Trump stellt seine Unberechenbarkeit unter Beweis
US-Korrespondent Thomas Spang über den Luftschlag der USA in Syrien.
Die erste Reaktion des US-Präsidenten Donald Trump auf den Giftgasangriff gegen die Rebellen-Stadt Khan Sheikhoun war ein ausgestreckter Zeigefinger Richtung Barack Obama. Dessen Unentschlossenheit sei mit dafür verantwortlich, dass der syrische Diktator noch immer Chemiewaffen besitze. Selber schienen Trump die Bilder elendig erstickter Kinder anfangs auch nicht zum Handeln zu motivieren.
Er schickte Sprecher Sean Spicer vor, um zu erklären, die USA sähen einigermassen lächerlich aus, die politischen Realitäten in Syrien nicht anzuerkennen. Diese Indifferenz fügte sich nahtlos in die Positionen ein, die der «America First»-Präsident über Jahre vertreten hatte.
«Syrien ist nicht unser Problem», verkündete er auf seinem Twitter-Konto während des Wahlkampfs und nach dem Giftgasangriff vor den Toren Damaskus'. 2013 kritisierte er Obama als «sehr dummen Führer», weil dieser einen Vergeltungsschlag für die 1400 Opfer in Erwägung gezogen hatte.
Umso erstaunlicher fällt die 180-Grad-Wende aus, die Trump vor der Entscheidung für den ersten amerikanischen Angriff auf die Streitkräfte Assads vollzogen hat. Und verlangt nach einer Erklärung. Handelte Trump aus einem Impuls heraus, oder steht die amerikanische Strategie für Syrien vor einer Korrektur? Ohne diese Fragen zu beantworten, schickte der neue US-Präsident auf jeden Fall ein eindeutiges Signal: Der Colt sitzt bei ihm locker.
Trump zögert nicht, das militärische Potenzial der Supermacht einzusetzen, wenn er es für geboten hält. Diese Botschaft könnte in Damaskus das Kalkül Assads verändern. Er darf sich nicht mehr darauf verlassen, mit seinen Verbrechen ungeschoren davonzukommen. Auch die Machthaber in Pyongyang werden aufhorchen. Denen dürfte nicht entgangen sein, dass Trump ausgerechnet beim Staatsbankett für den Führer ihrer Schutzmacht den Befehl zum Luftschlag erteilte.
Die neue Unberechenbarkeit Washingtons löst aber nicht das strategische Dilemma, vor dem die USA in Syrien stehen. Mangels starker Verbündeter auf dem Boden gibt es in dem blutigen Bürgerkrieg militärisch weiterhin nur drei Optionen. Eine Rückeroberung weiter Teile des Landes durch Assad mithilfe Russlands, ein Endloskonflikt zwischen Regierungstruppen, Rebellen, IS und anderenSunni-Extremisten oder eine «Pax Americana».
Der bedenklichste Ausgang wäre ein Machtvakuum in Syrien, weil dieses den Nährboden für das Erstarken terroristischer Gruppen bereitete. Das heisst, für eine nachhaltige Lösung ohne langjährige Besetzung durch amerikanische Truppen kommt auch Trump nicht an Bündnissen und Diplomatie vorbei. Sollte sein Luftschlag mehr als eine Impulshandlung sein, müsste er nun mit kluger Aussenpolitik nachlegen.
Der Erfolg einer Strategie aus Zuckerbrot und Peitsche basiert auf der Bereitschaft Trumps, zu einer traditionellen Rolle an der Spitze der Supermacht zurückzufinden. Nicht allein auf überraschenden Militäraktionen, denen die diplomatische Rückendeckung fehlt.
Die hastige Kehrtwende lässt befürchten, dass es tatsächlich kein Konzept hinter dem Militärschlag gibt. So angemessen die Vergeltung auch war, so wenig bringt sie, wenn sie nur demonstrieren sollte, dass Trump nicht wie Obama sein will.
ausland@bernerzeitung.ch
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