Thun ist interessiert – geht aber nicht voran
Die Stadt Thun geht Fusionen nicht offensiv an – ist aber «offen», wie Raphael Lanz betont. Und: Der Stadtpräsident will die Wirtschaftsförderung regionalisieren.

«Grundsätzlich sind wir offen für die Prüfung einer Fusion», sagt Thuns Stadtpräsident Raphael Lanz (SVP) auf Anfrage. Er weist aber auf die Situation der Stadt als grösster Gemeinde im Gebilde und die damit zusammenhängende Zurückhaltung hin.
Würde Thun selber solche Ideen lancieren, könne dies rasch so aufgefasst werden: «Die wollen uns vereinnahmen und majorisieren.» Für Lanz ist klar, dass eine enge Zusammenarbeit gerade raumplanerisch Sinn ergibt.
Einen weiteren positiven Effekt sähe er darin, dass das Gewicht eines Grossthun gerade im Kanton stark vergrössert würde. Auch dass ein mit den umliegenden Gemeinden fusioniertes Thun wieder in die Top 10 der grössten Schweizer Städte aufsteigen würde, könne durchaus eine Rolle spielen. «Aber eine solche Fusion nur der Grösse wegen ist nicht erstrebenswert.»
Vom Finanziellen her sei er zudem «nicht überzeugt, dass grösser immer gleich besser und günstiger ist». Bürgerinnen und Bürger müssten sich mit der Gemeinde identifizieren können – «man kann nicht alles auf dem Reissbrett machen».
Emotionale Bindungen gingen zum Teil verloren – auch wenn dies etwa im vor über hundert Jahren eingemeindeten Goldiwil nicht der Fall gewesen sei: «Dort gibt es nach wie vor eine starke Identifikation mit dem Dorf.» Trotzdem gebe es Argumente, «die man sehr ernst nehmen muss, die gegen grosse Gebilde sprechen». Und: Er glaube nicht daran, dass ein grosser Wurf mit nur noch einer Gemeinde eine Mehrheit finden würde.
Stapi stellt Antrag
Lanz betont jedoch die Wichtigkeit einer guten Zusammenarbeit in der Region. So werde er in der nächsten Sitzung des Wirtschaftsraums Thun den Antrag stellen, die Wirtschaftsförderung zu regionalisieren. Denn: «Wir stellen fest, dass die Gemeindegrenzen für eine Firma, die sich hier entwickeln oder hierherziehen will, nicht absolut entscheidend sind.»
Vielmehr gehe es um eine Fläche, welche die Firma sinnvoll nutzen könne. Es mache Sinn, hier den Regionalgedanken noch mehr zu leben, denn eine prosperierende regionale Wirtschaft nütze unabhängig von Gemeindegrenzen dem ganzen Wirtschaftsraum Thun.
Regierungsstatthalter: Fusionen nur unter bestimmten Bedingungen
Zimmerwald und Englisberg, Riggisberg und Rüti: Als der Thuner Regierungsstatthalter Marc Fritschi noch für das Amt Seftigen zuständig war, begleitete er die beiden Fusionsprozesse, bei denen aus vier Gemeinden zwei wurden. Für ihn ist klar: Erfolgreiche Zusammenschlüsse von Gemeinden können nicht von oben herab diktiert werden.
«Sie müssen von unten kommen, also einem Bedürfnis der Einwohnerinnen und Einwohner entgegenkommen», hält Fritschi fest. «Ein Auslöser für diese beiden Fusionen war das Ziel, weite Schulwege der Kinder in andere Gemeinden vermeiden zu können.» Fritschi spricht sich gegen Zwangsfusionen aus: «Ein verordneter Zusammenschluss gefährdet die basisdemokratische Teilnahme. Die Leute ziehen sich aus der Politik zurück und gehen nicht mehr abstimmen.»
Bei seiner Arbeit konnte Marc Fritschi immer wieder feststellen, dass sehr viele kleine Gemeinden ihre Aufgaben «gut und günstig» erfüllen. Fusionen machen in seinen Augen Sinn, wenn sich zwei Gemeinden unterschiedlicher Grösse und zusammenschliessen. «Aber es besteht dabei die Gefahr, dass die Fusion die Steuerzahler belastet, weil der Standard der kleineren, finanziell schwächeren Gemeinde demjenigen der grösseren, finanziell stärkeren angepasst wird.»
Fritschi glaubt nicht, dass bei der Zusammenlegung von gleich grossen Gemeinden Geld gespart werden kann. «Der Aufwand nimmt exponentiell zu, weil es mehr Personal, mehr Hierarchie, mehr Sitzungen und mehr zu koordinieren gibt.» Doch heisst es nicht immer wieder, durch die Zusammenlegung von Gemeinden könnten Synergien genutzt werden, da durch eine Zusammenarbeit alle voneinander profitieren?
«Im Gegenteil», kontert Marc Fritschi. «Die grösste Nutzung von Synergien geschieht dort, wo eine Person mehrere Funktionen innehat – wie es beim Gemeindeschreiber in kleinen Gemeinden oft der Fall ist. Wenn die Funktionen auf mehrere Personen aufgesplittet werden, steigt der Koordinationsbedarf.»
Fritschi sieht keinen Anlass
Was denkt der Thuner Regierungsstatthalter über eine Grossfusion von Thun, Hilterfingen, Steffisburg, Heimberg, Thierachern, Amsoldingen und Zwieselberg? «Ich sehe dazu keinen Anlass», bringt es Marc Fritschi auf den Punkt. «Ob die Leute mit ihrer momentanen Situation zufrieden sind, ist der Indikator, ob eine Fusion Sinn machen und funktionieren kann.»
In den erwähnten sieben Gemeinden habe er nie das Gefühl gehabt, dass die Leute eine solche Änderung herbeiwünschen würden. «Gegen eine Grossfusion spricht für mich zudem, dass die Verantwortung nicht mehr am Ort bleibt.» Mit anderen Worten: Wer in einer Exekutive oder einer Verwaltung Entscheidungen fällen muss, lässt besondere Sorgfalt walten, wenn die Betroffenen in unmittelbarer Nähe leben.
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