Krieg in der Ukraine im News-Ticker: Biden macht versehentlich Schweiz zum Nato-Kandidaten | Bernie Ecclestone: «Ich würde eine Kugel für Putin abfangen»
Krieg in der Ukraine im News-Ticker – Biden macht versehentlich Schweiz zum Nato-Kandidaten | Bernie Ecclestone: «Ich würde eine Kugel für Putin abfangen»
Russland führt Krieg gegen die Ukraine. Wir berichten laufend.
Das Wichtigste in Kürze:
Die russische Armee hat sich nach eigenen Angaben von der ukrainischen Schlangeninsel zurückgezogen. Der Schritt soll der Ukraine den Export von Getreide ermöglichen, heisst aus Moskau.
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski wird bei der Konferenz in Lugano zu Beginn der nächsten Woche online zugeschaltet sein.
Die britische Regierung kündigt weitere Militärhilfe für Kiew an.
Laut dem russischen Verteidigungsministerium befinden sich 6000 Soldaten aus der ukrainischen Armee in Kriegsgefangenschaft.
Russland sieht sich nach Worten von Präsident Wladimir Putin durch einen Nato-Beitritt von Finnland und Schweden nicht bedroht, werde aber militärische Gegenmassnahmen ergreifen.
Visuelle Übersicht – Der Ukraine-Krieg in Grafiken und Karten
Russland verschärft sein ohnehin schon vielfach kritisiertes Gesetz über «ausländische Agenten» deutlich. Zum «ausländischen Agenten» können künftig alle Organisationen oder Einzelpersonen erklärt werden, die aus dem Ausland unterstützt werden oder unter irgendeiner Form von «ausländischem Einfluss» stehen. Für das entsprechende Gesetz, das Anfang Dezember in Kraft treten soll, stimmte am Mittwoch das Parlament in Moskau. Bislang sah die russische Gesetzgebung vor, dass beispielsweise Nichtregierungsorganisationen nur dann zu «ausländischen Agenten» erklärt werden konnten, wenn sie sich mit Geldern aus dem Ausland finanzierten.
Kritiker warnen bereits seit Wochen vor der nun eingetretenen Verschärfung der rechtlichen Lage. Sie befürchten ein noch stärker politisch motiviertes Vorgehen der russischen Justiz gegen Oppositionelle und Andersdenkende, weil das neue Gesetz so schwammig formuliert ist. «Jetzt kann wirklich jeder zum «ausländischen Agenten» erklärt werden», kritisierte etwa das kremlkritische Nachrichtenportal Meduza, das selbst bereits seit Monaten in dem entsprechenden Register von Russlands Justizministerium gelistet ist (Lesen Sie auch zu Medien in Putins Russland: Die Selbstzensur, die Angst, der Tod).
Die ukrainische Armee und die russische Seite haben nach eigenen Angaben insgesamt knapp 300 Gefangene ausgetauscht. Das ukrainische Verteidigungsministerium in Kiew berichtete am Mittwochabend von 144 ukrainischen Soldaten, die wieder frei seien. Es handele sich um den grössten Gefangenenaustausch seit Kriegsbeginn vor mehr als vier Monaten. Der Separatistenführer Denis Puschilin wiederum sprach von ebenfalls 144 prorussischen und russischen Kämpfern, die aus ukrainischer Gefangenschaft entlassen worden seien.
Unter den freigelassenen ukrainischen Soldaten sind nach Angaben aus Kiew auch 95 Kämpfer, die bis vor einigen Wochen das schwer umkämpfte Stahlwerk Azovstal in der mittlerweile von den Russen eroberten Hafenstadt Mariupol verteidigten. Wiederum 43 von ihnen sollen dem Regiment Asow angehören.
Tausende ukrainische Kämpfer hatten das Asow-Stahlwerk wochenlang gegen die russische Armee verteidigt und sich in unterirdischen Tunneln der riesigen Anlage verschanzt. Mitte April ergaben sich schliesslich hunderte Kämpfer.
