Als zweite Schweizer StadtThun führt vorgeburtlichen Mutterschaftsurlaub definitiv ein
Mitarbeiterinnen der Stadt wird neu ein dreiwöchiger vorgeburtlicher Mutterschaftsurlaub gewährt. Auslöser war ein Postulat im Stadtrat.

«Mit der neuen Regelung können wir unsere Position als attraktive, familienfreundliche und fortschrittliche Arbeitgeberin weiter stärken und uns im Arbeitsmarkt gegenüber der Konkurrenz abheben», sagt die Thuner Gemeinderätin Andrea de Meuron (Grüne). Die Vorsteherin der Direktion Finanzen Ressourcen Umwelt spricht damit den vorgeburtlichen Mutterschaftsurlaub an. Wie die Stadt am Dienstag mitteilte, hat die Regierung an ihrer letzten Sitzung beschlossen, einen solchen Urlaub von drei Wochen einzuführen.
Am Ursprung der Neuerung steht eine entsprechende Motion, welche die Stadtratsfraktionen SP und Grüne/Junge Grüne im März 2022 eingereicht hatten; im September wurde der Vorstoss dann vom Parlament als Postulat angenommen. Laut der Mitteilung der Stadt habe der Gemeinderat «grosses Verständnis für das Begehren».
Erste Stadt im Kanton Bern
In Westeuropa ist die Schweiz das einzige Land, das keinen vorgeburtlichen Mutterschutz kennt; anderswo reicht das Spektrum von zwei (Irland) bis elf Wochen Urlaub (Grossbritannien). Hierzulande arbeiten viele Frauen bis knapp vor der Geburt oder müssen sich krankschreiben lassen. Dank der neuen Regelung nehme die Stadt Thun «im schweizweiten Vergleich eine Vorreiterrolle ein und setzt ein wichtiges Zeichen», heisst es. Die Ruhephase vor der Geburt wirke sich laut Fachleuten positiv auf die Gesundheit der Mutter und des Kinds aus.
Aktuell laufen in mehreren Schweizer Städten Bestrebungen für die Einführung eines vorgeburtlichen Mutterschutzes. Umgesetzt wurde er aber erst in der Stadt Luzern, wo die angepasste Personalverordnung per 1. Januar 2023 in Kraft getreten ist. Dort werden vor der Geburt ebenfalls drei Wochen gewährt.
Im Kanton Bern ist die Stadt Thun dagegen die erste, in der die Neuerung nun greift. Jüngst wurde in Burgdorf einem entsprechenden Vorstoss zugestimmt; in der Stadt Bern indes wurde das Referendum ergriffen und im Grossen Rat wiederum wurde das Ansinnen abgelehnt. Im Bundeshaus wird ein vorgeburtlicher Urlaub erst geprüft.
Keine Mehrkosten für Stadt
Um die Neuerung personalrechtlich zu verankern, wird der Thuner Gemeinderat die Verordnung über die Lohnansprüche bei Dienstausfällen teilrevidieren. Demnach sollen die Mitarbeiterinnen den vorgeburtlichen Mutterschaftsurlaub frühestens drei Wochen vor dem ärztlich errechneten Geburtstermin antreten können. Ein Nachbezug nach der Geburt des Kinds soll nicht möglich sein. Am bezahlten Mutterschaftsurlaub von 16 Wochen nach der Geburt ändert sich nichts. «Die Verordnung soll per 1. Juni 2023 in Kraft treten», schreibt die Stadt.
Auf Anfrage hält Gemeinderätin Andrea de Meuron fest, dass der Gemeinderat stets drei Wochen angepeilt habe. «Auf Basis der bisher gemachten Erfahrungen und mit Blick auf die Kosten erschien uns diese Zeitspanne sinnvoll», sagt de Meuron. Auch mit Blick über die Landesgrenze hinaus entspreche dieser Wert weder dem absoluten Minimum noch dem Maximum.
Bislang fallen pro Jahr im Schnitt sieben Mitarbeiterinnen der Stadtverwaltung während der Schwangerschaft (teilweise) krankheitsbedingt aus. Dies verursacht Kosten von 68'300 Franken. «Mit der Einführung des dreiwöchigen vorgeburtlichen Mutterschaftsurlaubs ergeben sich keine Mehrkosten», resümiert die Stadt. Die Gesamtkosten dürften ungefähr im gleichen Rahmen bleiben, sich aber anders aufteilen.
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