YB vor RückrundenstartSpychers Ansage – und der Dank an den Italienischlehrer
Die meisten Verletzten sind zurück, das Kader etwas verschmälert: Die Young Boys starten in neuer Rolle, aber mit altem Selbstverständnis in die Rückrunde der Super League.

Direkt angesprochen wird er zwar nicht, dennoch muss Christoph Spycher schmunzeln. Gemeinsam mit Trainer David Wagner sitzt der YB-Sportchef am frühen Dienstagnachmittag im Mediencenter des Wankdorfstadions, referiert einleitend darüber, wie sehr sie sich bei den Young Boys auf diese Rückrunde freuen. Auf diese Herausforderung, acht Punkte Differenz zum Tabellenführer FC Zürich aufzuholen.
Dann diese Frage an Wagner, wie er den Konkurrenzkampf im Kader zu moderieren gedenke. In vielen der 33 Partien seit Sommer stellte sich das Team fast von allein auf, immer wieder fielen Spieler aus. Nun sind die meisten wieder fit, einzig bei Ulisses Garcia und Wilfried Kanga dauert der Heilungsprozess etwas länger. Kanga trainiert seit gestern wieder mit dem Team, Garcia braucht noch eine Woche. Im kommenden Halbjahr stehen nur noch 18 Matchs auf dem Programm, weil YB aus Champions League und Cup ausgeschieden ist – gross rotieren muss der Trainer nicht.
Sprachkenntnisse im Wert von 10 Millionen Euro
Wagner sagt, dass er von Woche zu Woche schauen müsse. Die vom Verletzungspech geplagten Berner trauen der Sache noch nicht ganz. Hinsichtlich des Rückrundenstarts vom Samstag gegen Lugano (20.30 Uhr) ist das sogar verständlich, im Sturm ist neben Kanga auch der Einsatz von Jean-Pierre Nsame wegen einer Corona-Infektion fraglich. «Damit fallen schon wieder zwei Optionen weg», sagt Wagner, und Spycher nebenan nickt anerkennend, zieht die Augenbrauen hoch – und schmunzelt.
Natürlich weiss Spycher, dass auch er in dieser Hinsicht seinem Trainer unter die Arme greifen kann. Mit den Verkäufen von Silvan Hefti (zu Genua) und Michel Aebischer (Bologna), dem Abgang von Marvin Spielmann (Lausanne) sowie der Ausleihe von Alexandre Jankewitz (St. Gallen) und Yannick Touré (Wil) hat der Sportchef das Kader deutlich verschlankt. Und er bedankt sich lachend bei seinem früheren Italienischlehrer: «Ich war zwar nicht immer der beste Schüler, trotzdem scheint etwas hängen geblieben zu sein.» Im Januar-Transferfenster waren diese Sprachkenntnisse bisher zehn Millionen Euro wert.
Weder Spycher noch Wagner versuchen zu verstecken, dass für die Rückrunde nur eine Tabellenposition infrage kommt: die oberste. «Alles andere wäre unglaubwürdig», sagt Spycher. Auch wenn er betont, dass die Young Boys in einer ganz neuen Rolle seien: «Derjenigen des Jägers.» Eine Aussage, die mal wieder aufzeigt, wie lange vier Jahre im Fussball doch sein können.
Das Selbstverständnis des Serienmeisters
Dieses Selbstverständnis eines Serienmeisters demonstriert auch die Rechnung von Sandro Lauper, als er auf den Rückstand auf die bisher überraschend konstanten Zürcher angesprochen wird. «Wir haben noch zwei Direktbegegnungen», zählt er auf, «dann bleiben noch zwei Punkte Rückstand.» Auch wenn sich die Tabellensituation in den letzten Monaten geändert hat, Siege gegen den FCZ sind weiterhin fest eingeplant.
Wie wenig in diesen Zeiten planbar ist, merkten die Berner zum Start der Wintervorbereitung derweil einmal mehr. Als einer von neun Super-League-Clubs verzichtete YB auf ein Trainingslager im Ausland. «Schade», wie Lauper findet, seinen Knien hätten mehr Einheiten auf Naturrasen gutgetan. Wagner hatte zuerst gar «Bauchschmerzen» deswegen, wie er erzählt. Die Trainings im Wankdorf seien dann aber so gut gewesen, dass er im Nachhinein gar nicht wisse, ob es sogar besser gewesen sei, daheim zu bleiben.
Dass statt Testspiele gegen Red Bull Salzburg oder Fehervar nun Partien gegen Ligagegner anstanden, nutzten die Berner gleich, um die ohnehin schon klaren Ambitionen für die Rückrunde zu untermauern. 6:1 gegen Thun, 4:2 gegen Servette, 5:2 gegen GC, gar 6:0 gegen Sion und zum Schluss der 3:1-Sieg gegen Lausanne – die Berner kannten mit den Schweizer Gegnern kein Pardon. Der Verdacht liegt nahe, dass diese Resultate neues Selbstvertrauen einflössen. Nur, offenbar war das nicht nötig, wie Lauper sagt:
«Wir wussten ja immer, dass wir es können.»
Noch so ein Beweis dieses Selbstverständnisses – trotz acht Punkten Rückstand.
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