Nach Angaben der pro-russischen Separatisten wurden sie als «Kriegsgefangene» in die selbsternannte Volksrepublik Donezk gebracht. Ein Separatistenvertreter hatte Ende Mai gesagt, mindestens einem Teil von ihnen drohe die Todesstrafe (Lesen Sie zum Thema auch: Todesurteil gegen ausländische Kriegsgefangene schockiert Briten).

Die Nato hat die Aufnahme Finnlands und Schwedens in die Militärallianz auf den Weg gebracht. Die Staats- und Regierungschefs sprachen auf ihrem Gipfeltreffen in Madrid die offizielle Beitrittseinladung für die beiden Länder aus, wie aus der am Mittwoch veröffentlichten Gipfelerklärung hervorgeht. Die Türkei hatte zuvor nach wochenlangen Verhandlungen ihren Widerstand gegen die Norderweiterung der Allianz aufgegeben.
Nato-Gipfel in Madrid: Worum es beim wichtigsten Treffen seit Jahrzehnten geht

Die westlichen Verbündeten haben nach eigenen Angaben im Zuge der Sanktionen gegen Russland bisher persönliche Vermögenswerte im Wert von mehr als 30 Milliarden US-Dollar (28,5 Milliarden Franken) eingefroren.
Ausserdem sei Vermögen der russischen Zentralbank im Wert von etwa 300 Milliarden Dollar eingefroren worden, teilte das US-Finanzministerium am Mittwoch mit. Dies sei der Zusammenarbeit in der Task Force «Russische Eliten, Helfer und Oligarchen» zu verdanken, bei der die Europäische Union und die G7-Staaten Deutschland, Kanada, Frankreich, Italien, Japan, Grossbritannien und die USA sowie Australien kooperieren.
Infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine bauen die USA ihre Truppenpräsenz in Europa weiter aus.
US-Präsident Joe Biden sagte am Mittwoch bei einem Treffen mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg vor dem Gipfel des Bündnisses in Madrid: «Gemeinsam mit unseren Verbündeten werden wir dafür sorgen, dass die Nato in der Lage ist, Bedrohungen aus allen Richtungen und in allen Bereichen – zu Lande, in der Luft und auf See – zu begegnen.»
Die USA würden ihre Aufstellung auch weiterhin in enger Abstimmung mit den Verbündeten an die Bedrohungslage anpassen.

So werde beispielsweise in Polen ein Hauptquartier des V. US-Korps eingerichtet, sagte Biden. In den baltischen Staaten würden die im Rotationsprinzip eingesetzten Truppen verstärkt. Zwei zusätzliche Geschwader mit F-35-Kampfjets würden nach Grossbritannien entsandt. In Deutschland und Italien würden zusätzliche Kräfte zur Luftverteidigung stationieren. In Spanien werde die Zahl der US-Zerstörer von vier auf sechs erhöht.
Teilweise waren diese Schritte bereits zuvor bekannt. In den vergangenen Monaten haben die USA die Zahl ihrer Soldaten in Europa auf rund 100'000 erhöht.
Die Ukraine hat Russland schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen und eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht.
Konkret wirft die ukrainische Regierung Russland etwa gezielte und unverhältnismässige Angriffe auf Zivilisten vor. Laut Mitteilung des Gerichtshofs vom Dienstag monierte die Ukraine unter anderem Verstösse gegen das Recht auf Leben und den Schutz vor Folter.
Das Gericht informierte Russland über die vergangene Woche eingereichte Beschwerde seines Nachbarlandes. Ob sie zulässig ist, wird zu einem späteren Zeitpunkt entschieden. Russland will sich an Urteile des Strassburger Gerichtshof allerdings nicht mehr halten.
