Schweizer Märchen in Down Under
Ein Schweizer bestreitet nächsten Sonntag am Australian Open den Final. Nach souveränen Dreisatzsiegen in den Viertelfinals machen Roger Federer und Stan Wawrinka am Donnerstag in Melbourne diesen Finalisten unter sich aus.

Kaum einer zweifelte daran, dass Roger Federer in der Glanzform, die er in den Runden zuvor gegen Tomas Berdych und Kei Nishikori gezeigt hatte, im Viertelfinal des Australian Open den deutschen Aussenseiter Mischa Zverev, die Nummer 50 der Welt, besiegen würde.
Und dennoch meinte der 35-jährige Basler nach dem nie gefährdeten 6:1, 7:5, 6:2-Sieg: «Einen Halbfinal Federer - Wawrinka hätte ich nie für möglich gehalten. Stan ja, aber ich nicht.» Nach seiner sechsmonatigen Pause wegen seines operierten Meniskus verblüfft Federer nicht nur die Sportwelt, sondern speziell auch sich selber.
Dass er in einzelnen Matchs bereits wieder gefährlich sein würde, glaubte der 17-fache Grand-Slam-Champion schon, dass er aber gleich mehrere Siege gegen starke Gegner aneinanderreihen würde, eher nicht. So war der Sieg gegen Zverev zwei Tage nach dem Fünfsatzeffort gegen die Weltnummer 5 Nishikori eben doch bemerkenswert.
Federer liess nie Zweifel am Ausgang aufkommen. Er legte gegen den Bezwinger des Weltranglistenersten Andy Murray los wie die Feuerwehr und gewann gleich die ersten fünf Games. Bereits die letzte Begegnung mit dem 29-jährigen Linkshänder in Halle hatte der vierfache Australian-Open-Champion 6:0, 6:0 gewonnen.
In den nur 92 Minuten Spielzeit gelangen Federer 65 Winner bei nur 13 unerzwungenen Fehlern. Er kam mit dem Angriffsspiel von Zverev wesentlich besser zurecht als zwei Tage zuvor Murray. Es war im 13. Viertelfinal am Australian Open Federers 13. Sieg.
Er schlägt im bisherigen Turnierverlauf hervorragend auf, wirkt äusserst frisch und beweglich und lässt sich auf dem schnellen Court nur selten in lange, kräftezehrende Ballwechsel verwickeln. Gegen den zähen Nishikori zeigte er aber, dass er auch über die nötige Ausdauer verfügt. Bereits träumen die Fans von einem Revival des Klassikers Federer - Nadal im Final.
Im Stil eines Champions
Mindestens einer hat da aber sehr viel dagegen: Stan Wawrinka. Etwas unter dem Radar der Öffentlichkeit kommt der Australian-Open-Champion von 2014 immer besser in Fahrt. Im Viertelfinal liess er auch dem bisher stärksten Gegner Jo-Wilfried Tsonga, der Nummer 12, beim 7:6 (7:2), 6:4, 6:3 keine Chance. Nur einmal sah es aus, als ob der im Waadtland wohnhafte Franzose die Partie ausgeglichener und spannender gestalten könnte.
Zum 4:3 im zweiten Satz gelang dem Australian-Open-Finalisten von 2008 sein einziges Break. Wawrinka reagierte jedoch im Stil eines Champions. Er holte sich zu null das Rebreak und gewann sechs Games in Serie. Damit hatte er den zweiten Durchgang gewonnen und im dritten mit 3:0 eine Vorentscheidung herbeigeführt.
Völlig offene Ausgangslage
Beeindruckend war einmal mehr Wawrinkas Dominanz in den entscheidenden Phasen. Mit dem letzten Satz in der 3. Runde gegen Viktor Troicki, den drei im Achtelfinal gegen Andreas Seppi und dem ersten gegen Tsonga hatte er fünf Sätze hintereinander im Tiebreak für sich entschieden.
Für fast mehr Aufregung als das Spiel sorgte eine kurze verbale Auseinandersetzung zwischen den beiden Nachbarn am Genfersee am Ende des ersten Satzes. Die beiden eigentlich guten Kollegen spielten den Vorfall nach dem Spiel aber als belanglos runter.
Grand-Slam-Turniere: Wawrinkas Leistungsausweis

Grafik vergrössern. Grafik: fri / Quelle: Wikipedia
Im Halbfinal kommt es nun zum 22. Duell zwischen Federer und Wawrinka. 18-mal gewann der Baselbieter. Auch den bisher einzigen Schweizer Grand-Slam-Halbfinal entschied Federer 2015 am US Open klar für sich. Dennoch ist die Ausgangslage völlig offen. Im Gegensatz zum Anfang seiner Karriere erstarrt der vier Jahre jüngere Waadtländer nicht mehr in Ehrfurcht.
Zwar kamen seine drei bisherigen Siege – unter anderem 2015 auf dem Weg zu seinem French-Open-Triumph – alle auf Sand zustande, doch Federer warnt: «Er hat hier und am US Open so viel Erfolg gehabt. Wenn ich Stan sehe, denke ich nicht, uff, ausser auf Sand habe ich noch nie gegen ihn verloren. Ich denke daran, dass er mich oft eine Stunde lang oder mehr dominiert hat.»
Grand-Slam-Turniere: Federers Leistungsausweis

Grafik vergrössern. Grafik: fri / Quelle: Wikipedia
Respekt und Selbstvertrauen
Und Wawrinka verspricht: «Er ist zwar der beste Spieler aller Zeiten und findet immer eine Lösung, aber ich weiss gegen jeden, was ich tun muss, um zu gewinnen.» Er hoffe einfach, dass ihm ein grosser Match gelingen werde. Auf einen solchen hoffen auch die Schweizer Tennisfans am Donnerstag um 9.30 Uhr Schweizer Zeit. Gewonnen haben sie ja schon.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch