Über eine halbe Million veruntreut
Am Mittwoch stand eine ehemalige Mitarbeiterin der Strafverfolgungsbehörde vor Gericht. Die frühere Rechnungsführerin konnte sich erschreckend einfach bereichern.

Am Mittwoch ist am Wirtschaftsstrafgericht ein Fall verhandelt worden, der kein gutes Licht auf die Jugendanwaltschaft Berner Jura-Seeland mit Sitz in Biel wirft. Eine Mitarbeiterin, die seit 2007 für die Strafverfolgungsbehörde tätig war, hatte zwischen 2010 und 2016 Geld abgezweigt. Richtig viel Geld. Insgesamt soll die Beschuldigte, die als Rechnungsführerin amtete, rund 650'000 Franken veruntreut haben, ohne dass es jemandem aufgefallen war.
Erst eine ordentliche Dienststellenprüfung durch die Finanzkontrolle brachte im September 2016 die Unregelmässigkeiten ans Licht. Die Rechnungsführerin gestand ihre Schuld umgehend ein, sie wurde fristlos entlassen.
Am Mittwoch nun hat das Wirtschaftsstrafgericht in einem abgekürzten Verfahren das Urteil bestätigt, auf welches sich Staatsanwaltschaft und Verteidigung verständigt hatten: 24 Monate Freiheitsstrafe bedingt mit einer Probezeit von zwei Jahren.
Ein verkürztes Verfahren war überhaupt erst möglich, weil die Beschuldigte alle ihr zur Last gelegten Tatbestände anerkennt und weil sie mit dem Kanton bereits eine Vereinbarung getroffen hat, die regelt, dass die ehemalige Mitarbeiterin der Strafverfolgungsbehörde die Schadenersatzforderungen des Kantons Bern in Raten begleichen wird – sobald ihre finanzielle Situation dies zulässt. Der Kanton hatte sich nach getroffener Vereinbarung als Kläger aus dem Verfahren zurückgezogen.
Eine Kontrolle gab es nicht
Doch wie gelang es der heute 41-Jährigen überhaupt, während sechs Jahren unbemerkt mehr als eine halbe Million Franken für private Zwecke zur Seite zu schaffen? In erster Linie deshalb, weil sie nie kontrolliert wurde. Als Rechnungsführerin hatte sie keine Stellvertretung, die Dienststellenleitung hat keine unangemeldeten Kassenkontrollen vorgenommen und die Kontoauszüge nicht angeschaut, obwohl beides jederzeit möglich gewesen wäre.
«Es ging so einfach, ich war so allein, niemand wusste Bescheid, alle hatten sich auf mich verlassen», sagte die Angeklagte bei einer ihrer Einvernahmen. Besonders raffiniertes Vorgehen war also gar nicht nötig, damit das strafrechtlich relevante Handeln während sechs Jahren nicht auf dem Radar auftauchte.
Damit das Konto der Jugendanwaltschaft, von dem sie einen guten Teil der veruntreuten Mittel bezogen hatte, liquid blieb, hat die Beschuldigte Rechnungen doppelt bezahlt. Das heisst: Die Rechnungsführerin hat Forderungen des Kantons nicht beglichen, bis eine Mahnung einging.
Danach hat sie sowohl Rechnung als auch Mahnung bezahlt, um dann beim Kanton ihren angeblichen Fehler zu melden, damit die eine der beiden Zahlungen zurückerstattet wird. Hierfür gab sie ein Konto an, welches zu diesem Zeitpunkt eigentlich bereits hätte aufgelöst sein sollen und deshalb in der Buchhaltung nicht mehr aufgeführt wurde.
Rolex, Omega und Ferien
Dieses Geld gab sie dann privat aus, vorwiegend für Kleider, für Uhren (etwa eine Omega oder eine Rolex), Kosmetika und Accessoires. Aber auch Ferien hat sie mit dem Geld bezahlt, das sie zuvor unrechtmässig bezogen hatte.
Wie einfach die Beschuldigte kantonale Gelder zweckentfremden konnte, hat die Staatsanwaltschaft im Verlaufe der Untersuchung beunruhigt zur Kenntnis genommen. «Sie musste erschreckend wenig machen, um an das Geld zu kommen», sagte Staatsanwältin Simone Steffen vor dem Wirtschaftsstrafgericht. «Es wurde ihr mit dem fehlenden Controlling sehr leicht gemacht.»
Die Generalstaatsanwaltschaft hat das interne Kontrollsystem – nicht nur bei der Jugendanwaltschaft – inzwischen einer Prüfung unterzogen «und, wo nötig, adaptiert», wie Christof Scheurer, der Informationsbeauftragte der Staatsanwaltschaft, gestern sagte.
Geld statt Zuneigung
Das Motiv für die jahrelange Veruntreuung und Urkundenfälschung war offenbar die Befindlichkeit der Beschuldigten. Sowohl Verteidigung wie auch Staatsanwaltschaft machten am Mittwoch Angaben zur bereits schwierigen Kindheit und Jugend der ehemaligen Mitarbeiterin der Strafverfolgungsbehörde. Geld, welches sie von ihrer Mutter erhalten habe, habe bereits früh jegliche Zuneigung ersetzt. Sie habe das Geld des Kantons genommen, um sich gut zu fühlen, sagte die Beschuldigte, Geld sei für sie Emotion gewesen. «Ich konnte nicht mit Geld umgehen, ich habe damit finanzielle und seelische Löcher gestopft.»
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