In seiner Beschwerde führte die Ukraine auf, dass Zehntausende Zivilisten verletzt, getötet oder verhaftet worden seien oder als vermisst gelten. Hunderttausende hätten ihr Zuhause oder ihren Besitz verloren, Millionen seien vertrieben worden. Die Angriffe auf Zivilisten seien vom russischen Militär, Separatisten oder russisch kontrollieren paramilitärischen Kräften verübt worden. Wirksame Untersuchungen der russischen Behörden habe es nicht gegeben.
Im Rahmen der Klage hatte das Gericht Russland bereits aufgefordert, Angriffe auf die Zivilbevölkerung zu unterlassen und humanitäre Korridore zu ermöglichen. Insgesamt fünf Staatenbeschwerden der Ukraine gegen Russland sind derzeit vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof anhängig.
Das von russischen Truppen besetzte Gebiet um die ukrainische Stadt Cherson bereitet laut der prorussischen Militärverwaltung ein Referendum für einen Beitritt zu Russland vor.
Das sagte der Vizechef der Militär- und Zivilverwaltung von Cherson, Kirill Stremoussow, in einem am Mittwoch beim Nachrichtendienst Telegram veröffentlichten Video. «Ja, wir bereiten uns auf ein Referendum vor – und wir werden es abhalten.» Cherson solle «ein vollwertiges Mitglied» Russlands werden. Nach früheren Angaben sollte es im Herbst stattfinden.
Am Dienstag war bekannt geworden, dass russische Besatzungstruppen den gewählten Bürgermeister der Grossstadt Cherson, Igor Kolychajew, festgenommen haben.
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vor vier Monaten gibt es immer wieder Berichte darüber, dass Moskau Referenden über einen Beitritt besetzter Gebiete an die Russische Föderation anstrebt. Kremlsprecher Dmitri Peskow hatte kürzlich gesagt, eine solche Entscheidung treffe nicht die russische Führung, sondern dies entschieden die Menschen in den Regionen unter russischer Kontrolle.
Allerdings geht die ukrainische Regierung davon aus, dass solche angeblichen Volksabstimmungen nach dem Vorbild der annektierten Krim sowie der ostukrainischen Separatistengebiete Luhansk und Donezk nur mit Zustimmung oder eher auf Anordnung Moskaus möglich sind.
Bei einem überraschenden Auftritt vor dem UNO-Sicherheitsrat hat der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski gefordert, Russland als «Terrorstaat» zu bestrafen. Russland müsse aus dem Sicherheitsrat ausgeschlossen werden, sagte Selenski, der bei einer kurzfristig anberaumten Sitzung am Dienstag in New York per Video zugeschaltet war.
Der ukrainische Präsident warf Russland nach dem Beschuss eines Einkaufszentrums in der Grossstadt Krementschuk, bei dem mindestens 20 Menschen ums Leben kamen, gezielte Angriffe auf ukrainische Zivilisten vor. «Es ist zwingend erforderlich, ein Tribunal einzurichten, um alles zu untersuchen, was das russische Militär gegen die Ukrainer getan hat», sagte Selenski.

Auch in seiner anschliessenden täglichen Videobotschaft wiederholte er die Terrorvorwürfe gegen Russland. Der Angriff gegen das Einkaufszentrum sei gezielt gewesen, um möglichst viele Menschen zu töten, sagte Selenski. Seinen Worten nach hat Russland seit Kriegsbeginn 2811 Raketen auf ukrainische Städte abgefeuert.
Russland dementiert
Russland reagierte verärgert auf den Auftritt Selenskis im UNO-Sicherheitsrat. Dieser sei im letzten Moment auf die Tagesordnung gesetzt und nicht mit allen Mitgliedern abgestimmt worden, klagte der stellvertretende russische UNO-Botschafter Dmitri Poljanski. Der russische Top-Diplomat sprach von einem Verstoss gegen die übliche Praxis der Arbeit im UNO-Sicherheitsrat.
