Tibeter demonstrierten gegen Chinas Regime
Rund 400 Exil-Tibeter und ihre Unterstützer haben am Sonntagmorgen anlässlich des Besuchs des chinesischen Präsidenten Xi Jinping auf dem Waisenhausplatz demonstriert.
Die Aktivisten forderten mehr Menschenrechte in Tibet und den Start eines Dialogs zwischen der chinesischen Regierung und dem Dalai Lama. «Xi Jinping: Stopp Folter in Tibet» und «Bringen wir Schweizer Demokratie nach Tibet und China» stand unter anderem auf den Transparenten der Demonstranten.
Farbenbespritzter Teppich aus WC-Papier
Der tibetische Künstler Loten Nambling hat am Anlass auf seine eigene Art demonstriert. Auf einem Teil des Waisenhausplatzes hat er einen weissen Teppich aus Toilettenpapier für den chinesischen Präsidenten ausgerollt und mit Farbe bespritzt.
Die roten Farbtupfer sollten das Blut darstellen, das zahlreiche Tibeter unter der Repression Chinas vergiessen mussten, sagte Loten Nambling der Nachrichtenagentur sda. Die schwarzen Tupfer bedeuten den Schmutz, den China in die Umwelt Tibets gebracht hat. Das weisse Toilettenpapier sei zudem ein Symbolbild für den weissen Schal, der im Tibet traditionell zur Begrüssung verschenkt wird.
Der Berner Aktivist und Weltmusiker Loten Namling mit seiner blutgetränkten Papier-Performance. Video: Jürg Spori
Mit ihrer Kundgebung will die Gemeinschaft der Exil-Tibeter auf das Schicksal ihrer Landsleute aufmerksam machen, von denen sich eine grosse Zahl in chinesischer Haft befinden. Die Gemeinschaft spricht von 2000 politischen Gefangenen in Tibet seit 1992. Zudem seien seit 2009 145 Fälle bekannt, in denen sich Tibeterinnen und Tibeter aus Verzweiflung und Protest selbst verbrannten.
In einem Appell forderten die Tibeter und ihre Unterstützer Xi unter anderem auf, den Dialog mit dem Dalai Lama aufzunehmen, die Folter tibetischer Gefangener sofort einzustellen und den internationalen Organisationen wie beispielsweise der UNO Zugang zu allen Regionen Tibets zu erlauben, um sich ein Bild von der Situation zu machen.
Tibetische Gesänge auf dem Waisenhausplatz: Es wird die tibetische Nationalhymne gesungen. Video: Jürg Spori
Unterstützer des Appells sind alle vier tibetischen Organisationen der Schweiz. «Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten hat uns versichert, dass sie den Appell an die chinesischen Behörden weiterleiten werden», sagte Thomas Büchli, Präsident der Gesellschaft Schweizerisch-Tibetische Freundschaft GSTF, der Nachrichtenagentur sda.
Mann übergiesst sich mit Flüssigkeit
Gemäss der Kantonspolizei Bern übergoss sich am Rande der Veranstaltung ein Tibeter mit einer brennbaren Flüssigkeit. Der Mann sei von der Polizei festgehalten worden und nach bisherigen Kenntnissen unverletzt, sagte Christoph Gnägi, Kapo-Mediensprecher auf Anfrage. Der Mann sei zur Sicherheit ins Spital gebracht worden.
Friedlicher Protest seit über 60 Jahren
Die Tibeter seien seit mehr als 60 Jahren friedlich am protestieren, sagte Büchli. Das wichtigste sei, dass Tibet nicht vergessen gehe. Seine Enttäuschung über die fehlende Unterstützung in der internationalen Volksgemeinschaft konnte er dabei nicht verbergen.
Für die Schweiz hatte er aber nur lobende Worte übrig. In seiner Rede bedankte er sich bei den Berner Behörden, die «uns viel Sympathie entgegenbrachten». Büchli erhofft sich, dass die Schweiz in einem allfälligen künftigen Dialog eine Art Mediatorenrolle einnehmen könnte.
Protestrufe gegen Chinas Präsident Xi Jinping. Video: Jürg Spori
Im Vorfeld zu reden gab die Verlegung der Demonstration weg vom Bundeshaus. Zudem fand der Anlass vor dem Eintreffen des chinesischen Präsidenten statt. Denn ein Debakel wie jenes beim letzten chinesischen Staatsbesuch 1999 wollten die Berner Behörden auf alle Fälle verhindern.
Damals haben Tibeter und ihre Demonstranten direkt vor dem Bundeshaus lautstark demonstriert und unter anderem Transparente mit Luftballons von einem umliegenden Dach steigen lassen. Der damalige chinesische Präsident Jiang Zemin geriet daraufhin so sehr in Rage, dass er den Empfang vor dem Bundeshaus platzen liess und den anwesenden Bundesräten eine Standpauke hielt.
Rytz: Sicherheitsvorkehrungen sind übertrieben
«Die verlängerten Ohren Xi Jinpings hören uns bestimmt bis zum Waisenhausplatz», ist Büchli jedoch überzeugt. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) haben die Schweizer Behörden im Vorfeld stark kritisiert.
Auch Grünen-Nationalrätin Regula Rytz bezeichnete die Sicherheitsvorkehrungen als übertrieben. Sie würden die Gepflogenheiten der Schweizer Demokratie unterschlagen, sagte sie gegenüber der sda.
Das wichtigste sei jedoch, dass die Argumente der Demonstranten gehört werden. Rytz ist Mitglied der parlamentarischen Gruppe Schweiz Tibet und war eine der Sprecherinnen an der Demonstration.
«Politische Ideen an China verkauft»
Etwas radikaler tönte es aus dem Verein Tibeter Jugend in Europa VTJE. Die Mitglieder werfen den Behörden vor, Tibeter in der Schweiz zu zensieren und undemokratisch zu handeln. «Unsere politischen Ideen als schweizerische Nation werden an China verkauft für einen kurzfristigen wirtschaftlichen Handel, der es offensichtlich nicht wert ist», sagte Migmar Dhakyel, Mitglied des Vereins und Mediensprecherin der Aktionsgruppe am Sonntag.
Tibet liegt auf einem Hochplateau nördlich des Himalaya. Der einst selbstständige Staat wird von China als so genannte Autonome Region Tibet verwaltet. Seit der Besetzung 1950 wehrt sich das Volk gegen die chinesische Fremdherrschaft.
SDA/jsp/chh
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