Stefan Lüthi ist das Rückgrat
Stefan Lüthi gehört zum Schulhaus Lützelflüh wie der Ueli-Brunnen auf dem Pausenplatz: Er ist seit fast drei Jahrzehnten der Abwart der Primarschule. Ein Rundgang durch sein Reich.

Erst im allerletzten Raum, bei einem Instantkaffee und einer Zigarette fügt sich das Bild zusammen und zeigt, wer Stefan Lüthi ist. Vorher tauchten viele Wörter auf, die passen: nett etwa, vertrauenswürdig, tüchtig, zuverlässig. Aber etwas fehlte noch.Seit 27 Jahren ist Stefan Lüthi das Rückgrat der Primarschule Lützelflüh.
Seit 1990 im Amt, gehört er zur Schulanlage neben Kirche und dem Gotthelfzentrum wie der Ueli-der-Knecht-Brunnen auf dem Pausenplatz. Und auch heute noch, nach fast drei Jahrzehnten, liebt er seine Arbeit. Das sieht und hört man. Das Wort Herzblut fällt immer wieder bei einem Rundgang durch das derzeit herrlich leere, angenehm stille und überaus friedliche Schulhaus an der Brandisstrasse.
Die Sommerferien sind da. Lüthi hat zu tun. Mit drei «hilfsbereiten» Frauen, wie er das ausdrückt, gilt es die Pulte zu reinigen, die Fensterrahmen zu putzen und insgesamt die Schulzimmer für den Neuanfang Mitte August vorzubereiten. Zwei Wochen dauert das. Dann hat auch der 58-jährige Lüthi Ferien.
Nein, das Klischee des mürrischen Hauswarts erfüllt er nicht. Er hat so gar nichts Furchteinflössendes an sich. Stefan Lüthi ist ein eher kleiner Mann, mit Stirnglatze, liebenswürdigen Zügen, einer leisen Stimme, und er ist von einer unaufgeregten Art.
«Anschreien ist das Dümmste»
Lüthi schreitet durch die kühlen Schulhausgänge, lässt seinen Schlüsselbund rasseln und sagt es so: «Anschreien ist das Dümmste, was man machen kann.» Und lässt auch gleich die wohl wichtigste Schulhausabwartweisheit überhaupt fallen: «So wie du zu den Kindern bist, sind sie auch zu dir.»
«So wie du zu den Kindern bist, sind sie auch zu dir.»
Als Stefan Lüthi 1990 seine Stelle in Lützelflüh antrat, brachte er alles mit, was so eine Arbeit verlangt. Er hatte Gärtner in Sumiswald gelernt, war Landschaftsgärtner, dann Gerätewart, Lastwagenchauffeur und Techniker beim Oberkriegskommissariat OKK in Grünenmatt, bis er dann in Lützelflüh seine Lebensaufgabe fand. Wie es sich damals gehörte, zog er in die Hauswartswohnung im alten Schulhausgebäude ein, wo sich heute die Gemeindeverwaltung befindet. Dort nistete er sich ein und zog ab dem Jahr 2000 seine beiden Söhne allein gross.
Der geborene Hauswart
Beim Rundgang durch das Schulhaus wird schnell klar, und auch Stefanie Gsell, seit 1999 Lehrerin in Lützelflüh, sagt es später am Telefon: Stefan Lüthi ist hier viel mehr. «Für mich ist er der geborene Hauswart. Man kann sich nur so einen wünschen», sagt sie. Lüthi ist immer zur Stelle, wenn es ihn braucht. Er nimmt Anrufe im Lehrerzimmer entgegen.
In kaum einem Klassenzimmer gibt es nicht eine Sitzbank, eine Kommode, eine Holzkiste oder sonst eine praktische Einrichtung, die Lüthi nicht nebenher selber gezimmert hätte. Weil er Freude daran hat, weil er gerne Gutes tut. Er sagt es selber, dass er auch mal im Werkraum aushilft, dass er die teils 30 Jahre alten Maschinen lieber selber flickt.
Gerade hat er einen kaputten Reisswolf zu sich genommen. «Mal sehen, ob ich den reparieren kann.» Das ist es, was Lüthi mag: Hand anlegen, selber versuchen, keine Angst davor haben, Neues zu lernen. Einander helfen. Gemeinsam anpacken. «Mit Herzblut», sagt er und schliesst die Turnhalle ab.
«Nume wen i öppis cha grüble, isch es mir wohl.»
Sein Tag beginnt um 6.30 Uhr. Da lüftet er im Schulhaus erst einmal die Räume. Danach kontrolliert er die Toiletten, die Turnhalle, die Gänge, staubt ab, räumt auf. Gönnt sich mal einen Kaffee im Lehrerzimmer. Es gibt immer etwas zu tun. Kein Tag ohne Überraschungen. Hier eine kaputte Türklinke, da ein Fensterrahmen, eine lockere Schraube an der Garderobe, eine flackernde Neonröhre. Beim Gang durch die Werkräume lässt Lüthi die zweite, wichtige Abwartweisheit fallen: «Gut eingeteilt, ist halb gearbeitet.»
Und so schreitet er durch diese stillen Gänge und wirkt, als ginge ihm alles leicht von der Hand. Doch auch er muss immer mal wieder auf die Zähne beissen. Im Winter nämlich. Und so sagt er es dann auch zähneknirschend: «Das Streusalz, das die Schüler ins Haus tragen, macht mir das Leben schwer.» Darauf könnte er gut verzichten.
Sein Refugium
Jetzt ist aber Sommer und Lüthi guter Laune. Es läuft alles nach Plan. Zum Schluss führt er über den Pausenplatz rüber zum Gebäude der Gemeindeverwaltung und öffnet eine seitliche Tür. Zwei Minuten in diesem Raum, und man lernt auch den privaten Stefan Lüthi kennen.
Zwei Motorräder stehen in der Mitte des Raumes. An den Wänden hängen feinsäuberlich aufgereiht Dutzende Werkzeuge, Angelruten, Köder. In der Ecke steht ein runder Tisch, darauf ein Aschenbecher, daneben eine Packung Brunette-Zigaretten. Hier ist Lüthis Refugium, hier ist sein Ort zum Abschalten und Tüfteln.
Hier beginnt seine Freizeit, die so gar nichts mit Faulenzen zu tun hat. «Nume wen i öppis cha grüble, isch es mir wohl», sagt er und steckt sich eine Zigarette an. «Viel lieber, als am Abend in der Beiz zu sitzen.» Ja, Stefan Lüthi ist ein gutmütiger, zuverlässiger und ordnungsliebender Grübli.
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