Den Vorwurf eines Angriffs auf zivile Objekte stritt Poljanski ab. Zuvor hatte die russische Militärführung zwar den Beschuss von Krementschuk eingeräumt, zugleich aber dementiert, dabei das Einkaufszentrum getroffen zu haben. Vielmehr hätten die «Hochpräzisionsraketen» Hallen mit Munition und Waffen aus den USA und Europa getroffen. Erst deren Explosion habe das Feuer in dem «nicht mehr betriebenen Einkaufszentrum» ausgelöst, behauptete Armeesprecher Igor Konaschenkow.
Weitere Kämpfe im Donbass-Gebiet
Derweil gehen die Kämpfe im Osten des Landes mit unverminderter Härte weiter. Beide Seiten versuchen derzeit die Kontrolle über eine wichtige Versorgungsstrasse für die schwer umkämpfte ehemalige Grossstadt Lissitschansk zu gewinnen. Einen russischen Vorstoss auf die Ortschaft Spirne entlang dieser Strasse hat das ukrainische Militär nach eigenen Angaben zurückgeschlagen.
Lissitschansk werde dabei weiter ständig mit Mörsern und anderer Artillerie beschossen, teilte der Generalstab mit. Russische Truppen stehen bereits am Südrand der Stadt. Vertreter der prorussischen Separatisten berichteten zudem von Kämpfen bereits im Stadtgebiet. Die Verbindungen in die benachbarte Region Donezk stehen seit Tagen unter ständigem russischen Beschuss.
Deutschland und Niederlande sichern Ukraine weitere Waffen zu
Deutschland und die Niederlande haben entschieden, der Ukraine sechs weitere Modelle der Panzerhaubitze 2000 zu liefern. Das sagten die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht und ihre niederländische Amtskollegin Kasja Ollongren am Dienstag am Rande des Nato-Gipfels in Madrid. Damit wird die Ukraine nun insgesamt 18 Stück des Waffensystems erhalten – eine ausreichend grosse Zahl für ein komplettes Artilleriebataillon. Knapp vier Monate nach Kriegsbeginn waren in der vergangenen Woche mit diesen Artilleriegeschützen die ersten schweren Waffen aus Deutschland in der Ukraine eingetroffen.
Nato-Beitritt von Schweden und Finnland rückt näher
Für Moskau ebenfalls unangenehm: Der Nato-Beitritt von Schweden und Finnland rückt näher. Nachdem sich die Türkei zuletzt noch vehement gegen die Erweiterung der Militärallianz um die nordischen Staaten ausgesprochen hatte, lenkte sie nun ein. «Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass wir jetzt ein Abkommen haben, das Finnland und Schweden den Weg zum Nato-Beitritt ebnet», sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg am Dienstagabend nach einem Treffen mit Schwedens Ministerpräsidentin Magdalena Andersson, dem finnischen Präsidenten Sauli Niinistö und seinem türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan. Dies sende die deutliche Botschaft an Russlands Präsidenten Wladimir Putin, dass die Tür der Nato offen ist.

Das wird am Mittwoch wichtig
In Madrid beginnt am Mittwoch offiziell der Nato-Gipfel, der ganz im Zeichen des russischen Kriegs gegen die Ukraine steht. Bei dem zweitägigen Gipfel will die Militärallianz unter anderem die Stärkung ihrer Ostflanke und ein neues strategisches Konzept beschliessen.
Putin reist derweil im Rahmen seiner ersten Auslandsreise nach Kriegsbeginn nach Turkmenistan in Zentralasien. Dort treffen sich die Staatschefs der Anrainerstaaten des Kaspischen Meeres zu einem Regionalgipfel – neben Russland sind dies der Iran sowie die ehemaligen Sowjetrepubliken Kasachstan, Turkmenistan, Aserbaidschan.
