Tumor des reifen Mannes
Früh diagnostiziert, kann Prostatakrebs zu 90 Prozent geheilt werden. Auch bei fortgeschrittenen Tumore wurden Erfolge erzielt.
Prostatakarzinom. Dieser Bescheid trifft nach Angaben der Krebsliga Schweiz jährlich 5'670 Männer ab 50. Die Tumorart ist mittlerweile sogar die häufigste Krebserkrankung des Mannes. Früher bedeutete diese Diagnose nach einer Prostataoperation oder Chemo- beziehungsweise Hormontherapie vielfach, die noch verbleibende kurze Lebenszeit meist inkontinent, impotent und beeinträchtigt durch starke Therapienebenwirkungen fristen zu müssen. Heute stehen die Dinge um einiges besser. «Wird der Tumor in einem frühen Stadium erkannt und beschränkt sich dieser nur auf die Prostata, dann stehen die Heilungschancen bei 90 Prozent», sagt Hubert John, Chefarzt an der Klinik für Urologie am Kantonsspital Winterthur.
Dass er oft rechtzeitig erkannt wird, liegt an der Ausweitung der von den Krankenkassen bezahlten Früherkennungsmethoden wie des Tasttests, bei dem die Vorsteherdrüse vom Enddarm aus untersucht wird, und der PSA-Bestimmung. Bei Letzterer wird kontrolliert, ob sich erhöhte Mengen des prostataspezifischen Antigens, eines von der Prostatadrüse ausgeschiedenen Eiweisses, im Blut befinden. Erhöhte Werte können auf einen Tumor hinweisen. Als Normalwert gelten null bis vier Milliardstelgramm pro Milliliter Blut.
Der PSA-Test ist nicht unumstritten, da er als zu unspezifisch gilt. Zudem können auch Blasenentzündungen, gutartige Prostatavergrösserungen oder lange Velotouren vor der Untersuchung zu erhöhten PSA-Werten führen. Ausserdem kann der Test einer Überdiagnose Vorschub leisten. So werden bei alten Männern oft Karzinome entdeckt, die langsam wachsen, keine Beschwerden verursachen und nicht lebenszeitverkürzend wirken. Während dagegen allein die Diagnose Krebs psychisch belastet.
Oft bloss beobachten
«Die Verantwortung des Arztes liegt darin, die relevanten Karzinome von unbedeutendem Krebsbefall zu unterscheiden und den Patienten dahingehend zu informieren und zu führen», betont John. Wird ein Prostatakarzinom festgestellt, bedeutet das im Gegensatz zu vielen anderen Krebsarten nicht sofort einen Operationstermin. Im Frühstadium, aber teilweise auch bei grösseren Tumoren, entscheiden sich Ärzte oft erst für eine kontrollierte Beobachtung, sofern keine Beschwerden vorliegen und der Krebs nicht schnell wächst. Die Belastung durch eine komplette Prostataentfernung wird nur erwogen, wenn die voraussichtliche Lebenserwartung des Patienten noch mindestens zehn Jahre beträgt.
«Mittlerweile gehören Prostatakrebsoperationen jedoch zu den häufigsten urologischen Eingriffen», sagt Professor George Thalmann, Direktor der Klinik und Poliklinik für Urologie am Berner Inselspital. Die Folge: Die Techniken wurden stark verfeinert, es wird nervenschonender gearbeitet. Dementsprechend leiden nur rund fünf Prozent der an grösseren Zentren Operierten ein Jahr später noch unter Inkontinenz. Bei der Potenz sind die Erfolgsquoten nicht ganz so gut. «60 bis 80 Prozent der Operierten erleben eine Phase der erektilen Dysfunktion, die etwa zwei Jahre andauert», so Thalmann. Je jünger der Patient ist, je besser seine Potenz vor dem Eingriff ist und je nervenschonender er operiert wird, desto eher kehre Potenz wieder zurück.
Orgasmusfähigkeit bleibt
Doch selbst in der eingeschränkten Phase oder wenn die Erektionsfähigkeit nicht genügt, verliert heute kein Patient mehr die Orgasmusfähigkeit. Abhilfe schaffen dann etwa Medikamente wie Viagra, Levitra oder Cialis, Vakuumpumpen oder das Hormon Prostaglandin, das sich der Betroffene direkt ins Glied spritzt oder in die Harnröhre einführt. Je gestandener ein Paar sei, umso weniger werden die Hilfsmittel als Problem gesehen, so Thalmann. Er erlebt, dass seit etwa zehn Jahren Patienten offener über Tabuthemen wie Inkontinenz und Impotenz sprechen. «Das hilft, besser mit der belastenden Situation fertig zu werden.»
Eine Bestrahlung wird selbst bei fortgeschritteneren Tumoren erst in Betracht gezogen, wenn die Lebenserwartung die Belastungen und Nebenwirkungen der Therapie aufwiegt. Ist eine Strahlentherapie nötig und die Vorsteherdrüse eher klein, können etwa radioaktive Körnchen, sogenannte Seeds, eingepflanzt werden, die während rund dreier Monate strahlen. Ansonsten wird durch die Bauchdecke bestrahlt. Damit die Behandlungsmethode gut anschlägt, werden zusätzlich Hormone gegeben, die die Testosteronproduktion unterdrücken. Dies kommt allerdings einer chemischen Kastration gleich – mit Nebenwirkungen wie Verlust der Libido, Hitzewallungen, Abnahme der Muskelmasse und depressiven Verstimmungen. Bei grösseren Tumoren empfiehlt sich eine Prostataentfernung nur, wenn die Geschwulst noch nicht ins umliegende Gewebe eingebrochen ist und ein niedriger Gleason Score vorliegt. Er sagt aus, wie bösartig ein Tumor ist. Sonst ist eine Bestrahlung das Mittel der Wahl. Ist der Krebs ins Gewebe eingebrochen, ist die Kombination Bestrahlung und Hormonentzugstherapie üblich.
Lebensqualität erhalten
Hat der Krebs schon Metastasen gebildet, ist eine Heilung nicht möglich. «Zumindest lässt sich die Krankheit bis zu einigen Jahren in Schach halten, unter Erhaltung einer guten Lebensqualität», sagt Hubert John aus Winterthur.
Sind nur die Lymphknoten im Becken betroffen, empfehlen Experten die Antihormontherapie. Bei Metastasen wird sie sofort angewandt. Verursachen Knochenmetastasen Probleme, können Medikamente wie Biphosphonate die Knochen stärken. Erst wenn die Phasen der Hormontherapie wirkungslos bleiben, muss sich der Kranke einer Chemotherapie unterziehen. Diese galt lange als schwächstes Glied im Waffenarsenal der Ärzte. Doch seit 2004 wird der Wirkstoff gegen das Prostatakarzinom aus den Nadeln der Eibe gewonnen. Studien ergaben, dass der Wirkstoff Taxotere Schmerzen mindert, besser verträglich ist und die Lebenszeit Betroffener verlängert.
Dank all dieser Optionen kommt heute ein fortgeschrittenes Prostatakarzinom fast einer chronischen Erkrankung gleich.
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