Was geht? Die Ausgehtipps der WocheTraurige Sänger, finstere Puppen und verborgene Pfeifen
Rapper Nativ begibt sich ins Jazz-Milieu, im Casino trifft die Hausorgel auf einen Heimcomputer, im Schlachthaus spielen Puppen einen Filmklassiker nach, und Bern beheimatet eine neue Jazzerin.
Grosse, traurige Musik: Sam Himself
Es gibt ein schönes Zitat des Musikers Sam Himself, mit dem er das Eröffnungsstück seines Debütalbums erklären sollte. Das Lied heisst «Brando», ist dem gleichnamigen Schauspieler gewidmet, und das Zitat geht so: «Marlon Brando ist ein cooler Hund, aber er war auch eine kaputte Sau.» Und irgendwie trifft das auch auf den Musiker aus Basel zu. Seine Performance hört sich so an, als ob hinter all der offensichtlichen Coolness, seelische Abgründe auftun würden. Am ehesten verweisen seine Songs auf die New Romantics der späten Achtzigerjahre, ein Genre, das seinen Reiz aus der Binnenspannung zwischen No-Future-Restallüren und aufkommender Wirtschaftsaufschwung-Wohligkeit zog. Es sind geschmeidig-traurige Lieder, die Sam Himself im Lockdown in Basel und in seiner Wahlheimat New York eingespielt hat. Zur Seite stand ihm dabei der Produzent Daniel Schett, der schon Bands wie War on Drogs und Songhoy Blues oder Künstlern wie Arto Lindsey und Curtis Harding den letzten Schliff verpasste. Ein grosses, trauriges Debüt. (ane)
Bierhübeli, Freitag, 28. Februar, 19.30 Uhr
Finstere Komödie mit Puppen: «Bern sehen und sterben»

Eigentlich hätten die beiden Profikiller Dagmar und Mike einen Pfarrer um die Ecke bringen sollen. Weil Mike dabei aber auch ein Kind erschiesst, flüchten beide aus ihrer Stadt und tauchen in Bern unter, wo sie auf weitere Nachrichten von ihrem Boss warten. Klingt vertraut? Tatsächlich ist der neue Theaterabend «Bern sehen und sterben» der Berner Gruppe Praxmarer/Vittinghoff an die finstere Filmkomödie «In Bruges» (auf Deutsch: «Brügge sehen … und sterben?») von 2008 angelehnt. Mit einem ähnlichen Galgenhumor ist auch die Berner Version gespickt; ausserdem treten Puppen auf, es gibt Livemusik und einen Einblick in die Welt der Verschwörungstheorien. (lri)
Schlachthaus-Theater Bern, Freitag, 28. Januar 2022, 20 Uhr (Premiere). Bis 5.2.
Sie werfen sich die Bälle zu: Jazz von Nicole Johänntgen
Gibt es so etwas wie schlagfertigen Jazz? Wer die Saxofonistin Nicole Johänntgen gehört hat, dürfte diese Frage mit Ja beantworten. Mit ihrer Formation Henry spielt die gebürtige Deutsche eine Musik, in der das spielerische Element auffällt. Es sei ein bisschen wie Tennis, wenn sie mit ihren Mitmusikern performe, sagte Johänntgen in einem Interview: Man werfe sich gegenseitig die Bälle zu. Grundiert wird dieses verspielte Tun durch eine Rhythmusgruppe aus Schlagzeug und Tuba, die sich auf den New Orleans Jazz bezieht – und damit auf einen Groove, der dazu da ist, die Tanzbeine in Schwung zu bringen. Seit kurzem lebt Nicole Johänntgen in Bern. An ihrem Heimkonzert stehen ihr Victor Hege und Clemens Kuratle zur Seite. (reg)
Werkhof Egelsee Bern, Samstag, 29. Januar, 20 Uhr
Vom Exzess zur Poesie: Meisterkonzert mit Arcadi Volodos