Kurz vor dem Nato-Gipfel hat Litauens Staatspräsident Gitanas Nauseda nochmals auf eine stärkere Nato-Präsenz im östlichen Bündnisgebiet gepocht. Angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine müsse bei dem Spitzentreffen in Madrid der Übergang von Abschreckung zur Vorwärtsverteidigung vollzogen werden, sagte Nauseda der Deutschen Presse-Agentur in einem Interview in Vilnius. Die bisherige Nato-Stolperdrahtlogik zur Verteidigung des Baltikums sei nicht mehr tragfähig. Notwendig seien mehr Bodentruppen in den baltischen Staaten und an der Nato-Ostflanke, sagte der litauische Staatschef. Auch Luftverteidigung statt Luftüberwachung sei nötig.
Konkret erwartete Nauseda Formulierungen in den Gipfelbeschlüssen, wonach die bestehenden multinationalen Nato-Gefechtsverbände den Mitgliedstaaten an der Ostflanke bis auf Brigade-Niveau aufgestockt werden.

Seit 2017 ist in dem an die russische Exklave Kaliningrad und an Russlands Verbündeten Belarus grenzenden Litauen ein Nato-Bataillon mit derzeit etwa 1600 Soldaten stationiert. Angeführt wird es von der deutschen Bundeswehr, die mit gegenwärtig mehr als 1000 Einsatzkräften das grösste Truppenkontingent stellt. Eine Brigade besteht in der Regel aus etwa 3000 bis 5000 Soldaten.
Die sicherheitspolitische Lage seines Landes bezeichnete Nauseda als so angespannt wie noch nie seit der wiedererlangten Unabhängigkeit Litauens vor gut 30 Jahren. Neben der Bedrohung durch Russland sei ein weiterer Faktor Weissrussland, das «kein unabhängiges Land mehr» sei und auf dessen Gebiet sich russische Truppen frei bewegen könnten. Damit könnten sie schnell an die Grenze zu Polen und den baltischen Staaten vorrücken. Daher sollte die Abschreckung der Nato auf einer Vorwärtsverteidigung beruhen, betonte Nauseda.
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat nach dem Raketeneinschlag in einem Einkaufszentrum Russland den gezielten Angriff auf das zivile Objekt vorgeworfen. «Die russische Rakete hat genau dieses Objekt getroffen. Zielgerichtet. Offensichtlich gab es so einen Befehl», sagte Selenski in seiner täglichen Videoansprache in der Nacht zum Mittwoch. Ziel sei es gewesen, so viele Menschen wie möglich zu töten. Zur Untermauerung seiner Vorwürfe zeigte er Videoaufnahmen des Einschlags in der Stadt Krementschuk.
Das russische Verteidigungsministerium – und später auch der russische Aussenminister Sergei Lawrow – hatte einen gezielten Beschuss des Einkaufszentrums abgestritten. Die von Moskau abgefeuerten «Hochpräzisionsraketen» hätten Fabrikhallen in Krementschuk getroffen, in der westliche Waffen und Munition lagerten. Deren Explosion habe das Feuer in dem «nicht mehr betriebenen Einkaufszentrum» ausgelöst, sagte der russische Armeesprecher Igor Konaschenkow.
US-Präsident Joe Biden hat das Ende des türkischen Widerstandes gegen einen Beitritt Schwedens und Finnlands zur Nato begrüsst. Biden erklärte in der Nacht zu Mittwoch, er gratuliere den drei Ländern für die getroffene Abmachung, in der Ankara eine Unterstützung von Stockholms und Helsinkis Beitrittsbestrebungen zusichert. «Finnland und Schweden sind starke Demokratien mit sehr fähigen Streitkräften», erklärte der US-Präsident. «Ihre Mitgliedschaft wird die kollektive Sicherheit der Nato stärken und dem gesamten transatlantischen Bündnis zugute kommen.»
Mit Blick auf den am Mittwoch beginnenden Nato-Gipfel in Madrid erklärte Biden, das westliche Militärbündnis sei «stärker, vereinter und entschlossener als jemals zuvor».

