Thorberg-Direktor Egger hat genug
Nach teilweise heftiger Kritik tritt Thorberg-Direktor Thomas Egger per Ende Jahr zurück. Polizeidirektor Philippe Müller begrüsst den Entscheid. Auch beim zuständigen Amt für Justizvollzug kommt es zu einem Abgang.

Thomas Egger konnte 2015 nicht wissen, wie sehr er den Nagel auf den Kopf treffen sollte. Damals, kurz nach seinem Amtsantritt als neuer Direktor des Gefängnisses auf dem Thorberg, sprach er in einem Interview darüber, was ihn in den nächsten Jahren erwarten könnte. So sagte er etwa, dass er sich nun zuerst beweisen wolle und seine Mannschaft überzeugen müsse, auf ihn zu hören. Und er kündigte an, dass ihn einige seiner Mitarbeiter wohl auch zum Teufel wünschen würden.
Er sollte mit allem recht behalten.
Am Dienstag, kurz nach zehn Uhr im Sitzungszimmer 7 im Berner Rathaus. Thomas Egger sitzt an einem grossen Tisch vor den Medien. Neben ihm haben FDP-Regierungsrat Philippe Müller, Karl-Heinz Vogt, Psychologe und Coach, sowie Romilda Stämpfli, Vorsteherin des Amts für Justizvollzug (AJV), Platz genommen.
Irgendwann ist Egger an der Reihe mit seiner Rede. Dann kommt er zur Sache. Nach fünf teilweise sehr intensiven Jahren sei jetzt der richtige Zeitpunkt dafür, seinen Rücktritt als Direktor der Justizvollzugsanstalt Thorberg auf Ende Jahr bekannt zu geben, sagte er.
Eine Stunde später wird Daniel Wyrsch vom Berner Staatspersonalverband kommentieren: «Sie können es so zusammenfassen: Freude herrscht!»
Grosse Differenzen
Thomas Egger hatte die Leitung des Thorbergs Ende 2014 von seinem Vorgänger Georges Caccivio übernommen, dem Abstecher auf den Drogenstrich und privater Umgang mit Häftlingen zum Verhängnis geworden waren. Der neue Direktor sollte den Laden aufräumen – und setzte eine Reorganisation um. Diese ist zwar abgeschlossen, doch das Verhältnis zwischen Egger und den Angestellten seither stark belastet.
Eine Mitarbeiterbefragung unter dem neuen Polizei- und Militärdirektor Philippe Müller vom letzten Jahr bestätigte die schon früher geäusserten Vorwürfe. Unterirdische Noten gab es etwa für die Zusammenarbeit im Gefängnis und den Informationsfluss von der Chefetage an die Front.
Generell hat die Mitarbeiterzufriedenheit unter Egger abgenommen. Trotzdem sagte Müller Ende Oktober 2018, dass der Direktor nach wie vor sein Vertrauen geniesse. Er stellte Egger aber einen Coach zur Seite und setzte ihm ein Ultimatum. In sechs Monaten wolle er Resultate sehen.
«Jemand setzt eine Reorganisation um, die nicht überall gut ankommt. Ein anderer baut darauf auf.»
Diese sechs Monate sind nun vorbei, und seit Dienstag ist bekannt: Thomas Egger verlässt den Thorberg.
Freiwillig oder nicht?
«Ich möchte betonen, dass mich niemand zu dieser Entscheidung gedrängt hat», sagte Egger. Und führte gleich mehrmals aus, dass sein Abgang absolut freiwillig erfolge. Er sei sich bewusst, dass er sich mit seinem Vorgehen bei der Reorganisation, dem vorgelegten Tempo oder seiner fordernden Art nicht nur Freunde gemacht habe. Das schlechte Betriebsklima sei aber nicht nur sein Verschulden.
Es sei das Ergebnis der letzten Jahrzehnte. «Das kann ich nicht in kurzer Zeit ändern», so Egger. Er sehe seinen Abgang denn auch «nicht im Ansatz» als Scheitern an. Schliesslich habe er die Reorganisation über die Bühne gebracht. «Wenn aber Konflikte ständig unter der Oberfläche brodeln, dann leidet darunter eine ganze Institution.» Jetzt sei es Zeit für einen unbelasteten Neuanfang.
Ob der Abgang aber tatsächlich freiwillig erfolgt, ist unklar. Angesichts der turbulenten Vorgeschichte und Eggers fortgeschrittenen Alters von 56 Jahren dürfte das zumindest angezweifelt werden. Regierungsrat Müller jedenfalls dankte ihm für seine Arbeit – und auch für seinen Entscheid, den Thorberg zu verlassen. «Jemand setzt eine Reorganisation um, die nicht überall gut ankommt.
Ein anderer baut darauf auf», sagte Müller. Eine Abgangsentschädigung gebe es für Egger nicht, die Suche nach einem Nachfolger werde sofort gestartet. «Ich bin überzeugt, dass wir auf dem richtigen Weg sind», sagte der Polizeidirektor.
Das Coaching durch Karl-Heinz Vogt wird punktuell noch weitergeführt. Bisher hat es den Kanton 65'000 Franken gekostet. Für Vogt ist nach den sechs Monaten auf dem Thorberg klar, dass die überwiegende Mehrheit der Mitarbeiter die Reorganisation mittlerweile mittrage.
Beim Betriebsklima hingegen würde nach wie vor Handlungsbedarf bestehen. «Es muss definiert werden, wofür der Thorberg steht», sagte Vogt. Welche Werte und Normen gelten? Werden die Insassen als Menschen oder als Verbrecher gesehen? Wie geht man mit Konflikten um? «Solche Fragen wurden in den letzten Jahrzehnten nie oder zu wenig diskutiert.» Das müsse sich ändern, sagte Vogt.
Weiterer Abgang
Die grossen Spannungen auf dem Thorberg haben aber nicht nur Folgen für Egger, sondern auch für das Amt für Justizvollzug. Dieses geriet letztes Jahr in die Kritik, weil es seine Aufsichtspflicht gegenüber dem Thorberg ungenügend wahrgenommen habe. Zu diesem Schluss jedenfalls kam eine Sonderprüfung.
Nun soll die AJV-Geschäftsleitung von zwölf auf acht Personen verkleinert werden, sagte Vorsteherin Romilda Stämpfli am Dienstag. Zudem verlässt der bisherige stellvertretende Chef Laszlo Polgar das Amt im Juni.
«Ich möchte betonen, dass mich niemand zu dieser Entscheidung gedrängt hat.»
Die Personalie Polgar gab in der Vergangenheit zu reden, weil er privat mit der stellvertretenden Thorberg-Direktorin liiert ist. Befürchtet wurden dadurch etwa Interessenkonflikte. Dass Polgar nun gehe, stehe aber in keinem Zusammenhang mit der privaten Verbindung, sagte Polizeidirektor Müller.
Und Daniel Wyrsch vom Staatspersonalverband? Für ihn ist der gestrige Tag ein Erfolg auf der ganzen Ebene. Er kritisierte sowohl die Liaison von Polgar als auch die Führungseigenschaften von Egger schon seit Jahren. «Für den Thorberg ist das die Chance für einen Neuanfang», sagte Wyrsch. Die beiden Abgänge seien die Grundvoraussetzung dafür, dass sich dort endlich etwas ändern könne.
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