Sim-Racing boomtTrotz Coronavirus: Berner Rennfahrer geben Vollgas
Der Automobilrennsport steht in der Corona-Krise still. Patric Niederhauser, Nico Müller, Neel Jani und Alain Valente fahren dennoch Rennen – im Simulator.

Alle Automobilrennen sind abgesagt oder zumindest verschoben. Doch trotz der Corona-Krise sitzen die Berner Rennfahrer täglich hinter dem Steuer. Die Profis Neel Jani (36/Biel), Patric Niederhauser (28/Kirchdorf), Nico Müller (28/Blumenstein) und Alain Valente (23/Bolligen) verbringen viele Stunden im Simulator. «Praktisch jeder Rennfahrer sucht derzeit Zuflucht im Sim-Racing», sagt Niederhauser. Müller bestätigt: «In den virtuellen Rennen ist jeweils das halbe Fahrerfeld vertreten.»
E-Sport boomt
So hat Jani vor wenigen Tagen auf dem Nürburgring in der «All-Star esports Battle» etwa gegen den Formel-1-Star Max Verstappen oder Juan Pablo Montoya den 12. Platz erreicht. Preisgeld in diesem Rennen: 10’000 Dollar. Der E-Sport boomt. Jani hält aber fest: «Gegen die Gamer sind wir Rennfahrer chancenlos.» Die E-Sports-Cracks sind weit häufiger online und mindestens eine Sekunde pro Runde schneller. Das bestätigen auch Niederhauser und Müller. Der Beste von ihnen sei noch Alain Valente, meint das Duo. Der in diesem Jahr neu als Entwicklungsfahrer von McLaren tätige junge Berner staunt über die Aussage seiner Kollegen: «Ich bin erst im vergangenen Jahr zum ersten Mal in einem Simulator gesessen. Ein deutscher Youtuber hat mir gezeigt, wie die Online-Rennen funktionieren.»

Das Berner Quartett ist sich einig: Die virtuellen Rennen machen Spass. «Aber sie ersetzen das richtige Fahren in keinster Weise», betont GT-Masters-Champion Niederhauser und fügt an, «sie sind jedoch allemal besser als nichts.» Auch Müller ist froh über die Onlineversion: «Sonst wäre ich komplett auf Entzug.» Der DTM- und Formel-E-Pilot hat seit vergangener Woche einen gemieteten Simulator zu Hause. Auch sein Formel-E-Rivale Jani hat einen bestellt, benützt bis zu dessen Eintreffen jedoch den Simulator eines Kollegen.

Dagegen verfügt Niederhauser seit mehreren Jahren über eine eigene Anfertigung. Zuletzt hat er auch schon ein 12-Stunden-Rennen absolviert. «Durchschnittlich verbringe ich momentan rund drei Stunden pro Tag darin», sagt er. Auch Valente nennt diesen Wert. Die zweistündigen Sessions für McLaren seien Arbeit, das anschliessende Gamen dann Vergnügen. «Diese Onlinerennen machen uns aber auf der richtigen Strecke nicht schneller», sagt Valente. Dazu seien die virtuelle und die wirkliche Welt zu verschieden. Jani erklärt das so: «Im richtigen Rennauto spüre ich vor allem auch das Hinterteil. Im Simulator passiert alles ausschliesslich über das Auge und das Lenkrad.»
Janis Gartenarbeiten
Der Seeländer widmet sich deshalb noch anderen Tätigkeiten. So hat er die ferngesteuerten Autos aus seiner Kindheit wieder hervorgeholt und probiert diese nun auf dem Vorplatz mit seinem Sohnemann aus. «Daneben arbeite ich viel im Garten, habe beispielsweise Zeit, alle Rasenkanten, Stromkabel und Röhren selber zu verlegen.» Für den Le-Mans-Sieger von 2016 ist klar, dass die derzeitige Krise auch im Rennsport Spuren hinterlassen wird. Er geht davon aus, dass sogar Rennserien verschwinden werden.

Müllers Vaterfreuden
Mehr mit der näheren als mit der fernen Zukunft beschäftigt sich Nico Müller. Der Oberländer und seine deutsche Partnerin Victoria Paschold werden im Sommer erstmals Eltern.
Wie der Rennkalender in diesem Jahr aussehen wird, weiss keiner der vier Berner. Dem E-Sports-Boom zum Trotz hoffen sie auf eine baldige Rückkehr in ihre Boliden und auf Rennen auf den realen Strecken. Bis dahin bewahren sie sich ein paar Reflexe und das Renngefühl in der virtuellen Welt.

Fehler gefunden?Jetzt melden.