Der britische Premier Boris Johnson hält das Verhalten des russischen Präsidenten Wladimir Putin für ein gutes Beispiel toxischer Männlichkeit, also einem auf Gefühllosigkeit, Härte und auch Aggressivität basierendem Rollenbild.

«Wenn Putin eine Frau wäre, glaube ich einfach nicht, dass er so einen machohaften Krieg vom Zaun gebrochen hätte», sagte Johnson am Dienstag in einem ZDF-Interview laut Übersetzung des Senders. «Wenn sie ein sehr gutes Beispiel haben wollen von toxischer Männlichkeit, dann haben wir das in seiner Person vor uns.»
In einer überraschenden Botschaft vor dem UNO-Sicherheitsrat hat der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski ein Vorgehen gegen Russland wegen dessen Angriffe auf die Ukraine gefordert. Russland könne nicht im Rat bleiben, solange sein «Terrorismus» vor allem gegen ukrainische Zivilisten anhalte, sagte Selenski, der bei einer kurzfristig anberaumten Sitzung am Dienstag in New York per Video zugeschaltet war. Er forderte vom UNO-Sicherheitsrat, den Begriff eines Terrorstaats zu definieren, um Russlands Handlungen entsprechend einzuordnen.
«Es ist zwingend erforderlich, ein Tribunal einzurichten, um alles zu untersuchen, was das russische Militär gegen die Ukrainer getan hat», sagte Selenski. Der ukrainische Präsident zählte dabei eine Reihe von Angriffen der russischen Seite auf, bei der Unbeteiligte – unter anderem Kinder und Senioren – getötet worden seien. Zum Ende seiner Rede bat er um eine Schweigeminute. Die Beratungen des mächtigsten UNO-Gremiums, in dem Russland eine von fünf Vetomächten ist, waren nach dem mutmasslich russischen Angriff auf ein Einkaufszentrum einberufen worden. Dabei starben in der zentralukrainischen Stadt Krementschuk letzten Angaben zufolge mindestens 20 Menschen – Dutzende wurden verletzt, einige schwer.
Russland hat als ständiges Mitglied des Sicherheitsrats verärgert auf den Auftritt Selenskis reagiert. Dieser sei im letzten Moment auf die Tagesordnung gesetzt und nicht mit allen Mitgliedern abgestimmt worden, klagte der stellvertretende russische UNO-Botschafter Dmitri Poljanski. Der russische Top-Diplomat sprach von einem Verstoss gegen die übliche Praxis der Arbeit im UNO-Sicherheitsrat.
Die Türkei hat ihren Widerstand gegen die Aufnahme von Schweden und Finnland in die Nato aufgegeben. Die Türkei werde während des Nato-Gipfels in Madrid die Einladung an Finnland und Schweden unterstützen, Bündnismitglied zu werden, teilte der finnische Präsident Sauli Niinistö (Bild) am Dienstag mit.

Ein entsprechendes Memorandum sei nach einem Treffen mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, Schwedens Ministerpräsidentin Magdalena Andersson und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan unterzeichnet worden. Im Nato-Streit habe die Türkei «bekommen, was sie wollte», heisst es aus Ankara.
Die Türkei hatte ihre Blockadehaltung mit der angeblichen schwedischen und finnischen Unterstützung von «Terrororganisationen» wie der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, der syrischen Kurdenmiliz YPG und der Gülen-Bewegung begründet – in Stockholm und Helsinki wird das zurückgewiesen. Ankara forderte die Auslieferung mehrerer Menschen, die in der Türkei unter Terrorverdacht stehen.
Erdogan ging es darüber hinaus um die Aufhebung von Beschränkungen für Waffenexporte in die Türkei. Nato-Partner wie Deutschland, aber auch andere EU-Länder wie Schweden haben aus Protest gegen eine türkische Offensive gegen die YPG in Nordsyrien im Jahr 2019 Rüstungslieferungen in die Türkei teilweise gestoppt. Die Türkei betrachtet das als Affront, da sie den Einsatz in Syrien als notwendigen Schritt im Kampf gegen den Terrorismus ansieht.
