Tänzerin in der Kirche Regensberg
Am morgigen Totensonntag werden die Kirchenbesucher ein sinnliches Orgelkonzert erleben.
Von Manuela Moser Regensberg – Orgelkonzerte haben in der reformierten Kirche Regensberg keine Tradition. Noch vor kurzem suchte die Gemeinde nach einer Kirchenmusikerin. Im August wurde Andrea Kobi (25) aus dem Aargau angestellt. Nun bringt die junge Frau bereits nach dieser kurzen Zeit frischen Wind ins Städtchen: Sie gibt am Sonntag ihr erstes Orgelkonzert. Und weil sie findet, dass die Kirchengänger beim Orgelspiel nichts für ihre Augen geboten kriegen, nimmt sie eine Tänzerin mit. Véronique Porta heisst die 28-jährige Frau, die bei diesem Orgelkonzert den Chorraum tanzend einnehmen wird. Ein ungewöhnlicher Auftritt, der so vielleicht in Unterländer Kirchen noch nie stattgefunden hat. Ein Fest für die Sinne Beim «Orgue dansant», so heisst das besinnliche Orgelkonzert zum morgigen reformierten Toten- und Ewigkeitssonntag, wird es vor allem sehr sinnlich zugehen. Auf Zehenspitzen lässt die Tänzerin ihre Hände spielerisch um den eigenen Körper gleiten. Zum Kirchenlied «Mein junges Leben hat ein End» von Jan Pieterszoon Sweelinck gibt Porta erst ein Kind wieder, dann einen Menschen im mittleren Alter und zum Schluss einen Greis. Schliesslich löscht sie alle Kerzen zu Johannes Brahms' «O Welt, ich muss dich lassen» aus. Für eine Minute bleibt es dunkel – eine ganze Schweigeminute lang. Danach geht das Licht im Chor wieder an. Franz Liszt «Consolation Des-Dur» ertönt. Leichtere Musik folgt und auf dem Höhepunkt von Felix Mendelssohns lautem «Allegro maestoso e vivace» öffnet die Tänzerin die Kirchentür nach draussen, die Zuhörer sollen vom hellen Licht begleitet das Gotteshaus verlassen. «Orgelmusik zieht nicht viele Leute an», sagt die Musikerin Andrea Kobi. Während ihrer dreijährigen Ausbildung in Amsterdam habe sie gelernt, dass eine Organistin sich einen Namen machen und mit eigenwilligen Ideen einen grösseren Kreis an Zuhörern schaffen muss. «Da ich selbst lieber Tänzerin geworden wäre, war der Tanz zur Orgelmusik für mich naheliegend», so Kobi. Für Véronique Porta ist das Ganze eine Herausforderung: «Orgelmusik ist sehr vielschichtig, gerade Bachs Stücke haben verschiedene Melodien.» Die beiden Frauen arbeiteten bei jedem Stück ein Thema heraus, welches Porta am Sonntag – teils einstudiert, teils improvisiert – zum Besten geben wird. Einen gelungenen Auftritt hat das Künstlerpaar schon hinter sich. Diesen Frühling trat es in der Zürcher Tonhalle auf. Im März nächsten Jahres ist ein grösseres Konzert in der St.-Peter-Kirche in Zürich geplant. Pfarrer Martin Schärer ist gespannt auf die Darbietung in Regensberg. «Ich vertraue unserer Organistin», sagt er. Bedenken, seine Kirche für einen Tanz herzugeben, hat er nicht. «Tanz in der Kirche hat durchaus Tradition», so der Kirchenvertreter. «Nur ist er heutzutage nicht mehr so üblich.» Mit der Reformation sei die Orgel im Gotteshaus ganz nach hinten verbannt worden – die Idee war damals, sich ganz auf das Wort zu konzentrieren. Das wird morgen Sonntag in Regensberg anders sein. Andrea Kobi. Véronique Porta nimmt den sakralen Raum auf ungewöhnliche Weise ein.Foto: David Bär
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