Trauffer: «Ich weiss, dass ich Frust auslöse»
Nachdem er zweimal für einen Swiss Music Award nominiert, aber leer ausgegangen war, räumte Marc A. Trauffer heuer gleich zwei Preise ab. Im Interview spricht er über Erfolg, Neider, Leidenschaft – und seine Zeit als Politiker.

Als bei den Swiss Music Awards kurz nach Sendungsbeginn auch Ihr Name aufgerufen wurde, wirkte es am Fernsehen, als wären Sie erschrocken. Haben Sie trotz einem unerreicht erfolgreichen Jahr nicht damit gerechnet, einen Preis zu gewinnen?Marc A. Trauffer: Ich war vor allem überrumpelt vom Tempo, das angeschlagen wurde. Ich hatte gerade erst Platz genommen – und zack, schon wurde mein Name aufgerufen.
Sie wurden für das «Best Album» und als «Best Male Solo Act» geehrt, waren aber trotz einer praktisch ausnahmslos ausverkauften Tournee nicht als «Best Live Act» nominiert. Können Sie sich erklären warum? Ich habe mich mit der Frage nicht auseinandergesetzt, obschon sie wiederholt an mich herangetragen wurde. Seien wir ehrlich: Der Einzige, der sich im Moment nicht beklagen darf, bin ich. Selbstverständlich wäre ein Award in dieser Kategorie gerade für die Band eine schöne Anerkennung für grosse Arbeit gewesen. Aber scheinbar haben andere grössere Tourneen gemacht oder mehr Tickets verkauft – und für mich ist das auch absolut kein Problem.
Sie tanzen den Tanz auf dem Hochseil der Kommunikation sehr elegant: Sie streichen zwar Dankbarkeit und Bescheidenheit hervor, können aber dann den Seitenhieb mit den Verkaufszahlen doch nicht lassen. Ist das eine bewusste Provokation? Es wird ja an mich herangetragen, dass bei manchen Leuten Unverständnis darüber herrscht, dass ich einen Preis für so und so viel verkaufte Konzerttickets erhalten habe, aber am Swiss Music Award in der entsprechenden Sparte nicht nominiert bin. Aber noch einmal: Der Einzige, der nicht unzufrieden sein darf, bin ich.
Der Videoclip zu Trauffers Song «Heiterefahne» ab dem gleichnamigen Album. Nach mehr als 52 Wochen ist «Heiterefahne» nach wie vor in den Top Ten der Schweizer Albumcharts vertreten. Video: Youtube/TraufferVevo
Die Swiss Music Awards werden seit zehn Jahren vergeben. Welchen Stellenwert haben sie für das Schweizer Musikschaffen? Ich finde, sie sind eine schöne Anerkennung für die Arbeit der Musikschaffenden in unserem Land. Der Anlass ist gut gemacht – auch wenn es ganz sicher nicht einfach ist, ihn zu organisieren.
Bildet er die Vielfalt des musikalischen Schaffens genügend ab? Das hängt stark davon ab, aus welcher Sicht man die Sache betrachtet. Ich glaube, die Veranstalter geben sich alle erdenkliche Mühe. Aber es ist schwierig, allen gerecht zu werden.
Stört es Sie, dass Künstler wie Knackeboul den Event und geehrte Künstler als zu wenig politisch, zu unkritisch und zu stromlinienförmig kritisieren? Nein. Das ist deren Problem, nicht meins. Ich schaue auf mich, und wir waren jetzt halt nominiert. Dafür kann ich ja nichts.

Es macht Sie nicht betroffen, wenn Sie trotz allen Erfolgs immer wieder mit Nörglern und Kritikern konfrontiert sind? Die gibt es immer im Leben. Wenn sich einer nach Jahren harter Arbeit auf dem Bau oder sonst irgendwo einen schönen Sportwagen leisten kann, gibt es garantiert einen Nachbarn, der «e dummi Schnure het». Es hat schlicht keinen Wert, sich über so was aufzuregen. Das Einzige, was mich wirklich trifft, ist, wenn man mir die Leidenschaft abspricht. Das ist nicht fair! Nur weil andere meine Musik Scheisse finden – was ich absolut verstehen und akzeptieren kann – haben sie noch lange nicht das Recht, meine Leidenschaft für mein musikalisches Schaffen infrage zu stellen.