Stoltenberg versuchte zuletzt, zwischen der Türkei und den beiden möglichen künftigen Mitgliedern zu vermitteln. Er betonte mehrmals, dass man die türkischen Einwände ernstnehmen müsse – offenbar wurde das nun getan.
Der neue britische Armeechef Patrick Sanders hat als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine eine Mobilisierung der Truppen gefordert und die Situation mit der Lage kurz vor dem Zweiten Weltkrieg verglichen. «Dies ist unser 1937-Moment», sagte Sanders in einer Rede im Royal United Services Institute (RUSI) am Dienstag in Anspielung auf den Kampf der Alliierten gegen Nazi-Deutschland.
«Wir befinden uns nicht im Krieg», sagte Sanders, der seit Juni Generalstabschef der britischen Streitkräfte ist. «Doch wir müssen schnell handeln, damit wir nicht in einen solchen hineingezogen werden, weil es uns nicht gelingt, die territoriale Ausweitung einzudämmen.» Es sei gefährlich anzunehmen, dass Russlands Aggression bei der Ukraine ende, fügte er hinzu. Russland werde künftig eine noch grössere Gefahr für die Sicherheit Europas darstellen.
Moskaus Angriff auf das Nachbarland sei eine «deutliche und gegenwärtige Gefahr» für die «westlichen Prinzipien der Souveränität und Demokratie», sagte Sanders. Grossbritanniens Streitkräfte müssten mit einer schnelleren Modernisierung und erhöhten Kampfbereitschaft an der Seite der Nato auf die aktuelle Lage reagieren.
Sanders nannte den am Mittwoch in Madrid beginnenden Nato-Gipfel eine Gelegenheit für Grossbritannien, sein «anhaltendes Engagement für unsere Verbündeten» zu demonstrieren und bei der Mobilisierung der Armee «mit gutem Beispiel voranzugehen».
Die Nato hatte am Montag angekündigt, mehr als 300'000 Streitkräfte des Bündnisses in erhöhte Bereitschaft zu versetzen. Stoltenberg sprach von der «grössten Neuaufstellung unserer kollektiven Verteidigung und Abschreckung seit dem Kalten Krieg».
Russland hat sich nach eigenen Angaben keine Frist für ein Ende seines Angriffskriegs gegen die Ukraine gesetzt. Auf die Frage eines Journalisten, ob es einen ungefähren Zeitrahmen für den in Moskau als «militärische Spezial-Operation» bezeichneten Krieg gebe, antwortete Kremlsprecher Dimitri Peskow am Dienstag der Agentur Interfax zufolge: «Nein.»
Zuvor hatte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski laut Teilnehmerkreisen beim G7-Gipfel in Bayern gesagt, dass er auf ein Ende der Invasion noch in diesem Jahr hoffe. Er verwies dabei auf die Härten des Winters, die Gefechte erschwerten.

Dazu sagte Peskow der Agentur Interfax zufolge: «Die ukrainische Seite kann alles vor Ablauf des Tages beenden.» Dafür müssten die Bedingungen der russischen Seite erfüllt werden. «Es muss ein Befehl an die nationalistischen Einheiten und an das ukrainische Militär ergehen, die Waffen niederzulegen», sagte der Kremlsprecher.
Als Reaktion auf die von der Nato geplante Aufstockung ihrer schnellen Eingreifkräfte will Russland seine westliche Grenze weiter stärken. Vor dem Hintergrund neuer Gefahren entwickele das Verteidigungsministerium entsprechende Pläne, sagte Kremlsprecher Dimitri Peskow am Dienstag in Moskau der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Details nannte er nicht. «Die Nato ist ein aggressiver Block, ein Block, der zu Konfrontationszwecken geschaffen wurde.»
