Spurlos verschwunden in der Schweiz
Der Fall der verschwundenen 20-jährigen Studentin aus Zug sorgt für Aufsehen. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass viele Fälle nach ähnlichen Mustern verlaufen, einige aber für immer rätselhaft bleiben.
Die 20-jährige Studentin ist eine von geschätzten 3000 bis 5000 Personen, die jährlich in der Schweiz vermisst gemeldet werden. Genaue Zahlen liegen dazu nicht vor; die Meldungen tauchen in keiner nationalen Statistik auf. Die meisten dieser Fälle klären sich allerdings auf; übrig bleiben pro Jahr geschätzte 200 Personen, die nicht aufgefunden werden.
Ein Blick auf vergangene Fälle zeigt, dass viele der Vermisstenfälle Gemeinsamkeiten aufweisen:
- Ausreisser: Unter den vermissten Personen befinden sich immer wieder Jugendliche, die von zu Hause weglaufen. Der grösste Teil der Fälle löst sich auf, indem die Jugendlichen von selber wieder auftauchen oder gefunden werden. Die Polizei berichtet jeweils auch von Dauerausreissern, die regelmässig aus Heimen oder auch aus schwierigen Elternhäusern weglaufen. Die Gründe für das Ausreissen werden in vielen Fällen nicht öffentlich, so auch im Fall eines 14-jährigen Mädchens, das im August 2012 im Wallis von einem Gemeindearbeiter in einem Waldstück aufgefunden wurde.
- Betagte: Oft befinden sich unter den als vermisst Gemeldeten auch ältere Personen. Unter ihnen befinden sich solche, die unglücklich stürzen und sich nicht mehr bewegen können. Manche dieser Fälle verlaufen glimpflich, andere aber nicht: Im letzten November stürzte bei Buchs ein 94-Jähriger in einen Bach und starb schliesslich wahrscheinlich an Erschöpfung. Betroffen sind oft auch demente Personen. Gegenüber dem «St. Galler Tagblatt» schilderte Ende letzten Jahres ein Vertreter der Kantonspolizei St. Gallen den Fall eines vermissten 78-Jährigen. Die Polizei suchte zehn Tage lang unter anderem mit Spürhunden nach dem Mann, die Armee entsandte einen Superpuma mit Wärmebildkamera und am Schweizer Fernsehen wurde die Bevölkerung zur Mithilfe aufgerufen. Am Ende fand aber ein Bauer den toten Mann drei Monate später an einem Waldrand.
- Bergunfälle: Regelmässig kehren Bergtourengänger, Wanderer und Skifahrer nicht mehr von Ausflügen zurück. Hier leitet die Polizei jeweils sofort Suchaktionen ein. Meist bringen diese Aufklärung – oft aber auch mit traurigem Resultat. In der «Südostschweiz» (Artikel online nicht verfügbar) schilderte Anfang Jahr ein Polizeivertreter den Fall einer vermissten Ehefrau, die mit einem Arbeitskollegen auf einer Wanderung war. Was für den Polizisten nach einem Schäferstündchen klang, erwies sich doch als Unglück: Ein Suchtrupp fand die beiden abgestürzten Wanderer schliesslich.
- Selbstmord: Besteht der Verdacht auf Suizid, leitet die Polizei ebenfalls rasch Suchaktionen ein. Während in manchen Fällen erst nach langer Zeit die Leiche des Verstorbenen auftritt, findet die Polizei in anderen Fällen die Betroffenen noch lebend an. Dokumentiert ist der Falleines 60-jährigen in Zürich wohnhaften Mannes, der 2012 seine Angehörigen per SMS über seine Suizidabsichten informierte. Die Polizei konnte den Mann schliesslich bei Bourg-St-Pierre im Wallis an einem abgelegenen Ort auffinden.
- Untertauchen: Immer wieder verschwinden auch Personen absichtlich. Einen solchen Fall schilderte der «Beobachter» Ende letzten Jahres. Ein 46-Jähriger verschwand nach geschäftlichen Problemen ohne Erklärung nach Luxemburg, kehrte aber nach einigen Wochen wieder zu seiner Familie zurück. Bei wiederum anderen Fällen bleibt unklar, ob der Betroffene untergetaucht ist oder sich selber umgebracht hat, so wie beim im selben Artikel geschilderten Fall eines Familienvaters, der sich mit folgendem SMS verabschiedete: «Das Auto steht in Lugano-Paradiso. Sorry für alles, ich bin schuld.» Die Polizei fand das Auto, den Mann hingegen nicht. Mit der Suche nach vermissten Personen im Ausland beschäftigt sich eine Abteilung des Bundesamts für Polizei (Fedpol). Für sie aber gilt: Wenn nicht Hinweise auf ein Verbrechen vorliegen, gibt das Bundesamt den Aufenthaltsort von gefundenen Personen nur mit deren Einverständnis an. Die Angehörigen erfahren aber zumindest, dass ihr Verwandter wohlauf ist.
- Gewalttaten: Verhältnismässig selten stellen sich vermisste Personen als Opfer von Gewaltverbrechen heraus. Zu solchen Fällen kommt es aber ebenfalls immer wieder. Ein Beispiel der vergangenen Jahre ist der Fall des Au-pairs Lucie, das von einem arbeitslosen, unter Bewährungshilfe stehenden Mann brutal umgebracht wurde. Der Fall war in der Folge auch der Anlass zur Einrichtung eines nationalen Entführungsalarms. Dieser kam bisher aber noch nie zum Einsatz. Ein anderer bekannter Entführungsfall harrt immer noch seiner Lösung: Von den 2011 entführten Zwillingen Alessia und Livia fehlt immer noch jede Spur.
Kein nationales Meldesystem
Anders als andere Staaten kennt die Schweiz kein einheitliches Meldesystem und auch keine nationale Plattform zur Ausschreibung der Vermissten. Die Daten werden von den Kantonspolizeien jeweils einzeln veröffentlicht. Die Kantonspolizei Zürich listet zurzeit beispielsweise 11 Vermisstenanzeigen auf; die älteste datiert ins Jahr 2004 zurück.
Öffentliche Aufrufe in den Medien setzen jeweils das Einverständnis der Angehörigen voraus. Die Folgen sind für die Angehörigen nicht zu unterschätzen: Vom Nachbar bis zum Arbeitgeber wissen in der Folge alle Bescheid; zudem wird es für die Medien einfach, die Betroffenen zu kontaktieren. «Wir versuchen jeweils, die Breitenwirkung einer Vermisstenanzeige bewusst zu machen», sagte Werner Schaub von der Kantonspolizei Zürich der NZZ.
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