«Das Einzige, was mich wirklich trifft, ist, wenn man mir die Leidenschaft abspricht.»
Hat das damit zu tun, dass Sie auch Inhaber einer Firma sind, die Holzspielwaren herstellt – und Ihnen deshalb der Stempel des «Hobbymusikers» anhaftet? Dass jemand, für den Musik den einzigen, ausschliesslichen und gesamten Lebensinhalt darstellt, das so sehen mag, ist durchaus möglich. Aber das hat nichts mit der Tatsache zu tun, dass ich seit vielen Jahren mit viel Leidenschaft Musik mache. Ich bespiele halt ein Feld, das viele nicht begreifen: Ich bin ein Unterhalter. Das Einzige, was ich will, ist, die Leute zu unterhalten. Dass dieser Ansatz in der Szene bisweilen schlecht ankommt, ist nicht neu.
Juckt es Sie nie, wenn Sie vor 5000 Menschen auf der Bühne stehen, denen mal Ihre Meinung zu einem Thema zu geigen, das Sie aufregt oder bewegt? Ich erachte es nicht als meine Aufgabe, gesellschaftskritisch zu agieren. Es gibt andere, die das viel besser machen. Ich kann mich sehr gut einschätzen – und ich weiss, dass ich Menschen unterhalten kann. Ich leiste sehr viel soziales Engagement in der Firma, ich habe mich früher lange Jahre im Dorf und in der Region engagiert. Mir kann man zuletzt vorwerfen, ich sei einfach ein «Halodri» – aber ich kann akzeptieren, dass es trotzdem passiert.
Ist diese Fähigkeit zur Selbsteinschätzung eine Lehre aus der Zeit im Gemeinderat von Hofstetten? Die Aufgaben, die ich in diesem Bereich übernommen habe, habe ich immer mit der nötigen Ernsthaftigkeit zu erfüllen versucht. Aber politisches und gesellschaftliches Engagement ist nicht die Aufgabe des Musikers Trauffer.
In den letzten zwei Jahren beschäftigte Sie der Umzug der Firma intensiv; gleichzeitig brachen musikalisch alle Dämme. Haben Sie nie bereut, sich nicht für das eine oder andere Thema entschieden zu haben? Ich habe mich sehr wohl entschieden – und zwar zugunsten meiner Firma, die ich gekauft, aufgebaut und weiterentwickelt habe. Ich bin jeden Morgen um 6 Uhr im Geschäft. Dass es mit der Musik plötzlich derart abgehen würde, konnte niemand ahnen. Wenn man so was planen könnte, hätten wir das mit 20 durchgezogen und nicht jetzt.
Stehen Sie am Morgen um 6 Uhr mit derselben Leidenschaft im Geschäft, wie am Abend 21.30 Uhr auf der Konzertbühne? Selbstverständlich!
Ich behaupte, viele Menschen können das nicht nachvollziehen. Das Geschäft ist doch Bürde, die Bühne Party. Ich bin sicher, dass das ein Trugschluss ist und dass eben sehr viele Leute ganz genau verstehen, dass beides – Geschäft und Konzert – einen erfüllen kann. Das hat mit Leidenschaft zu tun für das, was man ist und macht. Meine Leidenschaft für Holzkühe und Holzspielwaren für Kinder ist ähnlich jener für die Musik.
Inwiefern? Wenn ich ein neues Spielzeug entwickle, habe ich den Anspruch, dass daraus irgendwann ein Kinderlachen resultiert. Gleichzeitig habe ich als Musiker den Anspruch, dass die Leute Freude haben, wenn ich auf der Bühne stehe.
