Zoom: Fotomuseum WinterthurTilda Swintons Spiel mit den Geschlechtern
Die britische Schauspielerin hat eine Ausstellung kuratiert, die nun in der Schweiz gezeigt wird. Die Inspiration dazu kam von Virginia Woolf.

Orlando ist ein anmutiger Edelmann im England des 16. Jahrhunderts. Nach einem Schlaf, der sieben Tage dauert, erwacht er als Frau und führt sein Leben fort, als wäre nichts gewesen. Und zwar über vier Jahrhunderte hinweg: Orlando altert nicht.

Diese zauberhafte Person, die durch Geschlechter und Zeiten wandert, ist die Hauptfigur im Roman «Orlando» der englischen Schriftstellerin Virginia Woolf. Der Stoff galt lange als unverfilmbar – bis Regisseurin Sally Potter 1992 den Versuch wagte. Die Britin Tilda Swinton spielte damals die Hauptrolle mit der für sie typischen androgynen Eleganz.

Die Figur Orlando hat Tilda Swinton bis heute nicht losgelassen. Für die New Yorker Aperture Gallery kuratierte die Schauspielerin 2019 eine Ausstellung, die nun ins Fotomuseum Winterthur kommt. Swinton versammelt Werke zeitgenössischer Fotografinnen und Kunstschaffender, bei denen die Grenzen zwischen den Geschlechtern ebenso traumwandlerisch überschritten werden wie bei Virginia Woolf.


Die Fotografin Collier Schorr etwa dokumentierte über mehrere Jahre die Transition von Casil McArthur, der während dieser Zeit begann, nicht mehr als weibliches, sondern als männliches Model zu arbeiten. Während sich auf seinem Gesicht gleichzeitig männliche und weibliche Züge erkennen lassen, überblendet die Künstlerin Lynn Hershmann Leeson auf ihren Bildern gegengeschlechtliche Porträts und kreiert so Persönlichkeiten, die in keine Schublade passen.


Ebenso selbstverständlich, wie Orlando seinen Geschlechtswechsel annimmt, erscheint auf den ausgestellten Werken das ästhetische Spiel mit den Identitäten: Die queeren, nonbinären oder trans Personen sind befreit von Zuschreibungen und Kategorien. Darin steckt auch heute noch fast so viel revolutionäres Potenzial wie 1928, als Virginia Woolf ihren «Orlando» schrieb.


Fotomuseum Winterthur. Die Ausstellung «Orlando» dauert bis 29. Mai. www.fotomuseum.ch
Regula Fuchs schreibt über alles Mögliche in der Kultur und darüber hinaus - auch über Katzenleitern oder Klangkäse. Sie hat Germanistik, Theaterwissenschaft und Anglistik studiert und leitet das Ressort Kultur & Gesellschaft.
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