«Trojaner passen nicht zu einem Rechtsstaat»
In der Schweiz haben die Behörden Trojaner von jener Art eingesetzt, die in Deutschland derzeit für Schlagzeilen sorgen. Sie können die Festplatte scannen oder Tastaturanschläge mitlesen. Nun hagelt es Kritik.

In der Schweiz kommen ähnlich wie in Deutschland Trojaner zur Überwachung des Internets zur Anwendung. Das Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) bestätigte entsprechende Berichte von Tagesschau.sf.tv und «20 Minuten online».
«Die Strafverfolgungsbehörden des Bundes und des Kantons Zürich haben in einzelnen Fällen solche Software zur Klärung schwerer Verbrechen eingesetzt», sagte EJPD-Sprecher Guido Balmer. Dies sei auf Anordnung der zuständigen Staatsanwaltschaft beziehungsweise der Bundesanwaltschaft und mit Genehmigung des Zwangsmassnahmengerichts geschehen.
Affäre in Deutschland
Welche Software zum Ausspionieren von Computern genau eingesetzt wurde, gibt das EJPD aus Rücksicht auf die Interessen der Strafverfolgung nicht bekannt. Es handle sich um Programme, die dazu dienten, verschlüsselte Inhalte zu entschlüsseln, sagte Balmer.
Dass auch die Schweiz Spionage-Software eingesetzt hat, beurteilt der Präsident der Piratenpartei Schweiz, Denis Simonet, als einen «Skandal». Solche Software könne den Prinzipien eines Rechtsstaates niemals entsprechen.
Sogenannte Trojaner können zum Beispiel Daten auf Computern verändern, wie Simonet sagte. Werde dann ein Computer beschlagnahmt, könne nicht mehr nachgewiesen werden, wer die entsprechenden Daten verändert habe. Das sei so, wie wenn die Polizei eine Hausdurchsuchung durchführe, aber sich bereits zuvor in der Wohnung zu schaffen machte, sagte er.
Ahndung von «Gedankenverbrechen»
Weiter weist Simonet darauf hin, dass auch blosse «Gedankenverbrechen» geahndet werden könnten: Wenn jemand etwa eine Bombendrohung schreibt und wieder löscht, könnte dies dieselbe Wirkung haben, wie wenn er die Drohung ernst meint und abschickt.
Mit sogenannten Trojanern, die in Deutschland für Schlagzeilen sorgten, können etwa die Tastaturanschläge mitgelesen, die Festplatte gescannt oder Computer-Mikrofone in eine Wanzen verwandelt werden. In Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht deren systematische Anwendung für verfassungswidrig erklärt. Dass verschiedene Bundesländern Trojaner zur Überwachung von Verdächtigen benutzt hatten, löste eine Datenschutz-Affäre aus.
Rechtslage umstritten
Ob es in der Schweiz für Spionage-Software eine ausreichende Rechtsgrundlage gibt, ist umstritten. Die Staatsanwaltschaften, welche die Massnahme anordnen, stützen sich auf Artikel 280 der Schweizerischen Strafprozessordnung. Dieser Artikel hält fest, dass die Staatsanwaltschaft «technische Überwachungsgeräte» einsetzen kann, um Gespräche abzuhören oder aufzuzeichnen.
Weil in der Rechtslehre umstritten ist, ob der Artikel als Rechtsgrundlage genügt, hat der Bundesrat im Rahmen der laufenden Revision des Bundesgesetzes über die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) vorgeschlagen, eine ausdrückliche Rechtsgrundlage zu schaffen. Dies stiess in der Vernehmlassung auf Kritik. Über das weitere Vorgehen will der Bundesrat noch im laufenden Jahr entscheiden.
Nationalratskommission ist informiert
Vor der neuen Strafprozessordnung, die seit Jahresbeginn gilt, gab es laut EJPD eine Bestimmung über den Einsatz technischer Überwachungsgeräte, unter welche auch Spionage-Software subsumiert werden konnte. Was die Bundesanwaltschaft betreffe, handle es sich um Fälle auf Basis dieser Bestimmung, also vor dem 1. Januar 2011, sagte Balmer.
Das EJPD hat am Donnerstagnachmittag auch die Rechtskommission des Nationalrates darüber informiert, dass in der Schweiz Spionage-Software verwendet wurde. Zuvor war bekannt geworden, dass die deutsche Herstellerfirma Digitask solche Software in die Schweiz geliefert hatte.
Nicht bei normalen Überwachungen
Nicht eingesetzt wird Spionage-Software laut EJPD vom Dienst für Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, der normalerweise Überwachungsmassnahmen im Auftrag von Staatsanwaltschaften durchführt. Der Dienst sei in die fraglichen Fällen nicht involviert gewesen, sagte Balmer. Die Bundeskriminalpolizei beziehungsweise die Kantonspolizei Zürich führten die Aktionen demnach selbst durch.
Der Chef des Dienstes, René Koch, hatte im Rahmen eines Hintergrundgesprächs mit Medienvertretern ebenfalls betont, es werde keine Spionage-Software verwendet. Der Dienst ist dafür zuständig, Daten von Fernmeldedienstanbietern auszuleiten und den Strafverfolgungsbehörden zuzuleiten.
20 Internetüberwachungen pro Jahr
Im Jahr 2010 wurden rund 11'000 solche Überwachungen durchgeführt. Bei den meisten davon handelte es sich um Telefonüberwachungen. Internetüberwachungen werden laut Koch rund 20-mal im Jahr angeordnet.
Ein Zugriff auf die GPS-Daten eines Handys etwa sei nicht möglich, erklärte Koch. Dafür brauche es aktive Eingriffe, also beispielsweise Manipulationen an Geräten oder Trojaner. Der Dienst für die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs führe ausschliesslich passive Überwachungen durch. Für anderes fehle die gesetzliche Grundlage.
Daran ändere auch die geplante Revision der Verordnung zum Gesetz über die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs nichts. Mit dieser Revision, die im Sommer für Schlagzeilen sorgte, will der Bundesrat die Verordnung der technischen Entwicklung anpassen und so bei den neuen Kommunikationsmitteln Rechtssicherheit schaffen.
SDA/miw
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