Sie sagen, «wenn ich ein neues Spielzeug entwickle». Sind Sie aktiv in derartige Prozesse involviert oder segnen Sie einfach Ideen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ab? Seit bald acht Jahren entwickle ich alle Neuheiten selber mit.
Ist es noch möglich, neue Holzspielwaren zu erfinden? Ja – genauso wie man neue Lieder schreiben kann. Die Herangehensweise ist immer neu, es gibt ungezählte Farben und Formen – und das macht die Arbeit wahnsinnig kreativ.
Sie haben letztes Jahr nicht nur eine der erfolgreichsten Tourneen absolviert, die eine Schweizer Band je gespielt hat, sondern auch noch neue Firmengebäude fertig gebaut und bezogen. Wie oft waren Sie am Punkt, an dem Sie eigentlich gar nicht mehr gemocht hätten? Ein paarmal. Meine unternehmerische Tätigkeit ist relativ gut planbar, und die haben wir im Griff – wohingegen die musikalische Tätigkeit absolut nicht planbar ist. Die Intensität des Erfolgs hat auch bei mir eigentlich die Grenzen des Machbaren überstiegen.
«Die Intensität des Erfolgs hat auch bei mir eigentlich die Grenzen des Machbaren überstiegen.»
Wie kommen Sie aus dem roten Bereich wenigstens wieder in den orangen? Wenn ich weiss, dass das nicht mehr passiert, kann ich auch eine heftige Zeit überstehen, weil ich weiss: Ein Ende ist absehbar. Und: Ich bin weiss Gott nicht der Einzige, der hart arbeitet. Es gibt Menschen, die kämpfen ums Überleben. Ich darf zwei Jobs machen, die mich beide mit viel Freude erfüllen.
Es braucht aber bestimmt mehr dazu als dieses Bewusstsein, wieder in den kräftigend grünen Bereich zu kommen, in dem Kreativität möglich ist und die Batterien richtig geladen werden können. Richtig. Damit habe ich am Samstag nach dem Swiss Music Award angefangen. Dieses Interview ist das letzte für eine ganze Weile. Das Musikjahr ist abgeschlossen. Jetzt ist Feierabend, Zeit zum Runterfahren, Reisen, Entspannen.
Sie haben sich einen Scherenschnitt als Tattoo stechen lassen, und daraus hat sich eine Geschichte in der Zeitung ergeben. Es muss cool sein, an dem Punkt angelangt zu sein – nachdem Sie vor Jahren noch dankbar gewesen wären, hätte überhaupt ein nationales Blatt über Sie geschrieben. Sehen Sie, genau deshalb verstehe ich vielleicht besser als manch anderer, wie es ist, wenn immer nur die anderen im Rampenlicht stehen. Ich weiss, wie es sich anfühlt, nur 20 Tickets für ein Konzert zu verkaufen, ich weiss, wie es ist, im Saal zu sitzen und sich zu wünschen, man würde oben auf der Bühne stehen. Darum habe ich auch ein gewisses Verständnis für den Frust, der sich da und dort bemerkbar macht. Ich weiss, dass ich bei anderen Musikern Frust auslöse.
«Ich habe keineswegs das Bedürfnis, mich neu zu erfinden oder zu verändern.»
Wir sitzen im H2U-Studio in Thun, wo Sie Ihre letzten drei Erfolgsalben aufgenommen haben. Warum setzen Sie ein viertes Mal auf die gleiche Crew und brechen nicht aus auf der Suche nach neuer Inspiration? Ich habe keineswegs das Bedürfnis, mich jetzt irgendwie neu zu erfinden oder zu verändern. Wenn ein neues Album von AC/DC oder Status Quo kommt, weiss ich, was drauf sein wird. Ich weiss, wer ich bin – nicht zuletzt auch dank dem Weg, den ich hinter mir habe mit Airbäg und dem «Pallanza»-Album, für das ich mich von mir selber entfernt habe in einer Art, ob der ich heute selber staune. Ich weiss, was ich bin, was ich mache und was ich will. Deshalb gibts für mich keinen Anlass, das Studio zu wechseln.
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