Trauen wir der Wissenschaft!
Technik?Die Nuklearkrise weckt Endzeitangst. Doch die Forschung kann auch das Atomproblem meistern – ein Plädoyer für Zuversicht. Von Markus Eisenhut In der industrialisierten Welt standen Technik und Naturwissenschaft unbestritten für Fortschritt und Wohlstand. Wann immer es Forschungsgelder zu verteilen gab, gingen die fetten Budgets an naturwissenschaftliche Projekte. Mit der Katastrophe von Fukushima beginnt eine neue Zeitrechnung. Innert Tagen hat sich zumindest bezüglich der AKW-Frage der Glaube an die Wissenschaft verflüchtigt. Mit Verweis auf die Gefahr endloser Strahlung, die ungelöste Atommüll-Frage und nicht versicherbare Risiken wird von Hunderttausenden Jahren Schuld gesprochen, die wir auf uns laden würden. Deshalb wollen die Grünen bis 2024 alle Schweizer AKW abstellen, die SP bis 2025. Und in die aufgekochte Debatte getauchte Umfragen zeigen, dass drei Viertel der Schweizer gegen den Bau neuer AKW sind. Und dass 52 Prozent der Deutschen alle Meiler sofort vom Netz nehmen würden.Kaum einer glaubt mehr daran, dass die Wissenschaft das Potenzial und die Fähigkeit hat, diese Probleme zu lösen. Als würden sich nur Schwindler mit der Atomproblematik auseinandersetzen – und nicht Geistesriesen.Über 320 000 Tonnen Brennelemente sind bis heute weltweit in den AKW verwendet worden. Bis sie keine Bedrohung mehr darstellen, müssen sie rund 250 000 Jahre gelagert werden. Das ist eine lange Zeit. Vor rund 250 000 Jahren begann sich in Afrika der Homo sapiens, der moderne Mensch, zu entwickeln. 250 000 Jahre sind vor allem ein Zeitraum, den man sich nicht vorstellen kann. Wir haben keine Ahnung, was dann sein wird. Wie wir auch keine Ahnung haben, was in 1000 Jahren sein wird. Oder in 100 Jahren. Keiner ahnte die Mondlandung Hatte 1909, als Louis Blériot als erster Mensch den Ärmelkanal im Flugzeug überquerte, jemand daran geglaubt, dass wir 60 Jahre später auf dem Mond stehen? War 1983, als das erste richtige Handy auf den Markt kam, 800 Gramm schwer und fast 4000 Dollar teuer, zu erwarten, dass 2010 weltweit 1,6 Milliarden Handys verkauft würden? Dass der Computer innert weniger Jahrzehnte den Fortschritt beschleunigt wie keine Maschine vorher? 1942 wurde die erste atomare Kettenreaktion in Gang gesetzt. Schon 12 Jahre später ging im russischen Obninsk das erste zivile Kernkraft-werk ans Stromnetz. Was für ein Tempo!Die Verzweiflung liegt ständig auf der Lauer. Besonders nach Katastrophen. Des Menschen höchste Kunst indes ist, Hoffnung und Zuversicht der Verzweiflung vorzuziehen. In den letzten hundert Jahren machte die Wissenschaft deshalb Fortschritte wie noch nie. Und in den nächsten hundert Jahren wird sie die noch grösseren Fortschritte machen. Man dürfte deshalb davon ausgehen, dass die Wissenschaft fähig ist, Antworten auf die Atomfragen zu finden.Mithilfe des Transmutationsverfahrens etwa. Ab 2023 soll im belgischen Mol die erste Anlage stehen und die industrielle Umsetzung anlaufen. Mit dem Ziel, das Teufelszeug Atommüll in schwächer und weniger lang strahlende Materie umzuwandeln.Wie Technik und Wissenschaft den neuen erneuerbaren Energien eine Zukunft verschaffen, so können sie es auch bezüglich Atomkraft. Wir sollten sie dabei mit ganzer Kraft unterstützen. Auch, weil schon 320 000 Tonnen abgebrannte Brennelemente vor sich hinstrahlen. Am Paul-Scherrer-Institut in Villigen wird die Welt der Elementarteilchen erforscht – hier die Synchrotron-Lichtquelle. Foto: PSI
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