Russland wirft dem westlichen Militärbündnis vor, mit seiner Infrastruktur in Richtung der russischen Grenze vorzurücken. Russland hat etwa eine mehr als 1300 Kilometer lange Grenze zu Finnland. Das Land will ebenso wie Schweden in die Nato.

Die Nato hatte am Montag angekündigt, vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs die Zahl ihrer schnellen Eingreifkräfte von rund 40'000 auf mehr als 300'000 zu erhöhen. Dazu wird auch die bisherige Nato-Eingreiftruppe NRF umgebaut. Sie ist wegen der Spannungen mit Russland seit mehreren Monaten in Alarmbereitschaft.
Russland würde seine Offensive gegen die Ukraine nach Kreml-Angaben im Fall einer Kapitulation Kiews sofort beenden. «Die ukrainische Seite kann alles noch vor dem Ende des heutigen Tages stoppen», sagte Kreml-Sprecher Dimitri Peskow am Dienstag in Moskau vor Journalisten. Dafür sei «ein Befehl an die nationalistischen Einheiten», «an die «ukrainischen Soldaten zur Niederlegung ihrer Waffen» notwendig. Kiew müsse zudem alle russischen Bedingungen erfüllen. «Dann wäre alles binnen eines Tages vorbei.»
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hatte von den G7-Staaten am Montag eine Kraftanstrengung gefordert, um den Konflikt in seinem Land noch dieses Jahr zu beenden. Peskow sagte dazu am Dienstag, Russland habe sich keine Zeitpläne oder Fristen gesetzt. «Wir orientieren uns an den Aussagen unseres Präsidenten.» Der «militärische Spezialeinsatz» verlaufe «planmässig», sagte der Kreml-Sprecher.
Der deutsche Kanzler Olaf Scholz hat der Ukraine die Unterstützung durch die G7-Runde der führenden demokratischen Wirtschaftsmächte versichert. Die G7-Nationen stünden «eng und unverbrüchlich an der Seite der Ukraine», sagte Scholz am Dienstag zum Abschluss des G7-Gipfels im bayerischen Elmau. «Wir unterstützen das Land bei seiner Verteidigung und bieten ihm eine Perspektive für die Zukunft an.»
Scholz sprach von einem wichtigen G7-Gipfel in einer ganz besonderen Zeit. Das Treffen habe auf beeindruckende Weise die Geschlossenheit und Entschlossenheit gezeigt, der russischen Aggression entgegenzutreten. 125 Tage lang führe Russland nun schon Krieg gegen die Ukraine, sagte der Bundeskanzler. Als Gruppe der wirtschaftlich starken Demokratien verurteile die G7 diesen erbarmungslosen Krieg.
Der Raketenangriff auf ein Einkaufszentrum in der ukrainischen Stadt Krementschuk mit vielen Toten und Verletzten an diesem Montag sei erneut der Beweis, dass der russische Präsident Wladimir Putin «seine brutale Aggression gegenüber der Bevölkerung beibehält», kritisierte Scholz.
Russland hat Einreiseverbote gegen die Ehefrau und die Tochter von US-Präsident Joe Biden sowie 23 weitere US-Amerikaner verhängt. Die Strafmassnahme gegen First Lady Jill Biden und Tochter Ashley und die weiteren US-Bürger sei eine Reaktion auf von den USA beschlossene Sanktionen, teilte Moskau am Dienstag mit. Für den US-Präsidenten gilt bereits ein Einreiseverbot.
Die Liste umfasst auch den Anführer der oppositionellen Republikaner im Senat, Mitch McConnell, weitere Senatorinnen und Senatoren wie Charles Grassley, Kirsten Gillibrand und Susan Collins sowie Universitätsprofessoren wie Francis Fukuyama. Die USA hatten zuvor ihrerseits Sanktionen gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin und dessen Familienmitglieder verhängt, darunter seine beiden Töchter.

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