In Washington gibt es viele Menschen, die nichts anderes tun, als sich darüber zu streiten, wie eine politische Entscheidung aussieht – und wie sie sich verkaufen lässt. «What are the optics?», lautet die Frage im Jargon der Amerikaner. Wem nützt etwas, wem schadet es, wer profitiert davon, wer verliert? Seit die Demokraten beschlossen haben, im Kongress ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Donald Trump einzuleiten, sind die meisten dieser Menschen zum Schluss gekommen: Für die Demokraten sieht das nicht gut aus. Der Sieger wird am Ende Trump sein, der aus der Schlacht gestärkt hervorgehen wird, verlieren werden seine Gegner. Bad optics. Viel seltener hört man dagegen die Frage: Ist eine Entscheidung richtig? Ist sie aus inhaltlichen Gründen geboten?
Die Antwort darauf lautet in diesem Fall: ja. Seit dieser Woche kann jeder schwarz auf weiss nachlesen, wie Trump sein Amt missbraucht hat. Das offenbar noch geschönte Protokoll des Telefonats, das er mit seinem ukrainischen Amtskollegen führte, zeigt, dass er diesen dazu drängte, ihm schädliches Material über seinen Gegner Joe Biden zu liefern. Er spannte für diese Art von illegaler Wahlkampfhilfe durch das Ausland auch noch den US-Justizminister ein. Und er nutzte dafür ohne Skrupel das Gefälle zwischen der Supermacht USA und der von Militärhilfe abhängigen Ukraine aus. «Wir tun sehr viel für die Ukraine», sagte Trump zu Wolodimir Selinski. Von der Ukraine werde das aber nicht erwidert. Dann bat er um einen «Gefallen». So läuft das bei Trump.
So darf es aber nicht laufen. Trump ist schon mit sehr vielen Dingen durchgekommen. Diese Grenzüberschreitung war eine zu viel. Das Verhalten des Präsidenten war so offensichtlich korrupt, dass laut dem Whistleblower, der es öffentlich machte, selbst Trumps Regierung versuchte, die Abschrift des Telefonats unter Verschluss zu halten, die Spuren zu beseitigen. Eine Straftat und ihr Cover-up. Trumps Gesetzlosigkeit hat längst Wurzeln geschlagen.
«Das Repräsentantenhaus, das die Demokraten beherrschen, kann lediglich Anklage gegen einen Präsidenten erheben.»
Den Demokraten blieb deshalb keine andere Wahl, als zu einem Impeachment-Verfahren zu schreiten. Hätten sie es nicht getan, wäre es ein fatales Zeichen gewesen. Ein Zeichen an Trump, dass er sich alles erlauben kann, um die Wahlen zu untergraben – eine Einladung zur Sabotage der Demokratie. Genau das ist es, wovor sich die Gründerväter der Vereinigten Staaten fürchteten, als sie ein Präsidentenamt schufen, das in seiner Machtfülle riesig ist. Genau deshalb schrieben sie das Instrument des Impeachments in die Verfassung.
All dies heisst nicht, dass Trump des Amtes enthoben wird. Das Repräsentantenhaus, das die Demokraten beherrschen, kann lediglich Anklage gegen einen Präsidenten erheben. Für schuldig befinden muss ihn eine Zweidrittelmehrheit des Senats. Nach jetzigem Stand werden die Demokraten jedoch keine 20 Republikaner finden, die sich zu diesem Schritt durchringen – besiegen müssen sie ihn wohl an der Urne. Die Demokraten müssen deshalb hoffen, dass die von den Dauerskandalen erschöpften Wähler nach vier Jahren einfach genug haben. Dass sie für diese Erschöpfung den Präsidenten verantwortlich machen – und nicht die Opposition, die im Streit mit ihm liegt.
Das mag eine schwache Hoffnung sein. Erfüllt sie sich nicht, bleibt Trumps Gegnern nur ein Trost: dass sie wahltaktisch falsch lagen. Aber in der Sache recht hatten.
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Trump lässt den Demokraten keine Wahl
Taktisch mag das Impeachment ein Fehler sein. Trotzdem handeln die Demokraten richtig.