Federers Millionen-Poker um den Swoosh
Seit 21 Jahren vertraut Roger Federer Nike-Produkten. Treiben ihn die stockenden Verhandlungen in die Arme eines Konkurrenten?
«Spielt Federer in Wimbledon in Uniqlo-Kleidern?» Diese Frage wirft der altgediente Tennisjournalist Vincenzo Martucci auf der Website «Sportsenators» am 9. Juni auf und bringt damit eine Story ins Rollen: Die japanische Marke, die Kei Nishikori und einige Jahre Novak Djokovic unter Vertrag hatte, sei bereit, für die nächsten zehn Jahre 30 Millionen Dollar in ihn zu investieren.
Die Geschichte findet schnell den Weg in die Welt und nimmt eine Eigendynamik an. In England ist sogleich von 300 Millionen die Rede – eine Zahl, die fortan von vielen ungeprüft übernommen wird. Obwohl in der Schweiz keine gesicherten Fakten zutage kommen, erklärt Martucci am 10. Juni über Twitter forsch: «Federers Wechsel von Nike zu Uniqlo wurde gestern von Schweizer Journalisten bestätigt.»
«Das sind Gerüchte»
Am 12. Juni wird Federer in Stuttgart an seiner Medienkonferenz auf das Thema angesprochen. «Das sind Gerüchte», sagt er. «Kein Gerücht ist, dass der Vertrag mit Nike im März ausgelaufen ist. Mehr gibt es nicht zu sagen.» Englisch fügt er an: «Das ist eine Gelegenheit, zu prüfen, wie die Lage aussieht.» Also eine Chance, seinen Marktwert zu testen. Zu Schweizer Journalisten sagt er wieder einen Tag später, dass er stark involviert sei in diese Verhandlungen, sie ihn aber nicht gross belasteten. «Ich habe schon mehrmals während Vertragsverhandlungen gespielt.»
Das Thema widerstrebt Federer sichtlich, es wird nicht nachgefragt. Kurz darauf reist aber ein holländischer Journalist an und bohrt nach: «Ist es noch möglich, dass Sie bei Nike bleiben?» Da verliert er kurz seine Freundlichkeit: «Ich beabsichtige nicht, mit Ihnen darüber zu sprechen», sagt er, für seine Verhältnisse schroff. Beschwichtigend fügt er dann an: «Ich bevorzuge, darüber nicht zu sprechen, bis die Zeit reif ist. Nicht, dass es ein Problem gäbe. Aber es ist eine Situation, die schon vor langer Zeit hätte geklärt werden müssen.»
Federer und Nike – das gehört seit jeher zusammen
Damit sagt er mehr, als er wohl beabsichtigt hat. Diese Aussage kann nur bedeuten, dass die stockenden Vertragsverhandlungen mit Nike das Grundproblem sind. Denn was hätte er auch für Gründe, im Spätherbst seiner Karriere einen neuen Ausrüster zu suchen? Federer und Nike – das gehört seit jeher zusammen. Wie in Stuttgart trägt er auch in Halle wie üblich seine Nike-Kollektion. Er sagt, es gebe keinen Grund, das nicht zu tun, er sei mit diesem Ausrüster stets zufrieden gewesen.
Derweil spriessen weltweit munter weitere Gerüchte. In den USA spekuliert der Sportmarketing-Experte Michel van Grunsven: «Ich weigere, mich zu glauben, dass es hier nur ums Geld geht. Es geht auch um einen 36-Jährigen, der sich bei Nike nicht mehr geliebt fühlt.» Es kursiert auch das Gerücht, Federer-Manager Tony Godsick habe sich mit dem Nike-Verhandlungspartner verkracht – wie einst mit Swiss-Indoors-Chef Roger Brennwald. Godsick lässt Nachfragen zum Thema auch von dieser Zeitung konsequent unbeantwortet.
Die Ungewissheit ums RF-Logo
Martucci, der die Story lancierte, schliesst auf Nachfrage nicht aus, dass die Offerte von Uniqlo auch dazu dienen könnte, Druck auf Nike zu machen, um das Angebot aufzubessern. Immerhin geht es um Federers wichtigsten und höchstdotierten Vertrag, und auch um seine Zukunft nach der aktiven Karriere. Der Swoosh hat ihn geprägt, und Nike entwickelte auch sein omnipräsentes RF-Logo. Dieses sollte er nach amerikanischen Quellen wohl erstehen können, sollte er Nike tatsächlich verlassen.
