in der Michel-Gruppe erstmals einen stellvertretenden CEO ernannt?Ja, das Grossratsmandat bedingt, dass ich im operativen Geschäft entlastet werde.
Und bei der Gemeinde?Ich habe immer gesagt, dass ich das Präsidium nur übernehme, um zu überbrücken.
Ein Ende ist absehbar?Ja. Ich werde aber den Bleistift nicht einfach fallen lassen, ein fixes Datum gibt es nicht. Ich werde es von einer guten Lösung abhängig machen.
Ihr Grossratsmandat bringt der Michel-Gruppe Vorteile.Absolut, ja. Einen direkten Nutzen kann ich natürlich nicht ableiten. Wenn ich aber bei den Themen zum Gesundheits- und Sozialwesen helfen kann, mitzugestalten, aber auch mein Netzwerk ausbauen kann, nützt das der Klinik.
Was haben Sie sich für die Legislatur auf die Fahne geschrieben?Ich habe mir natürlich eine Liste von möglichen Vorstössen gemacht (lacht). Das ist aber noch auf einer hohen Flugebene. Im Gesundheitswesen gibt es viele Sachen, die dermassen reguliert sind.
Zum Beispiel?Man kann sich die Frage stellen, ob der Kanton einerseits Spitäler besitzt und Dienstleistungen anbietet und auf der anderen Seite auch die Nachfrage mitbestimmt. Weiter setzt er die Tarife fest, wenn sich die Tarifpartner nicht einig werden. Und er macht auch die Planung, wie viele Anbieter es braucht.
«Der Kanton ist aktuell Nachfrager, Anbieter und Planer. Diese Mehrfachrolle ist sonst sehr verpönt, hier aber eine Tatsache.»
Der Kanton hat zu viele Hüte an?Der Kanton ist aktuell Nachfrager, Anbieter und Planer. Diese Mehrfachrolle ist sonst sehr verpönt, hier aber eine Tatsache. Es braucht Regulierungen.
Heisst: mehr Privatisierung?Ich würde es nicht so formulieren, sondern dem Wettbewerb mehr Spielraum lassen.
Welche Fragen stellen Sie sich weiter?Zum Beispiel, wieso gewisse öffentliche Spitäler keine Steuern zahlen müssen, private aber schon. So gibt es viele einzelne Punkte, wo man das System noch verbessern kann. Dies im Interesse von allen und am Ende im Interesse des Prämien- und Steuerzahlers.
Wohin geht das Gesundheitswesen? Die riesigen administrativen Aufwände sind eine Tatsache?Es wird noch zunehmen, das ist unsere Gesellschaft. Jede Regulierung braucht eine Überwachung und Kontrolle, was wiederum Administration bedeutet.
Etwas für Ihre Vorstossliste?Ja, wo eine Regulierung nicht nötig ist, kann man diese fallen lassen. Die Kontrolle muss auf die zwei, drei wichtigsten Kennzahlen beschränkt werden. Ansonsten schaffen wir Datenfriedhöfe.
Diese Reduzierung ginge nicht auf Kosten des Patienten?Ich denke nicht. Die richtigen Kennzahlen zu finden, ist sicher schwierig. Der Rest ist aber einfache Betriebswirtschaft.
Zum Kerngeschäft: Wohin führt die Behandlung der psychischen Krankheiten?In den 1950er-, 1960er-Jahren, als mein Onkel Chefarzt war, kam das Psychopharmakon auf. Damals glaubte man, die psychiatrischen Krankheiten wie einen Beinbruch heilen zu können. Das geht offensichtlich nicht.
Die Medikamente verlieren an Bedeutung?Die Medikamente sind weiterhin ein wichtiger Faktor. Je länger je mehr kommen die unterschiedlichsten Therapieformen hinzu.
Die Psychiatrie ist ein weites Feld.Ja, unsere Patienten haben nicht nur eine Hauptdiagnose, sondern meistens noch zahlreiche Nebendiagnosen. Der Beinbruch ist ein klarer Fall. In der Psychiatrie gibt es aber keinen klar definierten Fall.
«Meine Philosophie war immer, mich als Chef überflüssig zu machen.»
Was für ein Chef ist Andreas Michel?«Ä z liebe» (lacht). Meine Philosophie war immer, mich überflüssig zu machen. Ich will meinen Leuten die Kompetenzen geben, dass sie das Ganze ohne mich aber in meinem Sinn führen können.
Ist ihnen das gelungen?Ich denke teilweise schon. Es hängt davon ab, ob wir gute Leute hier ins Oberhasli holen können.
Und die Fachkräfte kommen?Es ist schon schwieriger, als wenn unsere Klinik in der Agglomeration stehen würde. Gleichzeitig – «Holz aaglänget» – können wir sagen, wir haben es recht gut. Der Fachkräftemangel an sich ist schweizweit ein Problem.
Sie sind über 60 Jahre alt. Die Nachfolgeregelung ist ein Thema?Ja, es brennt schon fast. Die vierte Generation ist aber noch relativ jung, die Älteste ist 29 Jahre alt.
Also gibt es noch keine konkreten Pläne? Die meisten sind noch in der Ausbildung, eine Aussage ist schwierig. Aber die dritte Generation möchte versuchen, die Geschicke der vierten Generation zu übergeben – wenn sie denn will.
«Die dritte Generation möchte versuchen, die Geschicke der vierten Generation zu übergeben – wenn sie denn will.»
Sonst müssen Sie sich umschauen. Ja, aber für diese Variante mache ich mir keine Sorgen. Wir haben regelmässige grössere Gruppen, die an einer Übernahme interessiert sind.
Wäre auch eine kombinierte Lösung denkbar? Ja, dass man zum Beispiel die Liegenschaften in der Familie behält und den Betrieb einer Gruppe übergibt. Oder umgekehrt.
Bis wann wollen sie noch arbeiten? Ich hab mir in dem Sinn eine Vorgabe gemacht, dass ich länger als bis 65 Jahre arbeiten will.
Und was macht Andreas Michel in der knapp bemessenen Freizeit? Ich bin zwanzig Jahre lang Tourenwagenrennen gefahren. Das mache ich aus Zeit- und anderen Gründen nicht mehr. Als Präsident der Nationalen Sportkommission bin ich aber noch am grünen Tisch tätig. Wir kümmern uns um die Reglementierung des Motorsports in der Schweiz.
Das hört sich zeitintensiv an. Mit Rennwochenenden und Kursen «frisst» das Hobby viele Wochenenden. Und sonst gehe ich biken, am liebsten auf die Grosse Scheidegg.
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