Als «Tastenraserei» wurde sein Tun auch schon bezeichnet, als hochvirtuoser, hochexpressiver Exzess. Dass der russische Meisterpianist Arcadi Volodos aber auch anders kann, zeigte etwa sein Berner Konzert von 2016: Es sei ein «Philosophieren auf schwarzen und weissen Tasten» gewesen, schrieb der «Bund» damals über den Abend, an dem Volodos auch samtene, ganz schlichte Klänge aus seinem Instrument streichelte. Nun bringt der gebürtige St. Petersburger Robert Schumanns «Kinderszenen» sowie dessen «Fantasie C-Dur» nach Bern. Dazu kommt mit Franz Schubert und der «Gasteiner-Sonate» ein Werk von Volodos’ erklärtem Lieblingskomponisten. (reg)
Zentrum Paul Klee, Sonntag, 30. Januar, 17 Uhr
Experiment mit Rap: Buergi’s Quest featuring Nativ

Nativs Rap ist anders. Kaum jemand schafft es hierzulande besser, die Zerrissenheit auszudrücken, die ein Migrationshintergrund mit sich bringt als Thierry Gnahoré, wie Nativ mit bürgerlichem Namen heisst. Seine Texte sind kluge und subtile Beobachtungen von Ausgrenzung und Alltagsrassismus, es sind aber auch Selbstreflexionen über die eigenen Unzulänglichkeiten, über Selbstbetrug und Zweifel. Er bezeichnet sich selber als Mischling, ist überall Exot: In der Schweiz ist er ein Schwarzer – in der Elfenbeinküste, wo sein Vater herstammt, ein Weisser. «13 Jahr im ’45i, bi ufgwachse imne Dorf. Hamer 716-mau aaglost i bi ne Aff» heisst es etwa im Lied «Noir», in dem er auch von seiner Kindheit in Niederscherli erzählt. Spätestens seit seinem Album «Baobab» von 2018 gilt der Berner in der Schweizer Rap-Szene als einer der wichtigsten Künstler. Nun ist der Sprechsänger zu Gast in der Konzertreihe Buergi’s Quest des Berner Schlagzeugers Fabian Bürgi. (mbu)
Barbière Bern, Samstag, 29. Januar, 21.30 Uhr
3000 Pfeifen und Live-Elektronik: Orgelkonzert im Casino

Sie versteckt sich hinter einem filigranen Netz aus Kunstschmiedeeisen, unauffällig und fast unsichtbar. Dabei ist sie ein Monument: Die Orgel im Konzertsaal des Berner Casinos hat über 3000 Pfeifen, und wenn sie aufspielt, füllt sie akustisch den Raum. Dieses Wochenende steht sie im Zentrum eines Konzerts, das ihren Reichtum ganz unterschiedlich auslotet – mit Werken von Johann Sebastian Bach, Franz Liszt, Lutz Werner Hesse und Arvo Pärt. An den Tasten sitzt Antonio García, für die Perkussion ist Pascal Viglino zuständig. Und mit Samuel Savenberg ist ein Mann mit von der Partie, der sich sonst eher im Dunstkreis von Techno bewegt und den Abend mit Live-Elektronik anreichert. (reg)
Casino Bern, Sonntag, 30. Januar, 17 Uhr (Eintritt frei)
Wenn Profitgier das Quartier bedroht: «Raffzahn Jack»

Gentrifizierung? Davon spricht man bekanntlich, wenn sich ein Quartier sozioökonomisch wandelt: Es wird attraktiver, sodass die Mietpreise steigen und es sich irgendwann nur noch eine bestimmte Bevölkerungsschicht leisten kann, dort zu wohnen. Anschaulich wird der Vorgang im Kinderstück «Raffzahn Jack & die Rächer der Gartenbausiedlung»: Ein Immobilienhai will den liebsten Spielplatz der drei Freunde Mucki, Bude und Steffi zum Golfplatz umwandeln und aus der angrenzenden Siedlung ein Einkaufszentrum machen. Ob sich das noch verhindern lässt? Die Luzerner Gruppe Bazooka Bandi übersetzt ein gesellschaftspolitisches Thema in eine anarchistische Abenteuergeschichte – untermalt vom Soundtrack des Post-Punk-Duos Blind Butcher. (lri)
Tojo-Theater der Reitschule, Mittwoch, 2. Februar 2022, 15 Uhr (Premiere). Bis 6.2. Ab 6 Jahren.
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