Da Uniqlo keine Schuhe produziert, müsste er sich auch in diesem Bereich neu orientieren. Ein anderer Aspekt eines allfälligen Abgangs ist ebenfalls spannend. Die Marke Nike untersagt ihren Partnern Fremdwerbung, zahlt ihnen dafür mehr Geld. Bei einem neuen Ausrüster hätte Federer die Möglichkeit, weitere Sponsorenlogos auf dem Court zu tragen – wofür einige Firmen aus dem hochkarätigen Kreis seiner Vertragspartner wohl gerne noch etwas mehr Geld überweisen würden. Die Auswahl ist gross: unter anderem Barilla, Rolex, Credit Suisse, Mercedes Benz oder Moët & Chandon.
Federer als wandelnde Litfasssäule?
Vor diesem Hintergrund sind die 30 Millionen, die Uniqlo bieten soll, zu relativieren und dürften realistischer sein als das Zehnfache davon. Zumal es hier um einen Spieler geht, der voraussichtlich bald zurücktritt und während des grössten Teils der Vertragsdauer auf der Profitour gar nicht zu sehen sein wird. Doch: Wer kann sich Federer in der Endphase seiner Karriere als wandelnde Litfasssäule vorstellen? Im Stil von Stan Wawrinka, der in London diese Woche mit einem Shirt antrat, das neben dem Yonex-Logo und «Stan the Man» drei weitere Markenzeichen trug?
Zudem: Federer ist von Natur aus ein verlässlicher, loyaler Partner, der immer nur an langfristigen Vereinbarungen interessiert war. Schon seit 1997 trägt er Kleider und Schuhe mit dem Swoosh. Zuerst erhielt er nur das Material, gelegentlich musste er damals auf andere Produkte ausweichen, da die Nike-Leibchen nicht ausreichten an Turnieren, an denen er sehr lange dabei war, etwa 1997 in Mailand.
Seit 1997 bei Nike
Am Ende jenes Jahres kam es zu einem ersten Fünfjahresvertrag, 2003 folgte ein zweiter, 2008 schliesslich der nun ausgelaufene Zehnjahreskontrakt, der ihm mindestens 130 Millionen Dollar gebracht hat. Das tönt nach sehr viel Geld und war auch der bestdotierte Vertrag, der im Tennis bis damals abgeschlossen worden war. Doch im Vergleich zu anderen Topshots von Federers Kaliber, die von Nike mit langfristigen Verträgen gebunden wurden, besteht Nachholbedarf.
James und Ronaldo lebenslänglich bei Nike
Mit dem Basketballer LeBron James schloss Nike 2016 eine lebenslange Vereinbarung ab, die ihm gemäss amerikanischen Schätzungen eine halbe bis über eine Milliarde Dollar bringen soll. Ein Jahr später erhielt Cristiano Ronaldo einen ähnlich dotierten, lebenslangen Nike-Vertrag. Und Basketball-Ikone Michael Jordan soll jährlich immer noch auf über 60 Millionen Dollar kommen.
Tennisprodukte bilden in den USA im Vergleich zu Basketball aber nur einen kleinen Markt. Spekuliert wird sogar, ob sich Nike daraus zurückziehen wolle. Zurzeit werden noch neue Verträge eingegangen, 2017 etwa mit Belinda Bencic, dieses Jahr mit Simona Halep. Selbst die Rumänin gehört aber zu einer viel tieferen Preisklasse als Federer oder Rafael Nadal, dessen Fünfjahresvertrag Ende Jahr ausläuft.
Die grosse Frage bleibt, ob Federer und Nike sich nochmals finden, oder ob es zum grossen Kleidertausch kommt. Einen besseren Termin dafür gäbe es nicht als der Montag in acht Tagen, wenn der Titelverteidiger auf dem Centre Court in Wimbledon um 15 Uhr die Championships eröffnen wird.
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