Das Problem mit den Dopingschlagzeilen
Kurz vor den olympischen Winterspielen kommen neue Dopingenthüllungen heraus. Der Inhalt wird breit falsch dargestellt.

Kein Tag vergeht zurzeit ohne Dopingnews. Das hat weniger damit zu tun, dass sich die Betrugsfälle alle gerade zum jetzigen Zeitpunkt ereignen würden als mit den bevorstehenden Olympischen Spielen. Denn nie lassen sich Schlagzeilen um betrügende Athleten besser verkaufen als rund um einen Grossanlass. Er generiert nämlich erst die grosse Einschaltquote. Hajo Seppelt, der bekannteste Doping-Rechercheur, hat dieses Prinzip verinnerlicht. Stets vor einem grossen Event lanciert der Deutsche seine nächste hervorragende Recherche – diesmal zusammen mit der «Sunday Times».
Die neuste handelt vom Langlaufsport. Die knackige Aussage: Anhand von Blutwerten hätten zwischen 2001 und 2017 an WM und Olympischen Spielen 46 Prozent der Langläufer eine Medaille gewonnen, die mindestens einmal einen auffälligen Blutwert aufgewiesen hätten. Klingt erschreckend. Man fragt sich also, ob im Langlauf folglich seit vielen Jahren und in vielen Ländern bis heute hemmungslos gedopt wird.
Dann schaut man sich die Recherche von Seppelt genauer an und beginnt zu staunen. Denn die Kernaussage der von ihm zugespielten Blutdaten dreht sich einzig um die Jahre 2001 bis 2010. Das heisst: Aussagen über Auffälligkeiten in den Blutwerten können über jene Jahre hinaus anhand dieser Informationen keine gemacht werden. Aber wenn zu dieser Zeit (2001 bis 2010) verdächtige Athleten später (bis 2017) Medaillen geholt haben, zählen sie eben zu diesen 46 Prozent.
Dopingflaschen-Skandal
Aussagen seriöser aufnehmen
Um den Globus aber gehen Meldungen, dass die Langläufer bis heute offensichtlich in vielen Nationen schummeln würden. Seppelt ist diese Falschdarstellung nicht anzulasten. Er hat sie nie gemacht. Aber richtig zuhören bzw. lesen sollten Journalisten seine Beiträge schon können.
Dann würden sie diese erschreckende Botschaft allenfalls auch einzuordnen wissen. Viele der auffälligen Langläufer konnte man in den Jahren 2001 bis 2010 schlicht nicht überführen. Dafür besassen die Anti-Doping-Kämpfer damals weder die notwendigen Analyseverfahren noch die juristische Handhabe. Der biologische Pass, via den man Sportler gemäss auffälliger Blutwerte verurteilen kann, wurde erst 2009 eingeführt. Selbst wenn Dopingbekämpfer also in jenen Jahren mit grosser Wahrscheinlichkeit von Betrügern wussten, konnten sie ihnen sehr oft nicht habhaft werden. Damit soll die Recherche von Hajo Seppelt bzw. der «Sunday Times» keineswegs gemindert werden. Ihre Aussage bleibt erschreckend. Aber eine seriösere Aufnahme und Verarbeitung ihrer Arbeit wünschte man sich schon.
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