Ein faszinierender Frechdachs ist die Schweizer Ski-Hoffnung
Fünfmal Gold bei der Junioren-WM, Lob von höchster Stelle – mit Marco Odermatt ist in Zukunft zu rechnen.

Als er eine Audienz erhielt beim grössten aller Schweizer Skifahrer, schlief er ein.
Marco Odermatt war ein Schulbub, er fuhr nach Zermatt mit Vater Walti, der die Gründung des Vereins Begabtenförderung Hergiswil initiiert hatte und Pirmin Zurbriggens strategischen Rat brauchte. Die Diskussion, so angeregt sie war, vermochte den Junior nicht zu begeistern. Bald einmal schaute Odermatt senior rüber zum Sofa – und hörte den Sohn schnarchen.
Über zehn Jahre sind vergangen, und aus dem schläfrigen Knirps ist ein aufgeweckter junger Mann von 21 Jahren geworden. Einer, den Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann als Genie bezeichnet, welches nicht nur ihn fasziniere. Einer, dem Marcel Hirscher das Potenzial attestiert, ein ganz Grosser zu werden. «Technisch ist dieser Kerl schon extrem weit. Zudem scheint er extrem cool zu sein», meint Österreichs Seriensieger.
Nicht zu hoch fliegen, nicht zu tief fallen
Beim vorletzten Gespräch vergangenen Dezember war Odermatt ein begabter Schweizer Skifahrer, nicht mehr und nicht weniger. Wegen einer Knieverletzung hatte er die WM in St. Moritz verpasst, im Weltcup sollte er noch Ende Januar kein zählbares Ergebnis vorweisen können. Dann kamen diese sieben Tage Anfang Februar in Davos, die so vieles verändert haben. Mittwoch: Gold in der Abfahrt. Freitag: Gold im Super-G. Samstag: Gold im Teambewerb. Sonntag: Gold in der Kombination. Dienstag: Gold im Riesenslalom.
Fünf Rennen, fünf Siege – der Nidwaldner schaffte an der Junioren-WM Historisches. Nie zuvor hatte ein Nachwuchsathlet an Titelkämpfen derart abgeräumt. Zur Belohnung erhielt er in drei Disziplinen einen Startplatz am Weltcupfinal in Åre, dreimal fuhr der 21-Jährige unter die besten 15. Sogar Aksel Svindal staunte und richtete Gratulationen aus. Und weil sich Odermatt nicht bremsen liess, holte er gleich noch die Schweizer Meistertitel in Abfahrt und Super-G.
Bei all den starken Ergebnissen ist der Jungspund bescheiden geblieben. Den zweiten Lauf will er erreichen am Sonntag im Riesenslalom beim Weltcup-Auftakt in Sölden. «Nicht zu hoch fliegen, wenn es läuft, nicht zu tief fallen, wenn nichts funktioniert – das ist meine Devise, so bin ich erzogen worden», sagt Odermatt. Wenn es die Situation erfordert, wird er weiterhin im Europacup zum Einsatz kommen. Er ist sich sicher: «Im Weltcup werde ich auch mal eins aufs Dach kriegen.»
Finanziell beflügelt von der Power-Brause
Dank guter FIS-Punkte wird Odermatt in den Riesenslaloms gleich nach den ersten 30 starten können. Die Ausgangslage sei günstig, meint der Innerschweizer, «und ich sollte fähig sein, sie zu nutzen». Urs Lehmann geht gleich zwei Schritte weiter und sagt, dem Talent stünden an und für sich sämtliche Türen offen. Als Türöffner lassen sich die goldenen Tage von Davos bezeichnen. Odermatts Sponsoringportfolio hat sich erweitert, mit Red Bull ist ein Big Player aufgesprungen.
Kein anderer Schweizer Skifahrer ist zuvor vom Dosengiganten unterstützt worden; finanziell ist die Partnerschaft lukrativ, zudem darf Odermatt im modernen Leistungszentrum von Red Bull in Salzburg wie Hirscher, Svindal oder Lindsey Vonn ein und aus gehen. Der Innerschweizer staunt nach wie vor, was der Vertragsabschluss ausgelöst hat. «Erwähne ich diese Marke, hört jeder zweimal hin. Die Ausstrahlungskraft ist enorm, man wird als Sportler attraktiver.» Er schätzt den Austausch mit Experten und Athleten im Team des Energydrink-Herstellers, «das erweitert den Horizont».
Weitaus kleiner ist das Team bei Ausrüster Stöckli. Im Riesenslalom ist Odermatt der einzige Fahrer auf Weltcupstufe, er soll mithelfen bei der Entwicklung der Rennski. Den Vertrag hat er verlängert, er weiss: Nirgendwo sonst wäre das Material so stark auf ihn ausgerichtet.
Tränen vor dem Fernseher, wenn Vorbild Cuche ausfiel
Der neue Status bringt Verpflichtungen mit sich. Das Interesse an Odermatt hat zugenommen, auf einmal muss er Interviews geben, repräsentieren. Sosehr er auffällt mit dem speziellen Nidwaldner Dialekt, so sehr besticht er mit seiner Souveränität. Odermatt fühlt sich wohl dabei, im Zentrum zu stehen, nervös wirkt er nicht. Bereits als Schüler im Skiclub hatte er Medientrainings.
Der Schalk bricht hin und wieder durch im Gespräch. Ein Frechdachs sei Odermatt, sagt der Schweizer Chefcoach Tom Stauffer, einer, der selten die 08/15-Linie wähle. Ein Lausbub war er abseits der Pisten, mit Jugendfreund Fabian Bösch trieb er allerhand Schabernack. Der Slopestyle-Weltmeister von 2015 war oft schneller bei den Nachwuchsrennen, die Kreativität auszuleben, war ihm aber wichtiger als Odermatt, der gerne vor dem Fernseher sass und Idol Didier Cuche zuschaute. «Wenn er ausfiel, weinte ich.»
Bei aller Bescheidenheit ist es Odermatts Ziel, ganz oben zu stehen im Weltcup. Das Gefühl wie nach den Siegen in Davos will er wieder spüren. Mit Lob wurde er überhäuft damals, auch Pirmin Zurbriggen meldete sich. Mit Ratschlägen hielt sich der Walliser zurück. Er sagt: «Marco ist ein Diamant. Und schon ziemlich geschliffen.»
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch